Das Buch Daniel

Kapitel 1: Daniel am königlichen Hof in Babel

Vorbemerkungen

1 Im dritten Jahr der Regierung des Königs Jojakim von Juda zog Nebukadnezzar, der König von Babel, gegen Jerusalem und belagerte es.

2 Und der Herr gab Jojakim, den König von Juda, und einen Teil der Geräte des Tempels Gottes in seine Hand. Er brachte sie in das Land Schinar in den Tempel seines Gottes. Im Schatzhaus seines Gottes ließ er die Geräte niederlegen.

 

Daniels Ausbildung für den königlichen Dienst

3 Da befahl der König dem Aschpenas, dem Vorsteher der Kämmerer, er solle von den Israeliten königlicher und fürstlicher Abstammung

4 Knaben kommen lassen, die ohne Fehl wären, mit schönem Aussehen, wohl bewandert in aller Weisheit, reich an Kenntnissen und gut erzogen, die Geschick dazu hätten, im Palast des Königs aufzuwarten. Er solle sie unterrichten in Schrift und Sprache der Chaldäer.

5 Der König bestimmte ihren täglichen Unterhalt vom königlichen Tisch und vom Wein, den er selber trank. Er befahl, sie drei Jahre lang auszubilden, nach deren Ablauf sie in den königlichen Dienst treten sollten.

6 Unter ihnen befanden sich die Judäer Daniel, Hananja, Mischaël und Asarja.

7 Der Vorsteher der Kämmerer gab ihnen jedoch andere Namen. Daniel nannte er Beltschazzar, Hananja Schadrach, Mischaël Meschach und Asarja Abed-Nego.

 

Daniels Gesetzestreue

8 Daniel war fest entschlossen, sich weder an der Kost des Königs noch an dem Wein, den dieser trank, zu verunreinigen. Er bat daher den Vorsteher der Kämmerer, sich nicht verunreinigen zu müssen.

9 Und Gott ließ Daniel beim Vorsteher der Kämmerer Nachsicht und Gnade finden.

10 Doch sagte der Vorsteher der Kämmerer zu Daniel: "Ich fürchte mich vor meinem königlichen Herrn, der Speise und Trank für euch bestimmt hat; denn wenn er sähe, daß eure Gesichter schmächtiger wären als die der anderen Knaben eures Alters, so hätte ich durch eure Schuld mein Haupt beim König verwirkt."

11 Doch Daniel bat den Aufseher, den der Vorsteher der Kämmerer über ihn, Hananja, Mischaël und Asarja gesetzt hatte:

12 "Versuche es, bitte, zehn Tage lang mit deinen Knechten! Man gebe uns nur Gemüse zu essen und Wasser zu trinken.

13 Dann magst du unser Aussehen und das jener Knaben, die von des Königs Tafel essen, in Augenschein nehmen, und gemäß dem, was du siehst, mit deinen Knechten verfahren."

14 Er war ihnen hierin zu Willen und versuchte es mit ihnen zehn Tage lang.

15 Nach Verlauf von zehn Tagen aber sahen sie besser und wohlgenährter aus als alle Knaben, die von der königlichen Tafel aßen.

16 Da ließ der Aufseher die Speise und den Wein, den sie trinken sollten, beiseite und gab ihnen nur Gemüse.

 

Aufnahme in den königlichen Dienst

17 Gott verlieh aber diesen vier Knaben Wissen und Einsicht in alle Schriftkunde und Weisheit. Daniel verstand sich auch auf Visionen und Träume jeglicher Art.

18 Als die Zeit um war, nach deren Verlauf sie auf Befehl des Königs diesem vorgestellt werden sollten, führte sie der Vorsteher der Kämmerer zu Nebukadnezzar.

19 Der König redete mit ihnen, und unter allen fand sich keiner wie Daniel, Hananja, Mischaël und Asarja. Daher wurden sie zum königlichen Dienst zugelassen.

20 In allen Fällen, die Weisheit und Einsicht verlangten, fand sie der König, sooft er sie befragte, allen Zauberern und Wahrsagern in seinem ganzen Königreich zehnmal überlegen.

21 Daniel erlebte noch das erste Jahr von König Kyrus.

 

Kapitel 2: Daniel deutet Nebukadnezzars Traum

Unvermögen der Weisen, den Traum zu deuten

1 Im zweiten Jahr der Regierung Nebukadnezzars hatte Nebukadnezzar einen Traum. Er wurde dadurch so sehr in Unruhe versetzt, daß der Schlaf von ihm wich.

2 Da befahl der König, die Zauberer, Wahrsager, Beschwörer und Chaldäer zu rufen. Sie sollen dem König über seinen Traum Auskunft geben. Diese kamen und traten vor den König.

3 Der König sagte zu ihnen: "Ich hatte einen Traum und fühle mich nun beunruhigt. Ich möchte gern den Traum verstehen."

4 Die Chaldäer antworteten dem König (aramäisch): "O König, mögest du ewig leben! Erzähle den Traum deinen Knechten, so wollen wir dir die Deutung geben."

5 Doch der König erwiderte den Chaldäern: "Mein Beschluß steht fest: Wenn ihr mir den Traum und seine Deutung nicht anzugeben wißt, sollt ihr in Stücke gehauen und eure Häuser in Schutthaufen verwandelt werden.

6 Wenn ihr aber den Traum und seine Deutung kundtun könnt, werdet ihr Geschenke und Gaben und große Ehre von mir empfangen. Tut mir also den Traum und seine Deutung kund!"

7 Da antworteten sie zum zweitenmal: "Der König wolle seinen Knechten den Traum erzählen, so werden wir angeben, was er bedeutet."

8 Doch der König erwiderte: "Ich weiß nun sicher, daß ihr Zeit zu gewinnen sucht, weil ihr wißt, daß bei mir feststeht:

9 Wenn ihr mir den Traum nicht angebt, bleibt es bei dem Urteilsspruch über euch. Ihr habt euch verabredet, mir eine falsche, erlogene Deutung zu geben, in der Hoffnung, die Verhältnisse würden sich ändern. Also sagt mir den Traum, und ich weiß, daß ihr mir auch die richtige Deutung gebt!"

10 Die Chaldäer antworteten dem König: "Es gibt keinen Menschen auf Erden, der dein Verlangen, o König, erfüllen könnte. Auch hat nie ein König, so groß und mächtig er sein mochte, so etwas von einem Wahrsager, Zauberer oder Chaldäer verlangt.

11 Was du, o König, forderst, ist zu schwer. Es gibt niemand, der dem König darüber Auskunft geben könnte, als die Götter, die nicht bei den Sterblichen wohnen."

 

Hinrichtungsbefehl des Königs

12 Hierüber wurde der König so sehr aufgebracht und erbost, daß er den Befehl gab, alle Weisen von Babel hinzurichten.

13 Als der Befehl ergangen war, die Weisen umzubringen, suchte man auch Daniel und seine Gefährten, um sie zu töten.

14 Da wurde Daniel in kluger, verständiger Weise bei Arjoch vorstellig, dem Obersten der königlichen Scharfrichter, der ausgezogen war, um die Weisen von Babel hinzurichten.

15 Er fragte Arjoch, den königlichen Befehlshaber, weshalb der strenge Befehl vom König erlassen sei. Als Arjoch dem Daniel den Sachverhalt mitgeteilt hatte,

16 begab sich Daniel zum König und bat ihn, ihm Zeit zu lassen, da er alsdann dem König die Deutung geben werde.

 

Offenbarung des Traumes an Daniel

17 Hierauf begab sich Daniel in sein Haus und teilte seinen Gefährten Hananja, Mischaël und Asarja den Sachverhalt mit,

18 damit sie betreffs dieses Geheimnisses Barmherzigkeit beim Gott des Himmels erflehen sollten und nicht auch Daniel und seine Gefährten mit den übrigen Weisen von Babel hingerichtet würden.

19 Da ward Daniel in einer nächtlichen Vision das Geheimnis geoffenbart. Da segnete Daniel den Gott des Himmels.

20 Daniel betete: "Gepriesen sei der Name des Herrn von Ewigkeit zu Ewigkeit! Denn sein ist die Weisheit und die Macht.

21 Er ist es, der den Wechsel der Zeiten und Verhältnisse herbeiführt; der Könige absetzt und Könige einsetzt; der den Weisen Weisheit und den Klugen Einsicht verleiht.

22 Er offenbart das Tiefe und Verborgene. Er weiß, was in der Finsternis geschieht; denn bei ihm wohnt das Licht.

23 Ich danke dir, Gott meiner Väter. Ich preise dich; denn du hast mir Weisheit und Kraft verliehen. Du hast mich jetzt auch wissen lassen, um was wir dich baten. Denn den Traum des Königs hast du uns kundgetan."

 

Daniel teilt dem König den Traum mit

24 Hierauf begab sich Daniel zu Arjoch, dem der König befohlen hatte, die Weisen von Babel hinzurichten. Er ging hin und sagte zu ihm: "Lasse die Weisen von Babel nicht töten! Führe mich zum König! Ich kann dem König Aufklärung geben!"

25 Arjoch führte nun Daniel eiligst vor den König und sagte zu diesem: "Bei den jüdischen Verbannten habe ich einen Mann gefunden, der dem König die Deutung geben will."

26 Der König sagte zu Daniel, der auch Beltschazzar hieß: "Bist du wirklich imstande, mir den Traum, den ich gehabt habe, und seine Deutung kundzutun?"

27 Daniel antwortete dem König: "Das Geheimnis, das der König wissen will, können Weise, Wahrsager, Zauberer und Zeichendeuter dem König nicht kundtun.

28 Doch im Himmel ist ein Gott, der Geheimnisse offenbart. Er tut dir, König Nebukadnezzar, kund, was in der Folgezeit geschehen wird. Der Traum und die Vision, die du auf deinem Lager hattest, sind folgende:

29 Dir, o König, stiegen auf deinem Lager Gedanken darüber auf, was hernach geschehen werde. Der die Geheimnisse offenbart, tut dir kund, was kommen wird.

30 Mir ward nun dieses Geheimnis geoffenbart, nicht kraft einer Weisheit, die mir vor allen Lebenden zu eigen wäre, sondern zu dem Zweck, daß die Deutung dem König kundgetan würde und du über die Gedanken deines Herzens Aufschluß erhieltest.

31 Du, o König, hattest eine Vision. Da schautest du ein großes Standbild. Das Standbild war hoch und sein Glanz überwältigend. Es stand vor dir. Schrecklich war sein Anblick.

32 Das Haupt dieses Standbildes war von feinstem Gold, Brust und Arme waren von Silber, der Leib und die Hüften von Erz,

33 die Schenkel von Eisen, die Füße teils von Eisen, teils von Ton.

34 Während du hinschautest, riß sich ohne Zutun ein Stein vom Berg los, stieß an die eisernen und tönernen Füße des Standbildes und zermalmte sie.

35 Da zerstoben mit einem Mal Eisen, Ton, Erz, Silber und Gold und verflogen wie die Spreu im Sommer auf den Tennen. Der Wind trug sie fort. Keine Spur war mehr von ihnen zu finden. Der Stein aber, der das Standbild zerschmettert hatte, ward zu einem großen Berg und erfüllte die ganze Erde.

 

Die Deutung des Traumes

36 Das ist der Traum. Nun wollen wir dem König seine Deutung geben.

37 Du, König, König der Könige, dem der Gott des Himmels Herrschaft und Macht, Kraft und Ehre verliehen,

38 und in dessen Hand er überall, wo sie auch wohnen, die Menschen, die Tiere des Feldes und die Vögel des Himmels gegeben und den er zum Herrscher über sie alle gemacht hat: du bist das Haupt von Gold.

39 Nach dir wird ein anderes Reich entstehen, das geringer ist als deines, darauf ein anderes drittes Reich von Erz, das sich über die ganze Erde erstrecken wird.

40 Ein viertes Reich wird stark sein wie Eisen. Das Eisen vermag ja alles zu zertrümmern und zu zerschlagen. Wie das Eisen zermalmt, so wird es alle jene Reiche zermalmen und zertrümmern.

41 Daß die Füße und die Zehen, die du sahst, teils aus Töpferton, teils von Eisen waren, bedeutet, daß das Reich uneinheitlich sein wird. Es wird ihm etwas von der Festigkeit des Eisens eignen, weil, wie du sahst, Eisen mit Tonerde verbunden war.

42 Daß die Zehen teils von Eisen, teils von Ton waren, bedeutet, daß das Reich zum Teil fest, zum Teil brüchig sein wird.

43 Daß aber das Eisen, wie du sahst, mit Tonerde verbunden war, bedeutet, daß sie zwar durch Heiraten sich miteinander verbinden, aber sich doch nicht zusammenschweißen werden, wie sich auch Eisen mit Ton nicht vermischen läßt.

44 In der Zeit jener Könige wird der Gott des Himmels ein Reich erstehen lassen, das nicht zerstört wird bis in Ewigkeit. Seine Herrschaft wird nicht übergehen auf ein anderes Volk. Es wird alle jene Reiche zertrümmern und vernichten, selbst aber ewigen Bestand haben,

45 So wie du gesehen hast, daß sich ein Stein ohne Zutun vom Berg loslöste und Eisen, Erz, Ton, Silber und Gold zermalmte, so hat ein großer Gott dem König kundgetan, was hernach geschehen wird. Der Traum ist wahr und seine Deutung ist zuverlässig."

 

Nebukadnezzar huldigt Gottes Macht in Daniels Weisheit

46 Da warf sich König Nebukadnezzar auf sein Angesicht nieder, verneigte sich vor Daniel und befahl, ihm Opfer und Räucherwerk darzubringen.

47 Dann sprach der König zu Daniel: "Wahrlich, euer Gott ist der höchste Gott, der Herr der Könige und der Offenbarer der Geheimnisse; denn du warst imstande, dies Geheimnis zu enthüllen."

48 Hierauf erwies der König dem Daniel große Ehre. Er gab ihm viele kostbare Geschenke und übertrug ihm die Verwaltung der ganzen Provinz Babel und machte ihn zum Obervorsteher über alle Weisen Babels.

49 Doch auf Daniels Bitten übertrug der König die Verwaltung der Provinz Babel Schadrach, Meschach und Abed-Nego. So blieb Daniel am königlichen Hof.

 

Kapitel 3: Die drei Jünglinge im Feuerofen

Die Errichtung des Standbildes

1 König Nebukadnezzar ließ ein goldenes Standbild von sechzig Ellen Höhe und sechs Ellen Breite machen und es in der Ebene Dura in der Provinz Babel aufstellen.

2 Hierauf sandte König Nebukadnezzar Boten aus, um die Satrapen, Statthalter, Befehlshaber, Richter, Schatzmeister, Rechtskundigen, Ratsherren und alle anderen Würdenträger der Provinzen zu berufen, damit sie sich zur Einweihung des Bildes einfänden, das König Nebukadnezzar errichtet hatte.

3 Da versammelten sich die Satrapen, Statthalter, Befehlshaber, Richter, Schatzmeister, Rechtskundigen, Ratsherren und alle anderen Würdenträger der Provinzen zur Einweihung des Bildes, das König Nebukadnezzar errichtet hatte. Sie nahmen vor dem Bild, das Nebukadnezzar errichtet hatte, Aufstellung.

4 Der Herold rief mit lauter Stimme: "Ihr Völker, Nationen und Zungen, es wird euch befohlen:

5 Sobald ihr den Schall der Trompeten, Flöten, Zithern, Harfen, Lauten, Sackpfeifen und aller anderen Arten von Musikinstrumenten hört, sollt ihr euch niederwerfen und das goldene Bild anbeten, das König Nebukadnezzar errichtet hat.

6 Wer sich nicht niederwirft und anbetet, wird auf der Stelle in den glühenden Feuerofen geworfen werden."

7 Sobald nun alle die Völker den Schall der Trompeten, Flöten, Zithern, Harfen, Lauten, Sackpfeifen und aller anderen Arten von Musikinstrumenten hörten, warfen sich alle Völker, Stämme und Zungen nieder und beteten das goldene Bild an, das König Nebukadnezzar errichtet hatte.

 

Die Standhaftigkeit der drei Freunde

8 Zur gleichen Stunde noch traten chaldäische Männer heran und verklagten die Juden.

9 Sie sagten zum König Nebukadnezzar: "O König, mögest du ewig leben!

10 Du, o König, hast Befehl gegeben, daß jeder Mann, der den Schall der Trompeten, Flöten, Zithern, Harfen, Lauten, Sackpfeifen und aller anderen Arten von Musikinstrumenten hört, sich niederwerfen und das goldene Bild anbeten soll.

11 Wer nicht niederfalle, um das goldene Bild anzubeten, soll in den glühenden Feuerofen geworfen werden.

12 Nun sind da Juden, denen du die Verwaltung der Provinz Babel übertragen hast, Schadrach, Meschach und Abed-Nego. Diese Männer kümmern sich nicht um deinen Befehl, o König. Sie verehren deine Götter nicht und beten das goldene Bild nicht an, das du errichtet hast."

13 Da befahl Nebukadnezzar in Zorn und Wut, Schadrach, Meschach und Abed-Nego herbeizuholen Als man sie vor den König gebracht hatte,

14 fuhr Nebukadnezzar sie an: "Ist es Absicht, Schadrach, Meschach und Abed-Nego, daß ihr meine Götter nicht verehrt und das goldene Bild, das ich errichten ließ, nicht anbetet?

15 Nun denn, wenn ihr bereit seid, so werft euch nieder, sobald ihr den Schall der Trompeten, Flöten, Zithern, Harfen, Lauten, Sackpfeifen und aller anderen Arten von Musikinstrumenten hört, und betet das Bild an, das ich errichten ließ. Wenn ihr es aber nicht anbetet, sollt ihr auf der Stelle in den glühenden Feuerofen geworfen werden, und welchen Gott gäbe es, der euch aus meiner Hand erretten könnte?"

16 Schadrach, Meschach und Abed-Nego erwiderten dem König: "Nebukadnezzar, wir haben es nicht nötig, dir hierauf Antwort zu geben!

17 Denn siehe, unser Gott, den wir verehren, hat die Macht, uns aus dem glühenden Feuerofen zu erretten. Er wird uns aus deiner Hand, o König, befreien.

18 Wenn er es aber nicht tut, so wisse, o König, daß wir deine Götter auch dann nicht verehren und das goldene Bild, das du errichtet hast, nicht anbeten."

 

Im Feuerofen

19 Da geriet Nebukadnezzar über Schadrach, Meschach und Abed-Nego in solche Wut, daß sich sein Angesicht entstellte. Er befahl, den Ofen siebenmal stärker zu heizen, als es sonst geschah.

20 Alsdann gab er den stärksten Männern seines Heeres den Befehl, Schadrach, Meschach und Abed-Nego zu fesseln und in den glühenden Feuerofen zu werfen.

21 So wurden denn diese Männer in ihren Unterkleidern, Röcken, Mänteln und sonstigen Gewändern gefesselt und in den glühenden Feuerofen geworfen.

22 Da man den Ofen auf den strengen Befehl des Königs hin übermäßig befeuert hatte, wurden die Männer, die Schadrach, Meschach und Abed-Nego hineinwarfen, von den Feuerflammen getötet.

23 Jene drei Männer, Schadrach, Meschach und Abed-Nego, fielen gefesselt in den glühenden Feuerofen.

24 Und sie wandelten in den Flammen umher, lobten Gott und priesen den Herrn.

 

Das Gebet des Asarja

25 Da trat Asarja hin und betete. Er öffnete seinen Mund inmitten des Feuers und sprach:

26 "Gepriesen seist du, Herr, Gott unserer Väter. Gelobt und verherrlicht sei dein Name immerdar.

27 Du bist gerecht in allem, was du uns getan, Alle deine Werke sind wahrhaftig, gerade deine Wege, verläßlich alle deine Urteilssprüche.

28 Denn gerecht ist deine Gericht, das du gehalten hast, gerecht ist die Strafe, die du über uns und Jerusalem, die heilige Stadt unserer Väter, hast kommen lassen; denn nach gerechtem Urteil hast du dies alles verhängt um unserer Sünden willen.

29 Denn gesündigt haben wir und schlecht gehandelt, da wir von dir abfielen. In allem haben wir gefehlt.

30 Auf deine Gebote haben wir nicht gehört, sie nicht beobachtet, noch sie erfüllt, wie du uns geboten hattest, damit es uns wohl ergehe.

31 Darum hast du alles, was du über uns verhängt hast, alles, was du uns getan, nach gerechtem Gericht an uns vollzogen.

32 Du gabst uns in die Hände unserer ungerechten, bitterbösen, gottlosen Feinde und eines ungerechten Königs, des schlechtesten auf der ganzen Erde.

33 Wir können jetzt unseren Mund nicht auftun. Schmach und Schande wird deinen Knechten, denen, die dich verehren, zuteil.

34 Verstoße uns nicht für immer um deines Namens willen! Löse nicht deinen Bund!

35 Entziehe uns nicht dein Erbarmen um Abrahams, deines Lieblings, Isaaks, deines Knechtes, und Jakobs, deines Heiligen, willen,

36 denen du verheißen hast, ihre Nachkommen zahlreich zu machen wie die Sterne des Himmels und wie den Sand am Ufer des Meeres.

37 Denn, o Herr, wir sind kleiner geworden als alle Völker. Gedemütigt sind wir nun auf der ganzen Erde wegen unserer Sünden.

38 Auch haben wir zur Zeit weder Fürsten noch Feldherren, noch Propheten, noch Brandopfer und Schlachtopfer, noch Speiseopfer und Räucherwerk, noch auch eine Stätte für die Erstlingsgaben vor dir,

39 um Erbarmen bei dir zu finden. So laß uns denn bei dir Aufnahme finden, da wir doch wenigstens zerknirschten Herzens und demütigen Sinnes sind.

40 Wie wenn wir Brandopfer von Widdern und Stieren und Tausende von fetten Schafen darbrächten, möge unser Opfer heute vor deinem Antlitz dein Wohlgefallen finden. Denn die dir vertrauen, werden nicht zuschanden.

41 Nunmehr sind wir dir gehorsam von ganzem Herzen. Wir fürchten dich und suchen dein Angesicht.

42 Laß uns nicht zuschanden werden, sondern verfahre mit uns nach deiner Milde und nach der Fülle deiner Barmherzigkeit!

43 Errette uns nach deiner Wundermacht und verschaffe deinem Namen Ehre, Herr!

44 Laß zuschanden werden alle, die deinen Knechten Böses tun! Laß sie zuschanden werden mit all ihrer Macht. Vernichtet werde ihre Kraft!

45 Sie sollen wissen, daß du, Herr, allein Gott bist und ruhmreich auf der ganzen Erde."

 

Der Engel des Herrn im Feuerofen

46 Die Diener des Königs, die sie hineingeworfen hatten, hörten nicht auf, den Ofen mit Erdharz, Pech, Werg und Reisig zu heizen.

47 Neunundvierzig Ellen hoch schlugen die Flammen über den Ofen hinaus.

48 Sie brachen hervor und verbrannten die Chaldäer, die sie neben dem Ofen trafen.

49 Der Engel des Herrn war nämlich mit Asarja und seinen Gefährten in den Ofen hinabgestiegen. Er schlug die Feuerflamme zum Ofen hinaus

50 und bewirkte, daß es im Inneren des Ofens so kühl war, wie wenn ein frischer Morgenwind weht. Das Feuer berührte sie in keiner Weise und bereitete ihnen keinen Schmerz und keine Beschwerde.

 

Der Lobgesang der drei Jünglinge

51 Da sangen die drei im Feuerofen Gott wie aus einem Mund Lob, Ruhm und Preis:

 

Lob und Preis dem erhabenen Gott

52 "Gepriesen seist du, Herr, Gott unserer Väter, Gelobt und gerühmt und hocherhoben in Ewigkeit! Gepriesen sei dein heiliger, herrlicher Name, gelobt und hocherhoben in alle Ewigkeit!

53 Gepriesen seist du in deinem heiligen, herrlichen Tempel, hochgelobt und hochgerühmt in Ewigkeit!

54 Gepriesen seist du auf deinem Königsthron, hochgelobt und hocherhoben in Ewigkeit!

55 Gepriesen seist du, der du schaust in die Tiefen und thronst über Kerubim, gelobt und hocherhoben in Ewigkeit!

56 Gepriesen seist du über der Himmelsfeste, gelobt und gerühmt in Ewigkeit!

 

Lobpreis der himmlischen Mächte

57 Des Herrn ganze Schöpfung, preise den Herrn, lobe und erhebe ihn über alles in Ewigkeit!

58 Ihr Himmel, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

59 Ihr Engel des Herrn, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

60 Über dem Himmel ihr Wasser all, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

61 Alle Mächte des Herrn, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

62 Sonne und Mond, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

63 Sterne des Himmels, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

 

Lobpreis der Naturerscheinungen

64 Aller Regen und Tau, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

65 All ihr Winde, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

66 Feuer und Glut, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

67 Kälte und Hitze, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

68 Tau und Reif, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

69 Frost und Kälte, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

70 Eis und Schnee, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

71 Nacht und Tag, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

72 Licht und Dunkel, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

73 Blitze und Wolken, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

 

Lobpreis der Erde und ihrer Geschöpfe

74 Du Erde, preise den Herrn, lobe und erhebe ihn über alles in Ewigkeit!

75 Berge und Hügel, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

76 All ihr Gewächse auf Erden, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

77 Ihr Quellen, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

78 Meere und Ströme, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

79 Ihr Meerestiere und alles, was im Wasser sich regt, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

80 Alle Vögel des Himmels, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

81 Alles Wild und Vieh, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

 

Lobpreis der Erwählten

82 Ihr Menschenkinder, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

83 Du, Israel, preise den Herrn, lobe und erhebe ihn über alles in Ewigkeit!

84 Ihr Priester des Herrn, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

85 Ihr Diener des Herrn, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

86 Ihr Geister und Seelen der Gerechten, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

87 Ihr Heiligen und die ihr demütigen Herzens seid, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit!

 

Lobpreis der drei Jünglinge

88 Hananja, Asarja, Mischaël, preist den Herrn, lobt und erhebt ihn über alles in Ewigkeit! Denn er hat uns dem Totenreich entrissen, uns errettet aus den Fängen des Todes. Er hat uns aus der Flammenglut befreit und uns erlöst aus dem Feuer.

89 Danket dem Herrn! Denn er ist gut. Ja, ewig währt sein Erbarmen!

90 Ihr Frommen alle, preist den höchsten Gott, den Herrn! Singt ihm Lob! Bringt ihm Dank! Denn ewig währt sein Erbarmen!"

 

Der König preist Gottes Macht

91 Da staunte König Nebukadnezzar, stand eilends auf und fragte seine Räte: "Haben wir nicht drei Männer gebunden ins Feuer geworfen?" Sie antworteten dem König: "Gewiß, o König." [24]

92 Er entgegnete: "Ich sehe aber vier Männer ungefesselt im Feuer umhergehen, ohne verletzt zu sein. Der vierte sieht aus wie ein Göttersohn." [25]

93 Hierauf trat Nebukadnezzar an die Tür des glühenden Feuerofens heran und rief. "Schadrach, Meschach und Abed-Nego, ihr Diener des höchsten Gottes, kommt heraus und tretet her!" Sogleich kamen Schadrach, Meschach und Abed-Nego aus dem Feuer heraus. [26]

94 Da kamen die Satrapen, Statthalter, Befehlshaber und die Räte des Königs herbei und sahen, daß das Feuer jenen Männern nichts hatte antun können. Ihr Haupthaar war nicht versengt, ihre Kleider nicht beschädigt und kein Feuerschaden war an sie gekommen. [27]

95 Da rief Nebukadnezzar aus: "Gepriesen sei der Gott des Schadrach, Meschach und Abed-Nego. Er hat seinen Engel gesandt und seine Diener befreit, die auf ihn vertrauten, den Befehl des Königs übertraten und ihre Leiber hingaben, um keinen anderen Gott zu verehren und anzubeten als ihren Gott! [28]

96 Darum ergeht von mir der Befehl: Wenn irgendeiner, welchen Volkes, welcher Nation und Zunge er auch sei, eine Lästerung gegen den Gott des Schadrach, Meschach und Abed-Nego ausspricht, soll er in Stücke gehauen und sein Haus in einen Schutthaufen verwandelt werden; denn es gibt keinen anderen Gott, der auf solche Weise retten könnte." [29]

97 Darauf erhob der König Schadrach, Meschach und Abed-Nego wieder zu ihren hohen Stellungen in der Provinz Babel. [30]

 

Nebukadnezzars Demütigung und Heilung

Einleitung zum königlichen Schreiben

98 "König Nebukadnezzar an alle Völker, Nationen und Zungen, die auf der ganzen Erde wohnen. Heil euch mehr und mehr! [31]

99 Die Zeichen und Wunder, die der höchste Gott an mir gewirkt hat, geruhe ich zur Kenntnis zu bringen. [32]

100 Wie groß sind seine Zeichen! Wie gewaltig seine Wunder! Sein Reich ist ein ewiges Reich. Seine Herrschaft währt von Geschlecht zu Geschlecht. [33]

 

Kapitel 4: Nebukadnezzars Traum

1 Ich, Nebukadnezzar, lebte sorglos in meinem Haus, lebensfroh in meinem Palast.

2 Da hatte ich einen Traum, der mich erschreckte. Die Vorstellungen, die mir auf meinem Lager kamen, die Visionen, die mir vor Augen traten, versetzten mich in Bestürzung.

3 Ich ließ daher den Befehl ergehen, alle Weisen Babels vor mich zu führen, damit sie mir die Deutung des Traumes kundtäten.

4 Da kamen die Wahrsager, Zauberer, Chaldäer und Zeichendeuter. Ich erzählte ihnen meinen Traum. Doch konnte mir keiner seine Deutung geben.

5 Zuletzt erschien vor mir Daniel, der nach dem Namen meines Gottes Beltschazzar heißt und in dem der Geist des heiligen Gottes wohnt. Ich erzählte ihm den Traum:

6 "Beltschazzar, Oberster der Wahrsager! Ich weiß, daß der Geist der heiligen Götter in dir wohnt. Kein Geheimnis ist dir zu schwierig. Tu mir die Deutung meines Traumes, den ich hatte, kund!

7 Folgendes ist die Vision, die mir auf meinem Lager vor Augen stand: Ich sah plötzlich mitten auf der Erde einen Baum von gewaltiger Höhe.

8 Der Baum wuchs und wurde immer größer, so daß sein Gipfel an den Himmel reichte. Man sah ihn bis an die Enden der ganzen Erde.

9 Sein Laubwerk war schön, seine Früchte sehr zahlreich. Nahrung für alle fand sich an ihm. In seinem Schatten ruhten sich aus die Tiere des Feldes. Die Vögel des Himmels nisteten in seinen Zweigen. Allerlei Lebewesen nährten sich von ihm.

10 Da sah ich plötzlich in den Visionen, die mir auf meinem Lager vor Augen standen, einen heiligen Wächter vom Himmel herniedersteigen.

11 Er rief mit lauter Stimme: 'Haut den Baum um und schlagt seine Äste ab! Streift sein Laubwerk ab und streut seine Früchte umher! Es fliehe das Wild unter ihm weg und die Vögel fort aus seinen Zweigen!

12 Doch seinen Wurzelstock laßt in der Erde! Man binde ihn mit eisernen und ehernen Fesseln, draußen im Grün des Feldes. Vom Tau des Himmels werde er benetzt. Mit den wilden Tieren sei sein Anteil an dem Gras der Erde!

13 Sein Menschenherz soll verwandelt und ihm dafür ein Tierherz gegeben werden. Sieben Zeiten sollen so über ihn dahingehen.

14 Auf einem Beschluß der himmlischen Wächter beruht dieser Befehl. Auf Wunsch der Heiligen ergeht die Verordnung, damit die Lebenden erkennen, daß der Allerhöchste über das menschliche Königtum Gewalt hat. Er gibt es, wem er es geben will. Er kann selbst den Niedrigsten zu seinem Herrscher bestellen.'

15 Diesen Traum hatte ich, König Nebukadnezzar, und du, Beltschazzar, gib seine Deutung; denn keiner von den Weisen meines Reiches konnte mir seine Deutung kundtun. Du aber bist dazu imstande, weil der Geist der heiligen Götter in dir wohnt!"

 

Die Deutung des Traumes

16 Da schwieg Daniel, auch Beltschazzar genannt, eine ganze Weile. Seine Gedanken ängstigten ihn. Doch der König ermunterte ihn: "Beltschazzar, laß dich durch den Traum und seine Deutung nicht ängstigen!" Beltschazzar antwortete: "Mein Herr, möchte der Traum deinen Hassern und seine Deutung deinen Feinden gelten!

17 Der Baum, den du sahst, der wuchs und immer größer ward, bis sein Gipfel an den Himmel reichte, den man bis an die Enden der ganzen Erde sah,

18 dessen Laubwerk schön und dessen Früchte zahlreich waren, an dem sich Nahrung für alle fand, unter dem die Tiere des Feldes wohnten und in dessen Zweigen die Vögel des Himmels nisteten,

19 der bist du, o König, der du groß und mächtig wurdest, dessen Größe bis an den Himmel wuchs und dessen Macht reicht bis an das Ende der Erde.

20 Und der König sah, wie ein heiliger Wächter vom Himmel niederstieg, der befahl: 'Haut den Baum um! Zerstückelt ihn! Doch laßt seinen Wurzelstock in der Erde! Man binde ihn mit eisernen und ehernen Fesseln, draußen im Grün des Feldes. Vom Tau des Himmels werde er benetzt. Mit den wilden Tieren sei sein Anteil. Sieben Zeiten sollen so über ihn dahingehen':

21 Dies ist die Deutung, o König, und Beschluß des Höchsten ist es, der über meinen Herrn, den König, ergangen ist:

22 Man wird dich aus der Gesellschaft der Menschen ausstoßen. Bei den Tieren des Feldes wirst du hausen. Gras wird man dir zur Nahrung geben wie den Rindern, und von des Himmels Tau wirst du benetzt werden. Sieben Zeiten werden über dich dahingehen, bis daß du erkennst, daß der Allerhöchste über das menschliche Königtum Gewalt hat und es gibt, wem er will.

23 Der Befehl, den Wurzelstock des Baumes zu belassen, bedeutet: dein Königtum wird dir wieder zuteil werden, sobald du erkennst, daß der Himmel die Herrschaft hat.

24 Darum, o König, laß dir meinen Rat gefallen: Mache deine Sünden gut durch Almosen und deine Missetaten durch Barmherzigkeit gegen die Elenden! Vielleicht ist dann deinem Wohlergehen Dauer beschieden."

 

Die Erfüllung des Traumes

25 Alles dies ging am König Nebukadnezzar in Erfüllung

26 Nach Verlauf von zwölf Monaten erging er sich auf dem königlichen Palast zu Babel.

27 Der König sprach: "Ist das nicht das große Babel, das ich durch meine große Macht und zum Ruhm meiner Herrlichkeit zur königlichen Residenz erbaut habe?"

28 Noch war die Rede nicht über die Lippen des Königs gekommen, da erscholl eine Stimme vom Himmel her: "Dir, König Nebukadnezzar, wird hiermit kundgetan: Das Königtum wird von dir genommen.

29 Aus der Gesellschaft der Menschen treibt man dich hinweg. Bei den Tieren des Feldes wirst du hausen. Gras wird man dir zur Nahrung geben wie den Rindern; und sieben Zeiten werden über dich hinweggehen, bis daß du erkennst, daß der Allerhöchste über das menschliche Königtum Gewalt hat und es verleihen kann, wem er will."

30 Noch in derselben Stunde ging die Drohung an Nebukadnezzar in Erfüllung. Er wurde aus der Gesellschaft der Menschen ausgestoßen, fraß Gras wie die Rinder, es ward sein Leib vom Tau des Himmels benetzt, bis sein Haar so lang gewachsen war wie Adlerfedern und seine Nägel wie Vogelkrallen.

 

Nebukadnezzars Heilung

31 "Nach Verlauf der festgesetzten Zeit, erhob ich, Nebukadnezzar, meine Augen zum Himmel, und mein Verstand ward mir wiedergegeben. Da dankte ich dem Höchsten und lobte und pries ihn, der lebt in Ewigkeit, dessen Herrschaft eine ewige Herrschaft ist und dessen Königtum besteht von Geschlecht zu Geschlecht.

32 Alle, die auf Erden wohnen, sind neben ihm wie nichts zu achten. Nach seinem Wohlgefallen verfährt er mit dem Heer des Himmels und mit den Bewohnern der Erde. Niemand gibt es, der seiner Hand wehren und ihn fragen dürfte: 'Was machst du da?'

33 Zur selben Zeit erhielt ich meinen Verstand zurück, und ich kam wieder zur Herrlichkeit meines Königtums, zu Pracht und Glanz. Meine Minister und Großen suchten mich auf. Ich wurde wieder in meine königliche Würde eingesetzt, und noch größere Macht ward mir verliehen.

34 Darum lobe, preise und verherrliche ich, Nebukadnezzar, den König des Himmels, denn all sein Tun ist wahrhaftig; sein Walten ist gerecht. Er vermag zu demütigen, die in Hoffart wandeln."

 

Kapitel 5: Die Schrift an der Wand

Die Lästerung

1 König Belschazzar veranstaltete für seine tausend Großen ein großes Gastmahl. In Gegenwart der Tausend trank er Wein.

2 Als Belschazzar trunken war, befahl er, die goldenen und silbernen Gefäße herbeizubringen, die sein Vater Nebukadnezzar aus dem Tempel in Jerusalem hatte wegschleppen lassen. Der König wollte mit seinen Großen, seinen Gemahlinnen und Nebenfrauen daraus trinken.

3 Als man die goldenen Gefäße, die man aus dem Tempel, dem Haus Gottes zu Jerusalem, geraubt, herbeigebracht hatte, trank daraus der König mit seinen Großen, seinen Gemahlinnen und Nebenfrauen.

4 Sie tranken Wein und priesen ihre Götter aus Gold und Silber, Erz, Eisen, Holz und Stein.

 

Die schreibende Hand

5 Zur selben Stunde erschienen Finger einer Menschenhand und schrieben, dem Leuchter gegenüber, auf den Kalk der Wand des Königspalastes. Als der König die Hand, die schrieb, gewahrte,

6 entfärbte sich sein Antlitz. Seine Gedanken ängstigten ihn. Seine Hüftgelenke lösten sich und seine Knie schlotterten.

7 Der König rief mit lauter Stimme, man solle die Wahrsager, Chaldäer und Zeichendeuter kommen lassen. Dann sagte er zu den Weisen Babels: "Wer diese Schrift lesen kann und ihre Deutung mit kundtut, der soll in Purpur gekleidet werden, eine goldene Kette am Hals tragen und als Dritter in meinem Reich herrschen."

8 Da trafen alle Weisen des Königs ein. Doch vermochten sie weder die Schrift zu lesen noch ihre Deutung dem König kundzutun.

9 König Belschazzar geriet in große Furcht. Sein Angesicht entstellte sich. Auch seine Großen waren bestürzt.

 

'Man lasse Daniel rufen!'

10 Als die Königinmutter hörte, was dem König und den Großen widerfahren war, begab sie sich in das Gebäude, wo das Gastmahl stattfand. Die Königinmutter sagte: "O König, mögest du ewig leben! Deine Gedanken sollen dich nicht ängstigen! Dein Angesicht entstelle sich nicht!

11 Es gibt einen Mann in deinem Reich, in dem der Geist des heiligen Gottes wohnt. Schon unter der Regierung deines Vaters ward Einsicht und Verstand und geradezu göttliche Weisheit in ihm gefunden. König Nebukadnezzar, dein Vater, hat ihn zum Obersten der Zauberer, Wahrsager, Chaldäer und Zeichendeuter bestellt – dein eigener Vater, o König –

12 weil ein hoher Geist, Klugheit und Verständnis zur Deutung von Träumen, zur Enthüllung von Geheimnissen und zur Erklärung von Rätseln bei Daniel, dem der König den Namen Beltschazzar gab, gefunden wurde. Man lasse Daniel rufen. Er wird die Deutung geben."

 

'Die Schrift will ich lesen und die Deutung geben...'

13 Als man Daniel vor den König geführt hatte, sagte der König zu Daniel: "Bist du Daniel, einer von den jüdischen Gefangenen, die mein königlicher Vater von Juda hergebracht hat?

14 Ich habe von dir gehört, daß der Geist der Götter in dir wohnt; daß Einsicht, Verständnis und Weisheit in hohem Maß bei dir gefunden ward.

15 Nun sind die Weisen und Zauberer vor mir erschienen, um diese Schrift zu lesen und mir ihre Deutung kundzutun. Doch sind sie nicht imstande, mir die Deutung der Worte zu geben.

16 Da hörte ich von dir, daß du imstande bist, Deutungen zu geben und Rätsel zu lösen. Nun denn, wenn du die Schrift dort zu lesen und sie mir zu deuten vermagst, sollst du in Purpur gekleidet werden, eine goldene Kette am Hals tragen und als Dritter in meinem Reich herrschen."

17 Hierauf entgegnete Daniel dem König: "Behalte deine Geschenke für dich. Deine Gaben schenke einem anderen! Doch die Schrift will ich lesen und dir, o König, die Deutung geben.

18 O König, der höchste Gott gab deinem Vater Nebukadnezzar Königtum, Größe, Herrlichkeit und Majestät.

19 Wegen der großen Macht, die er ihm verlieh, zitterten und bebten vor ihm alle Völker, Nationen und Zungen. Er konnte töten, wen der wollte; er konnte am Leben lassen, wen er wollte; er konnte erhöhen, wenn er wollte; er konnte erniedrigen, wen er wollte.

20 Als aber sein Herz sich überhob und sein Geist sich bis zur Vermessenheit erfrechte, wurde er vom Königsthron gestürzt und seine Würde ihm genommen.

21 Er wurde aus der Gesellschaft der Menschen ausgestoßen, und sein Herz wurde in das eines Tieres verwandelt. Er hauste bei den Waldeseln. Man gab ihm Gras zur Nahrung wie den Rindern. Vom Tau des Himmels ward sein Leib benetzt, bis daß er erkannte, daß der höchste Gott über das menschliche Königtum Gewalt hat und es verleihen kann, wem er will.

22 Auch du, sein Sohn Belschazzar, hast dein Herz nicht gedemütigt, obgleich du dies alles wußtest,

23 sondern gegen den Herrn des Himmel hast du dich erhoben. Die Gefäße seines Tempels hat man vor dich bringen müssen, und du hast daraus mit deinen Großen, deinen Gemahlinnen und Nebenfrauen Wein getrunken. Deine Götzen von Silber und Gold, von Erz, Eisen, Holz und Stein, die weder sehen noch hören können noch Verstand haben, hast du gepriesen. Doch dem Gott, in dessen Hand dein Lebensodem und alle deine Wege stehen, hast du keine Ehre erwiesen.

24 Darum ließ er diese schreibende Hand erscheinen und diese Schrift aufzeichnen.

 

Der Inhalt der Botschaft und ihre Erfüllung

25 Was dort geschrieben steht, lautet: 'Mene, Tekel, Peres'.

26 Dies ist die Deutung der Worte: Mene: 'Gezählt' hat Gott die Tage deiner Herrschaft und ihr ein Ende gemacht.

27 Tekel: 'Gewogen' wurdest du auf der Waage und zu leicht erfunden.

28 Peres: 'Geteilt' wird dein Reich und den Medern und Persern gegeben."

29 Daniel wurde nun auf Belschazzars Befehl mit Purpur bekleidet und ihm eine goldene Kette um den Hals gelegt. Man rief vor ihm aus, daß er als Dritter im Reich herrschen solle.

30 In derselben Nacht ward Belschazzar, der König der Chaldäer, ermordet.

 

Kapitel 6: Daniel in der Löwengrube

Die Verschwörung gegen Daniel

1 Und der Meder Darius erhielt das Reich im Alter von 62 Jahren.

2 Es gefiel Darius, über das Reich 120 Satrapen zu stellen, die über das ganze Reichsgebiet verteilt sein sollten,

3 und an die Spitze derselben drei Obervorsteher, zu denen auch Daniel gehörte. Diesen sollten die Satrapen Rechenschaft ablegen, damit der König keine Steuerschäden erlitte.

4 Daniel zeichnete sich vor den anderen Oberbeamten und den Satrapen aus; denn in ihm wirkte ein höherer Geist. Der König dachte daran, ihn über sein ganzes Reich zu setzen.

5 Da suchten die Oberbeamten und Satrapen irgendeinen Anklagepunkt gegen Daniel auf Grund seiner Amtstätigkeit ausfindig zu machen. Sie konnten jedoch keinen Angriffspunkt und nichts Nachteiliges entdecken, weil er zuverlässig war und ihm keine Schuld oder Verfehlung nachzuweisen war.

6 Da sagten jene Männer: "Wir werden an diesem Daniel keinen Anklagegrund finden, außer wir finden an ihm einen solchen in dem Gesetz seines Gottes."

 

Der königliche Erlaß

7 Darum bestürmten jene Oberbeamten und Satrapen den König und sagten zu ihm: "König Darius, mögest du ewig leben!

8 Alle Oberbeamten des Reiches, die Vorsteher und Satrapen, die Räte und Befehlshaber sind sich darin einig, daß eine königliche Verordnung zu erlassen und ein strenges Verbot aufzustellen sei, wonach jeder, der binnen dreißig Tagen an irgendeinen Gott oder Menschen ein Bitte richtet außer an dich, o König, in die Löwengrube geworfen werden soll.

9 Nun, o König, bestätige den Beschluß und unterzeichne das Schriftstück, damit es nach dem unwiderruflichen medisch-persischem Gesetz unabänderlich werde!"

10 Daraufhin unterzeichnete König Darius das Schriftstück mit dem Verbot.

 

Daniels Glaubenstreue

11 Als Daniel erfuhr, daß das Schriftstück unterzeichnet sei, begab er sich in sein Haus, wo er in seinem Obergemach in der Richtung gegen Jerusalem Fensteröffnungen hatte. Dreimal am Tag warf er sich auf seine Knie nieder, verrichtete sein Gebet und pries seinen Gott, wie er es auch vordem getan hatte.

12 Eines Tages eilten jene Männer herbei und fanden Daniel, wie er zu seinem Gott betete und flehte.

13 Sie gingen nun zum König und sprachen ihn auf das königliche Verbot an: "Hast du nicht ein Verbot unterzeichnet, wonach jedermann, der binnen dreißig Tagen an irgendeinen Gott oder Menschen irgendeine Bitte richtet außer an dich, o König, in die Löwengrube geworfen werden solle?" Der König antwortete: "So ist es nach unwiderruflichem medisch-persischem Gesetz."

14 Da erwiderten sie dem König: "Daniel, einer von den jüdischen Gefangenen, kümmert sich nicht um dich, o König, und um das Verbot, das du unterzeichnet hast, sondern verrichtet dreimal am Tag sein Gebet."

15 Als der König dies vernahm, ward er sehr betrübt und sann darüber nach, wie er Daniel retten könne. Bis zum Sonnenuntergang war er bemüht, ihn zu befreien.

16 Doch jene Männer bestürmten den König und sagten zum König: "Bedenke, o König, daß ein medisch-persisches Verbot und Gebot, das der König erlassen hat, unabänderlich ist!"

 

Daniels Verurteilung

17 Da gab der König den Befehl. Man brachte nun Daniel herbei und warf ihn in die Löwengrube. Der König sagte noch zu Daniel: "Dein Gott, dem du so beharrlich dienst, der möge dich erretten!"

18 Dann wurde ein Stein herbeigeschafft und auf die Öffnung der Grube gelegt. Der König versiegelte ihn mit seinem Siegelring und mit den Siegelringen seiner Großen, damit gegen Daniel nichts unternommen werden könne.

 

Daniels Errettung

19 Hierauf zog sich der König in seinen Palast zurück und verbrachte die Nacht in Fasten. Er ließ keine der Nebenfrauen zu sich hineinbringen. Er konnte keinen Schlaf finden.

20 Am frühen Morgen, sobald es hell wurde, stand der König auf und ging eilends zur Löwengrube.

21 Als er sich der Grube näherte, rief er mit schmerzvoller Stimme nach Daniel. Der König sagte zu Daniel: "Daniel, Diener des lebendigen Gottes, hat dich dein Gott, dem du so beharrlich dienst, vor den Löwen retten können?"

22 Daniel antwortet dem König: "O König, mögest du ewig leben!

23 Mein Gott hat seinen Engel gesandt. Er hat den Rachen der Löwen verschlossen. Sie taten mir nichts zuleide, weil ich unschuldig vor ihm erfunden wurde. Auch gegen dich, o König, habe ich kein Unrecht begangen."

24 Da freute sich der König sehr und befahl, Daniel aus der Grube heraufzuholen. Als man Daniel aus der Grube heraufgeholt hatte, fand man nicht die geringste Verletzung an ihm, weil er auf seinen Gott vertraut hatte.

25 Jene Männer aber, die Daniel angeklagt hatten, brachte man auf Befehl des Königs herbei und warf sie mit ihren Kindern und Frauen in die Löwengrube. Ehe sie den Boden der Grube erreicht hatten, fielen die Löwen über sie her und zermalmten alle ihre Gebeine.

 

Das Bekenntnis des Königs

26 Hierauf erließ König Darius an alle Völker, Nationen und Zungen, die auf der ganzen Erde wohnen, folgendes Schreiben: "Heil euch mehr und mehr!

27 Hiermit ergeht von mir der Befehl, daß man in meinem ganzen Herrschaftsbereich vor dem Gott Daniels zittern und sich fürchten soll. Denn er ist der lebendige Gott, der ewig besteht. Sein Reich wird nicht zerstört. Seine Herrschaft nimmt kein Ende.

28 Er errettet und befreit, wirkt Zeichen und Wunder am Himmel und auf Erden. Er hat Daniel aus der Gewalt der Löwen befreit."

29 Daniel erging es gut unter der Regierung des Darius wie auch unter der des Perserkönigs Kyrus.

 

Kapitel 7: Das Gottesreich in Daniels Visionen

Die Vision von den vier Tieren und dem Menschensohn

Die vier Tiere aus dem Meer

1 Im ersten Jahr Belschazzars, des Königs von Babel, hatte Daniel einen Traum und Gesichte, die auf seinem Lager vor seinem Geist standen. Er schrieb den Traum nieder, indem er kurz den Hauptinhalt berichtete.

2 Daniel erzählte folgendes: "Ich schaute des Nachts in meinem Traumgesicht, wie die vier Winde des Himmels das große Meer aufwühlten.

3 Vier große Tiere stiegen aus dem Meer empor, eines vom anderen verschieden.

4 Das erste sah aus wie ein Löwe und hatte Adlerflügel. Während ich hinschaute, wurden ihm die Flügel ausgerissen, es richtete sich vom Boden auf und stand auf den Füßen wie ein Mensch. Dann wurde ihm ein menschliches Herz gegeben.

 

Die Deutung der Vision

5 Plötzlich erschien ein anderes, zweites Tier, das wie ein Bär aussah. Es war halb aufgerichtet und hatte drei Rippen im Rachen zwischen den Zähnen. Man rief ihm zu: 'Auf! Friß viel Fleisch!'

6 Während ich noch hinschaute, erschien plötzlich ein anderes Tier, das wie ein Panther aussah. Es hatte vier Flügel auf dem Rücken. Auch besaß das Tier vier Köpfe, und die Herrschaft ward ihm verliehen.

7 Nach diesem erblickte ich in meinen nächtlichen Gesichten plötzlich ein viertes Tier, furchtbar, schrecklich und überaus stark. Es hatte gewaltige, eiserne Zähne, mit denen es fraß und zermalmte. Was übrigblieb, zerstampfte es mit den Füßen. Es war verschieden von allen vorigen Tieren und hatte zehn Hörner.

8 Während ich die Hörner betrachtete, wuchs plötzlich ein anderes kleines Horn zwischen ihnen hervor, durch das drei von den ersten Hörnern abgestoßen wurden. An diesem Horn waren Augen, die wie Menschenaugen aussahen, und ein Mund, der vermessene Reden führte.

 

Gottes Gericht über die gottfeindlichen Mächte

9 Während ich noch hinschaute, wurden Throne aufgestellt, und ein Hochbetagter nahm Platz. Sein Gewand war weiß wie Schnee, sein Haupthaar wie reine Wolle. Sein Thron bestand aus Feuerflammen und hatte Räder aus loderndem Feuer.

10 Ein Feuerstrom ging von ihm aus und wälzte sich dahin. Tausendmal Tausende bedienten ihn und zehntausendmal Zehntausende warteten seiner. Nun setzte sich der Gerichtshof, und die Bücher wurden aufgeschlagen.

11 Während ich noch immer hinschaute wegen der lärmenden, vermessenen Reden, die das Horn führte, sah ich, wie das Tier getötet, sein Leib zerstückelt und dem glühenden Feuer übergeben wurde.

12 Auch den übrigen Tieren wurde ihre Macht genommen; denn nur auf bestimmte Zeit war ihre Lebensdauer festgelegt.

 

Der Menschensohn

13 Während ich noch die Nachtgesichte hatte, kam plötzlich einer auf den Wolken des Himmels, der aussah wie ein Menschensohn. Als er bei dem Hochbetagten angelangt war, führte man ihn vor denselben.

14 Ihm ward nun Herrschaft, Ehre und Königtum verliehen. Ihm müssen alle Völker, Nationen und Zungen dienen. Seine Herrschaft wird ewig dauern und nie vergehen. Niemals wird sein Reich zerstört werden.

15 Ich, Daniel, erschauerte darob am ganzen Körper. Die Gesichte, die vor meinem Geist standen, ängstigten mich.

16 Ich näherte mich einem von denen, die aufwarteten, und bat ihn um Auskunft über all diese Dinge. Er gab mir Antwort und die Deutung der Vorgänge:

17 'Die vier großen Tiere bedeuten vier Könige, die auf der Erde erstehen werden.

18 Doch danach werden die Heiligen des Allerhöchsten die Herrschaft erhalten und auf immer und bis in alle Ewigkeit diese Herrschaft besitzen.'

19 Auch über das vierte Tier wollte ich Auskunft haben, das von allen anderen verschieden und höchst furchtbar war, das eiserne Zähne und eherne Krallen hatte, das fraß und zermalmte und, was übrigblieb, mit seinen Füßen zerstampfte;

20 sowie über die zehn Hörner auf seinem Kopf, und über das andere Horn, das hervorstieß und vor dem drei Hörner abfielen, über jenes Horn nämlich, das Augen hatte und einen Mund, der vermessene Reden führte, und das größer aussah als die übrigen.

21 Ich hatte auch gesehen, wie dieses Horn Krieg führte mit den Heiligen und sie überwand,

22 bis daß der Hochbetagte kam und den Heiligen des Allerhöchsten Recht verschafft wurde und die Zeit anbrach, wo die Heiligen die Herrschaft in Besitz nahmen.

23 Er antwortete: 'Das vierte Tier bedeutet ein viertes Reich, das auf Erden erstehen wird, verschieden von allen anderen Reichen. Es wird die ganze Erde verschlingen, zerstampfen und zermalmen.

24 Die zehn Hörner bedeuten zehn Könige, die in diesem Reich erstehen werden. Nach ihnen wird noch ein anderer aufkommen, der von den früheren verschieden ist und drei Könige stürzen wird.

25 Er wird vermessene Reden gegen den Allerhöchsten führen und die Heiligen des Allerhöchsten aufzureiben suchen und darauf sinnen, Festzeiten und Gesetz zu ändern. Und sie werden seiner Gewalt preisgegeben eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit.

26 Dann wird der Gerichtshof sich niederlassen, und man wird ihm die Herrschaft entreißen, um sie endgültig zu vernichten und zu zerstören.

27 Alsdann wird das Königtum, die Herrschaft und die Macht über die Reiche unter dem ganzen Himmel dem Volk der Heiligen des Allerhöchsten verliehen. Sein Reich wird ewig dauern, und alle Mächte werden ihm dienen und ihm untertan sein.'

28 Hier endet der Bericht. Mich, Daniel, ängstigten meine Gedanken sehr. Mein Aussehen änderte sich. Das Geschehnis aber bewahrte ich in meinem Gedächtnis."

 

Kapitel 8: Vision vom Widder und Ziegenbock

Der Kampf zwischen Widder und Ziegenbock

1 "Im dritten Jahr der Regierung des Königs Belschazzar hatte ich, Daniel, nach der Vision, die ich zuerst gehabt hatte, noch eine andere.

2 Ich hatte folgende Vision: Ich schaute, wie ich mich in der Residenzstadt Susa befand, die in der Provinz Elam liegt. Und zwar sah ich mich in der Vision am Fluß Ulai.

3 Als ich um mich blickte, sah ich plötzlich einen Widder am Fluß stehen. Er hatte zwei Hörner. Die Hörner waren groß. Das eine war größer als das andere. Das größere war zuletzt emporgewachsen.

4 Ich sah den Widder nach Westen, Norden und Süden stoßen. Kein einziges Tier vermochte vor ihm standzuhalten, und niemand vermochte aus seiner Gewalt zu erretten. Er tat, was ihm beliebte, und wurde übermächtig.

5 Während ich noch hinschaute, kam plötzlich ein Ziegenbock vom Westen her über die ganze Erde, ohne daß er den Boden berührte. Der Bock hatte ein mächtiges Horn über den Augen.

6 Als er bis zu dem Widder mit den zwei Hörnern, den ich am Fluß stehen sah, gekommen war, stürmte er mit mächtigem Grimm gegen ihn an.

7 Ich sah ihn dann ganz nahe an den Widder herankommen. Wütend stieß er nach dem Widder und zerbrach ihm beide Hörner. Da der Widder nicht die Kraft hatte, ihm zu widerstehen, warf er ihn zu Boden und zertrat ihn mit den Füßen. Niemand gab es, der den Widder aus seiner Gewalt befreit hätte.

8 Der Ziegenbock wurde danach überaus groß. Aber als er groß geworden war, brach das große Horn ab. An seiner Stelle wuchsen vier andere Hörner hervor in der Richtung der vier Himmelswinde.

 

Das kleine Horn

9 Aus einem von ihnen wuchs ein kleines Horn hervor, das dann gegen Süden und Osten und gegen das herrlichste der Länder zu überaus groß wurde.

10 Es erhob sich bis zum Himmelsheer und warf einige von dem Himmelsheer und von den Sternen herab auf die Erde und zertrat sie.

11 Bis zum Fürsten des Himmelsheeres erhob es sich. Es nahm ihm das tägliche Opfer und entweihte die Stätte seines Heiligtums.

12 Infolge des Frevels wurde die heilige Heerschar dahingegeben samt dem täglichen Opfer. Es schleuderte die Wahrheit zu Boden. Was es tat, gelang ihm.

13 Da hörte ich einen Heiligen reden. Ein anderer Heiliger fragte den Redenden: 'Bis wann erfüllt sich die Vision betreffs des täglichen Opfers und des Frevels der Verwüstung und der Preisgabe des Heiligtums und der heiligen Heerschar?'

14 Da sagte er zu mir: 'Nach 2.300 Abendmorgen. Dann wird das Heiligtum zu seinem Recht kommen.'

 

Die Deutung der Vision

15 Als ich, Daniel, die Vision, die ich gesehen hatte zu verstehen suchte, stand plötzlich jemand vor mir, der wie ein Mann aussah.

16 Hierauf hörte ich eine Menschenstimme über dem Ulai rufen: 'Gabriel, erkläre dem dort die Vision!'

17 Nun kam er an den Ort, wo ich stand. Als er sich näherte, erschrak ich und fiel auf mein Angesicht nieder. Er aber sagte zu mir: 'Gib acht, Menschensohn, die Vision bezieht sich auf die Endzeit.'

 

Die Dauer der Heimsuchung

18 Als er mit mir redete, wurde ich ganz betäubt und fiel auf mein Angesicht zur Erde nieder. Doch er rührte mich an und richtete mich wieder an dem Ort auf, wo ich gestanden hatte.

19 Dann sprach er: 'Siehe, ich tue dir kund, was in der letzten Zeit des Zornes geschehen wird; denn die Vision bezieht sich auf die Endzeit.

20 Der Widder, den du sahst, hatte zwei Hörner: das sind die Könige von Medien und Persien.

21 Der Ziegenbock ist der Griechenkönig; das große Horn, das über seinen Augen sich befand, ist der erste König.

22 Daß dann, als es zerbrach, vier andere an seiner Stelle hervorwuchsen, bedeutet: Vier Reiche werden aus seinem Volk hervorgehen, doch nicht so stark sein wie er.

23 Gegen Ende ihrer Herrschaft, wenn die Frevler das Maß vollgemacht haben, wird ein König auftreten, frechen Angesichts und ränkekundig.

24 Gewaltig ist seine Macht, doch nicht durch eigene Kraft. Er wird außerordentliches Verderben anrichten, und was er unternimmt, das gelingt ihm. Mächtige und auch das Volk der Heiligen wird er ins Verderben stürzen.

25 Wegen seiner Klugheit wird ihm sein trügerisches Beginnen gelingen. Er wird hochmütig sein und viele unversehens zugrunde richten. Sobald er sich aber gegen den Fürsten der Fürsten erhoben hat, wird er ohne menschliches Zutun zerschmettert werden.

26 Die Vision von den Abendmorgen, von der die Rede war, entspricht der Wahrheit. Versiegele aber die Vision; denn sie bezieht sich auf ferne Tage!"

27 Ich, Daniel, war ganz ermattet und wurde tagelang krank. Als ich wieder aufstehen konnte, versah ich den königlichen Dienst. Ich war aber voll Verwunderung über die Vision. Doch niemand war da, der sie erklären konnte."

 

Kapitel 9: Die siebzig Jahrwochen

Zeit und Anlaß der Weissagung

1 "Im ersten Jahr des Darius, des Sohnes des Xerxes, aus dem Geschlecht der Meder, der über das Reich der Chaldäer König geworden war,

2 im ersten Jahr seiner Regierung, stieß ich, Daniel, in den Büchern auf die Zahl der Jahre, während deren nach der Weissagung des Herrn an den Propheten Jeremia Jerusalem in Trümmern liegen solle, nämlich siebzig Jahre.

3 Ich richtete mein Angesicht zu Gott, dem Herrn, und suchte zu beten und zu flehen in Fasten, Sacktuch und Asche.

 

Daniels Schuldbekenntnis und Bittgebet

4 Ich betete zum Herrn, meinem Gott, und bekannte: 'O Herr, du großer und furchtbarer Gott! Du bewahrst den Gnadenbund denen, die dich lieben und deine Gebote halten.

5 Wir haben gesündigt und unrecht getan. Wir sind gottlos gewesen, haben uns aufgelehnt und sind von deinen Geboten und Satzungen abgewichen.

6 Wir haben nicht auf deine Diener, die Propheten, gehört, die in deinem Namen zu unseren Königen, zu unsren Fürsten und zu unseren Vätern und zum ganzen Volk des Landes redeten.

7 Du, o Herr, bist gerecht, uns jedoch sollte die Schamröte ins Gesicht steigen am heutigen Tag, allen Männern Judas, den Bewohnern von Jerusalem, und ganz Israel, nah und fern in allen Ländern, wohin du sie verstoßen hast um der Untreue willen, die sie gegen dich begangen haben.

8 O Herr, die Schamröte sollte ins Gesicht steigen uns, unseren Königen und Fürsten und unseren Vätern, wie wir gegen dich gesündigt haben.

9 Doch beim Herrn, unserem Gott, ist Barmherzigkeit und Vergebung dafür, daß wir uns gegen ihn aufgelehnt haben;

10 daß wir nicht auf die Stimme des Herrn, unseres Gottes, gehört haben, um nach seinen Satzungen zu wandeln, die er uns durch seine Diener, die Propheten, gegeben hat.

11 Ganz Israel hat dein Gesetz übertreten, ist abgefallen, ohne auf deine Stimme zu hören. Fluch und Verwünschung, wie sie im Gesetz des Mose, des Dieners Gottes, geschrieben stehen, ergossen sich über uns, weil wir gegen ihn gesündigt haben.

12 Er ließ an uns und unseren Fürsten, die uns regierten, seine Drohung, die er ausgesprochen hatte, in Erfüllung gehen, daß er nämlich großes Unheil über uns verhängen wolle, wie solches nie unter dem Himmel geschah außer an Jerusalem.

13 Wie es im Gesetz des Mose geschrieben steht, so brach all dies Unheil über uns herein. Wir aber haben den Herrn, unseren Gott, nicht versöhnt. Wir haben uns von unseren Sünden nicht bekehrt und auf deine Treue nicht geachtet.

14 So war der Herr darauf bedacht, Unheil über uns zu bringen; denn der Herr, unser Gott, ist gerecht in all seinen Werken, die er tut. Wir hatten ja auf seine Stimme nicht gehört.

15 Und nun, Herr, unser Gott, der du dein Volk mit starker Hand aus Ägypten geführt und dir einen Namen gemacht hast bis auf den heutigen Tag: wir haben gesündigt, haben Unrecht getan.

16 Laß ab, o Herr, ob all deiner Güte von deinem Zorn und Grimm über deine Stadt Jerusalem und deinen heiligen Berg! Denn wegen unserer Sünden und um der Missetaten unserer Väter willen ist Jerusalem und dein Volk dem Hohn aller preisgegeben, die rings um uns wohnen.

17 Nun aber höre, unser Gott, auf das Gebet und das Flehen deines Dieners! Laß dein Antlitz leuchten über dein verwüstetes Heiligtum um deiner selbst willen!

18 Neige, mein Gott, dein Ohr und höre! Öffne deine Augen und sieh an die Verwüstung, in der wir uns befinden, und die Stadt, über die dein Name angerufen ward! Denn nicht im Vertrauen auf unser gerechtes Tun bringen wir unser Flehen vor dich, sondern im Hinblick auf deine große Barmherzigkeit.

19 Herr, höre; Herr, vergib! Herr, merke auf! Handle ohne Zögern um deiner selbst willen, o Gott, denn dein Name wird über diese Stadt und über dein Volk angerufen.'

 

'Wisse also und verstehe...'

20 Während ich noch redete und betete und meine Sünden und die Sünden meines Volkes Israel bekannte und mein Flehen für den heiligen Berg meines Gottes vor dem Herrn, meinem Gott, niederlegte,

21 während ich noch mein Gebet verrichtete, kam plötzlich Gabriel, derselbe, den ich zuvor in der Vision geschaut hatte, in schnellem Flug auf mich zu um die Zeit des Abendopfers.

22 Er klärte mich auf und sagte zu mir: 'Daniel, ich komme nun, um dich zu belehren.

23 Als du zu beten anfingst, erging ein Gotteswort. Ich komme, es dir zu verkünden; denn du bist ein Liebling Gottes. So achte auf das Wort, dann wirst du das Gesicht verstehen!

24 Siebzig Jahrwochen sind über dein Volk und deine heilige Stadt bestimmt, bis dem Frevel ein Ende gemacht, die Sünden weggenommen, die Missetat gesühnt, ewige Gerechtigkeit herbeigeführt, Vision und Weissagung erfüllt und das Allerheiligste gesalbt wird.

25 Wisse also und verstehe: Von der Zeit, da das Wort ergeht, Jerusalem wieder aufzubauen, bis der Gesalbte, der Fürst, ersteht, vergehen sieben Jahrwochen und zweiundsechzig Jahrwochen, und es wird mit Plätzen und Gräben wieder aufgebaut in bedrängter Zeit.

26 Nach zweiundsechzig Jahrwochen wird der Gesalbte hingerichtet werden, obwohl er schuldlos ist. Die Stadt samt dem Heiligtum wird von dem Kriegsvolk eines Fürsten zerstört, der heranrückt. Sein Ende erfolgt durch eine Flut. Am Ende eines Krieges kommt die beschlossene Verwüstung.

27 Mit vielen wird er während der einen Jahrwoche einen festen Bund schließen und in der Hälfte der Jahrwoche Schlacht- und Speiseopfer abschaffen. An deren Stelle herrscht der Greuel der Verwüstung und dauert bis zum Ende. Dann wird sich das Beschlossene über den Verwüster ergießen.'"

 

Kapitel 10: Die Offenbarungen über die Endzeit

Die näheren Umstände der Vision

1 Im dritten Jahr des Perserkönigs Kyrus wurde Daniel, den man Beltschazzar nannte, eine Offenbarung zuteil. Diese Offenbarung ist echt und handelt von großer Trübsal. Er verstand die Offenbarung, nachdem ihm durch eine Vision das Verständnis erschlossen ward.

2 "Damals hielt ich, Daniel, drei Wochen lang Trauer.

3 Wohlschmeckende Speisen aß ich nicht. Fleisch und Wein kamen nicht in meinen Mund. Auch salbte ich mich nicht, bis drei Wochen vergangen waren.

4 Als ich mich am vierundzwanzigsten Tag des ersten Monats am Ufer des großes Stromes, des Tigris, befand und

5 um mich blickte, stand ein Mann vor mir, in Linnen gekleidet. Um seine Hüften trug er einen Gürtel aus feinstem Gold.

6 Sein Leib strahlte wie Chrysolith. Wie der Blitz leuchtete sein Angesicht. Seine Augen glichen Feuerfackeln. Seine Arme und Füße funkelten wie geschliffenes Erz. Der Schall seiner Stimme war wie das Tosen einer Volksmenge.

7 Ich, Daniel, allein hatte diese Erscheinung. Meine Begleiter sahen die Erscheinung nicht; doch befiel sie ein solcher Schrecken, daß sie flohen, um sich zu verbergen.

8 Ich blieb allein zurück. Während ich diese große Erscheinung hatte, verließ mich alle Kraft. Mein Antlitz entstellte sich und alle Kraft schwand mir. Da hörte ich den Schall seiner Stimme.

9 Als ich dann den Schall seiner Stimme vernahm, fiel ich betäubt vor mich hin. Ich lag mit dem Angesicht auf der Erde.

10 Plötzlich berührte mich eine Hand und half mir auf die Knie und Hände.

11 Er sagte zu mir: 'Daniel, liebwerter Mann, vernimm die Worte, die ich zu dir spreche! Richte dich auf! Denn ich bin jetzt zu dir gesandt.' – Als er dies zu mir sagte, stand ich zitternd auf.

12 Dann sagte er zu mir: 'Fürchte dich nicht, Daniel! Denn gleich vom ersten Tag an, als du dich bemühtest, Belehrung zu erlangen, und dich vor deinem Gott gedemütigt hast, sind deine Bitten erhört worden. Ich komme auf dein Gebet hin.

13 Einundzwanzig Tage lang widersetzte sich mir der Engelfürst des Perserreiches. Da kam mir Michael, einer der obersten Engelfürsten, zu Hilfe. Ich ließ ihn dort beim Engelfürsten des Perserreiches.

14 Nun komme ich, um dir Kunde zu geben von dem, was deinem Volk in künftigen Tagen begegnen wird. Denn diese Vision bezieht sich auf ferne Tage.'

 

Daniels Ermutigung durch den Engel

15 Während er diese Worte zu mir sprach, schlug ich meinen Blick zu Boden und verstummte.

16 Doch er, der wie ein Mensch aussah, berührte meine Lippen. Da konnte ich meinen Mund öffnen, und ich sprach zu dem, der vor mir stand: 'Mein Herr, durch die Erscheinung bin ich ganz erschüttert und habe alle Kraft verloren.

17 Wie könnte, o Herr, ein so geringer Knecht mit einem so hohen Herrn wie du sprechen? Da schwindet mir alle Kraft; selbst der Atem geht mir aus.'

18 Nun berührte mich der, der wie ein Mensch aussah, noch einmal und gab mir neue Kraft.

19 Er sagte zu mir: 'Fürchte dich nicht, vielgeliebter Mann! Friede sei mit dir! Habe Mut! Fasse Mut!' – Während er so mit mir sprach, fühlte ich mich gestärkt. Ich sagte: 'Rede, Herr, denn du hast mich gestärkt!'

20 Da erwiderte er: 'Weißt du, warum ich zu dir kam? Ich will nun wieder umkehren, um mit dem Engelfürsten von Persien zu kämpfen. Wenn ich damit fertig bin, erscheint der Engelfürst von Griechenland.

21 Doch will ich dir zuvor verkünden, was aufgezeichnet ist im Buch der Wahrheit. Niemand steht mit mir gegen jene außer eurem Engelfürsten Michael.

 

Kapitel 11:

1 Schon im ersten Regierungsjahr des Meders Darius stand ich ihm als Helfer und Schützer zur Seite.

 

Offenbarung über die Perserkönige

2 Nun will ich dir die Wahrheit verkünden. Siehe, es werden noch drei Perserkönige auftreten. Der vierte wird größeren Reichtum erwerben als alle anderen. Wenn er durch seinen Reichtum mächtig geworden ist, wird er alles gegen das Königreich Griechenland aufbieten.

 

Alexander der Große

3 Dann wird ein heldenhafter König auftreten und ein gewaltiges Reich aufrichten und alles zustande bringen, was er will. –

4 Doch kaum ist er aufgetreten, wird sein Reich zerfallen und nach den vier Winden des Himmels hin aufgeteilt werden, jedoch nicht unter seine Nachkommen. Es wird auch nicht mehr so mächtig sein wie unter seiner Herrschaft. Ja, sein Reich wird zerstört werden und anderen zufallen als jenen.

 

Ptolemäer und Seleukiden

5 Der König des Südens wird stark werden. Doch einer seiner Feldherren wird ihn an Macht übertreffen und die Herrschaft an sich reißen. Sein Reich wird sehr groß sein.

6 Nach Verlauf von Jahren werden sie sich dann verbinden. Die Tochter des Königs des Südens wird zum König des Nordens kommen, um den Frieden herzustellen. Aber sie wird die starke Hilfe nicht behalten; denn er und seine Hilfe wird nicht bestehen bleiben. Vielmehr wird sie dahingegeben werden samt ihrem Gefolge, ihrem Vater und ihrem Helfer. Zu bestimmter Zeit

7 wird einer von den Schößlingen aus dem Wurzelstock, dem sie entstammte, auftreten, sich an die Spitze des Heeres stellen, in die Festung des Nordkönigs eindringen, sie angreifen und einnehmen.

8 Auch ihre Götter samt ihren Gußbildern, samt ihren kostbaren Geräten, Silber und Gold wird er als Beute nach Ägypten bringen. Jahrelang wird er dem König des Nordens überlegen sein.

9 Dann wird dieser in das Reich des Königs des Südens einfallen; aber er muß wieder in sein Land zurückkehren.

10 Doch seine Söhne werden sich rüsten und gewaltige Heere zusammenbringen. Sie werden alles überflutend und überschwemmend heranrücken und immer wieder bis zu seiner Festung im Kampf vorstoßen.

11 Erbittert wird der König des Südens ausziehen und mit dem König des Nordens Krieg frühen. Der wird ein großes Heer aufstellen, aber das Heer wird in jenes Hand gegeben werden.

12 Nachdem das Heer vernichtet sein wird, erhebt er stolz seinen Sinn. Zehntausende wird er niederstrecken; doch wird er sich nicht halten können.

13 Der König des Nordens wird nochmals ein Heer aufstellen, größer als das frühere, und nach Verlauf mehrerer Jahre mit großer Heeresmacht und gewaltigem Troß heranziehen.

14 In jenen Zeiten werden sich viele gegen den König des Südens erheben und gewalttätige Leute aus deinem Volk werden sich empören, damit durch sie eine Weissagung sich erfülle. Sie aber werden fallen.

15 Nun wird der König des Nordreiches heranziehen, einen Wall aufwerfen und eine feste Stadt einnehmen. Die Streitkräfte des Südens werden nicht standhalten. Selbst seine auserlesensten Truppen haben keine Kraft zum Widerstand.

16 So kann der, der gegen ihn herangezogen ist, tun, was er will, ohne daß es ihm jemand wehrt. Nun wird er in dem herrlichsten aller Länder festen Fuß fassen. Vernichtung ist in seiner Hand.

17 Dann richtet er seinen Sinn darauf, dessen ganzes Reich in seine Gewalt zu bekommen. Er schließt einen Vertrag mit ihm und gibt ihm eine Tochter zur Frau in verderblicher Absicht. Doch sein Plan wird sich nicht verwirklichen und ihm nicht gelingen.

18 Dann wird er sich den Küstenländern zuwenden und viele erobern. Doch ein Feldherr wird seinem Hohn ein Ende machen, ja sein Höhnen ihm heimzahlen.

19 Alsdann wird er sich den Festungen seines Landes zuwenden. Dabei wird er stürzen und zu Fall kommen und für immer verschwinden.

20 An seine Stelle wird ein anderer treten, der einen Steuereintreiber durch das herrlichste Land seines Reiches schickt. Doch nach einigen Tagen wird er ermordet, aber nicht durch Zorn noch im Krieg.

 

Antiochus Epiphanes

21 An seine Stelle wird ein verworfener Mensch treten, dem die königliche Würde nicht zugedacht war. Er wird unversehens kommen und sich durch Ränke der Herrschaft bemächtigen.

22 Heeresmächte werden von ihm hinweggeschwemmt und vernichtet werden samt dem Fürsten des Bundes.

23 Auch gegen den, der sich mit ihm verbindet, übt er Trug. Er wird heranziehen und trotz seiner geringen Streitkräfte siegen.

24 Plötzlich wird er in die fettesten Gegenden einer Landschaft einfallen und Untaten verüben, wie sie selbst seine Väter und Vorväter nicht begangen haben. Raub- und Beutegut wird er verschwenderisch unter sie verteilen. Gegen die festen Plätze wird er seine Pläne aushecken, aber nur noch eine gewisse Zeitlang.

25 Alsdann wird er seine Macht und seinen Mut gegen den König des Südens aufbieten mit einem großen Heer. Der König des Südens wird mit großer, überaus starker Heeresmacht in den Krieg ziehen, aber nicht standhalten können; denn man wird Ränke gegen ihn schmieden.

26 Seine Tischgenossen werden seinen Zusammenbruch herbeiführen. Seine Streitkräfte werden weggeschwemmt werden, und viele werden erschlagen werden und fallen.

27 Beide Könige sinnen auf Trug. An einem Tisch sitzend, belügen sie sich gegenseitig. Doch ihre Pläne gelingen ihnen nicht; denn das Ende steht noch eine bestimmte Zeit aus.

28 Nun kehrt er mit großem Troß in sein Land zurück und richtet seinen Sinn gegen den heiligen Bund. Wenn er seinen Plan ausgeführt hat, wird er in sein Land zurückkehren.

29 Zur festgesetzten Zeit wird er wiederum nach dem Süden ziehen. Doch wird es das zweite Mal nicht so wie das erst Mal gehen.

30 Denn Schiffe der Kittäer werden gegen ihn heranziehen. Er wird eingeschüchtert werden und umkehren und nun seinen Zorn am heiligen Bund auslassen. Er wird sich wiederum nach solchen umsehen, die den heiligen Bund verlassen.

 

Die Judenverfolgung

31 Heereskräfte, die er entsandt hat, werden auftreten, das Heiligtum, die Burg entweihen, das tägliche Opfer abschaffen und das entehrende Götzenscheusal aufstellen.

32 Durch verführerische Worte bringt er diejenigen, die sich am Bund versündigen, zum Abfall. Aber die Menge derer, die ihren Gott kennen, wird festbleiben und das Rechte tun.

33 Die Einsichtigen im Volk werden viele zur Besinnung bringen, doch werden sie eine Zeitlang durch Schwert und Flamme, durch Gefangenschaft und Ausplünderung tief niedergebeugt werden.

34 Während sie tief niedergebeugt sind, wird ihnen ein wenig Hilfe gebracht werden. Dann werden sich ihnen sehr viele aus Heuchelei anschließen.

35 Doch werden noch manche von den Einsichtigen hart bedrückt werden, damit die anderen geläutert, gesichtet und gereinigt werden bis zur Endzeit; denn noch steht die dafür bestimmte Zeit aus.

 

Der Kampf gegen Gott

36 Der König wird tun, was er will. Er wird sich übermütig gegen jeden Gott erheben. Gegen den Gott der Götter wird er vermessen reden und ungestraft bleiben, bis das Maß des Zornes voll ist; denn was beschlossen ist, wird ausgeführt werden.

37 Auch den Gott seiner Väter wird er nicht achten, noch sich um den Lieblingsgott der Frauen, noch um einen anderen Gott kümmern; denn er wird sich über alle erheben.

38 Statt dessen wird er den Gott der Festungen verehren; einen Gott, den seine Väter nicht kannten, ehrt er mit Gold, Silber und Edelsteinen und anderen Kostbarkeiten.

39 Er wird feste Plätze zu Ehren des fremden Gottes errichten. Wer diesen anerkennt, dem wird er große Ehre erweisen. Er wird ihnen die Herrschaft über viele verleihen und ihnen Land als Belohnung zuweisen.

40 In der Endzeit wird der König des Südens mit ihm zusammenstoßen. Gegen ihn wird der König des Nordens mit Wagen, Pferden und vielen Schiffen anstürmen und alles überschwemmend und überflutend in die Länder einbrechen.

41 Dabei wird er auch in das herrlichste der Länder einfallen. Zehntausende werden fallen. Nur folgende werden sich vor ihm retten: Edom, Moab und der größere Teil der Ammoniter.

42 Dann wird er seine Hand nach den Ländern ausstrecken. Auch Ägypten wird ihm nicht entrinnen.

43 Er wird sich der Gold- und Silberschätze und aller Kostbarkeiten Ägyptens bemächtigen. Libyer und Kuschiter sind in seinem Gefolge.

44 Dann werden ihn Gerüchte aus dem Osten und Norden erschrecken. In großem Zorn wird er ausziehen und viele verderben und vernichten.

45 Seine Prunkzelte wird er zwar zwischen dem Meer und dem heiligen, herrlichen Berg aufschlagen. Doch wird ihn sein Ende ereilen, ohne daß ihm jemand Hilfe bringt.

 

Kapitel 12: Das Gottesvolk in der Endzeit

Die Auferstehung und die Vergeltung

1 In jener Zeit wird sich Michael, der große Engelfürst, der die Söhne deines Volkes beschützt, erheben. Es wird eine Zeit der Bedrängnis sein, wie sie nie gewesen, seitdem es Völker gibt, bis zu jener Zeit. Dein Volk aber wird in jener Zeit gerettet werden, alle, die man im Buch aufgezeichnet findet.

2 Viele von denen, die im Staub der Erde schlafen, werden aufwachen, die einen zu ewigem Leben, die anderen zu Schmach und ewiger Schande.

3 Die Frommen werden in alle Ewigkeit leuchten wie der strahlende Himmel und die, die viele zur Gerechtigkeit angeleitet haben, wie die Sterne.

4 Du aber, Daniel, verschließe diese Offenbarungen. Versiegele das Buch bis zur Endzeit! Viele werden es durchforschen, und die Erkenntnis wird groß sein.'

 

'Dies alles wird sich erfüllen...'

5 Da sah ich, Daniel, plötzlich zwei andere Engel dastehen, der eine diesseits, der andere jenseits des Flusses.

6 Einer fragte einen Mann, der, in Linnen gekleidet, über dem Wasser des Stromes stand: 'Wann kommt das Ende dieser wunderbaren Dinge?'

7 Ich hörte, wie der Mann, der, in Linnen gekleidet, über dem Wasser des Stromes stand, die rechte und die linke Hand zum Himmel erhebend beim ewig Lebenden schwur: 'Nach einer Zeit, zwei Zeiten und einer halben Zeit, sobald die Vernichtung der Macht des heiligen Volkes ihr Ende erreicht hat, wird sich all dies erfüllen.'

8 Ich hörte dies, verstand es aber nicht. Darum fragte ich: 'Mein Herr, was bedeutet das letzte von diesen Dingen?'

9 Er antwortete: 'Geh, Daniel; denn bis zur Endzeit bleiben die Worte verschlossen und versiegelt.

10 Viele werden geläutert, gereinigt und geprüft werden. Die Gottlosen werden gottlos handeln. Die Gottlosen werden es alle nicht verstehen. Die Frommen aber werden es erkennen.

11 Von der Zeit an, wo das tägliche Opfer abgeschafft wird und man das verunehrende Greuelbild aufstellt, sind es 1.290 Tage.

12 Wohl dem, der ausharrt und 1.335 Tage erreicht!

13 Du aber, geh hin, dem Ende entgegen! Du darfst nun ruhen. Am Ende der Tage wirst du zu deinem Los auferstehen.'"

 

Kapitel 13: Nachträge aus dem Leben Daniels

Gott rettet Susanna durch Daniels Weisheit

Suanna

1 In Babel wohnte ein Mann mit Namen Jojakim.

2 Er hatte eine Frau mit Namen Susanna, eine Tochter Hilkijas, geheiratet. Sie war sehr schön und gottesfürchtig.

3 Auch ihre Eltern waren fromm und hatten ihre Tochter nach dem Gesetz des Mose erzogen.

4 Jojakim war sehr reich. Er besaß einen Garten, der an sein Haus angrenzte. Die Juden pflegten sich bei ihm zu versammeln, weil er der Angesehenste von allen war.

 

Die zwei Ältesten

5 In jenem Jahr wurden aus dem Volk zwei Älteste als Richter bestellt, auf die das Wort des Herrn anwendbar ist: "Die Ungerechtigkeit zu Babel ist von den Ältesten, den Richtern ausgegangen, von denen man meinte, daß sie das Volk regierten."

6 Diese weilten oft im Haus Jojakims. Alle, die eine Rechtssache hatten, kamen zu ihnen.

7 Wenn die Leute zur Mittagzeit heimgegangen waren, begab sich Susanna in den Garten ihres Mannes und erging sich darin.

8 Die beiden Ältesten sahen sie täglich eintreten und umhergehen, und entbrannten von böser Lust nach ihr.

9 Sie waren verkehrten Sinnes und wandten ihre Augen ab, um nicht zum Himmel aufzuschauen und nicht der gerechten Gerichte zu gedenken.

10 Beide waren von Liebe zu ihr ergriffen, doch keiner teilte dem anderen seinen Schmerz mit;

11 denn sie schämten sich, von ihrer Begierde, mit ihr Böses zu tun, Mitteilung zu machen.

12 So waren sie denn Tag für Tag eifrig bemüht, sie zu sehen.

 

Versuch der Verführung

13 Eines Tages sagte der eine zum anderen: "Gehen wir nach Hause; denn es ist Zeit zum Essen." Da gingen sie weg und trennten sich voneinander,

14 kehrten aber wieder um und trafen sich an der gleichen Stelle. Als nun einer den anderen nach dem Grund fragte, gestanden sie sich ihre Leidenschaft ein. Sie setzten nun gemeinsam eine Zeit fest, wo sie Susanna allein treffen könnten.

15 Während sie auf einen gelegenen Tag warteten, begab es sich, daß Susanna wie immer, von zwei Mädchen begleitet, in den Garten ging, um sich zu baden, weil es heiß war.

16 Es war sonst niemand dort als die beiden Ältesten, die sich versteckt hatten und sie beobachteten.

17 Sie befahl den Mädchen: "Holt mir Öl und Salben und schließt die Gartentür, damit ich mich baden kann!"

18 Diese taten, wie sie befohlen hatte, verschlossen die Gartentür und gingen durch die Hinterpforte hinaus, um das Verlangte zu holen. Sie wußten nicht, daß sich die Ältesten drinnen versteckt hatten.

19 Als nun die Mädchen hinausgegangen waren, erhoben sich die beiden Alten, eilten auf sie zu

20 und sagten: "Siehe, die Gartentür ist geschlossen, niemand sieht uns. Wir sind von Leidenschaft zu dir entbrannt. Darum ergebe dich uns und sei uns willfährig!

21 Sonst werden wir gegen dich bezeugen, daß ein Jüngling sich mit dir abgegeben hat und daß du deswegen die Mädchen weggeschickt hast."

22 Susanna seufzte auf und sagte: "Von allen Seiten bin ich bedrängt; denn wenn ich dies tue, steht mir der Tod bevor; tue ich es nicht, werde ich euren Händen nicht entrinnen.

23 Doch besser ist für mich, es nicht zu tun und in eure Hände zu fallen, als vor dem Angesicht des Herrn zu sündigen."

24 Und Susanna schrie mit lauter Stimme. Aber auch die beiden Ältesten schrien.

25 Und der eine lief zur Gartentür und öffnete sie.

 

Die Anklage der Ältesten

26 Als nun die Leute im Haus das Geschrei im Garten hörten, eilten sie durch die Hinterpforte herbei, um zu sehen, was geschehen sei.

27 Als aber die Ältesten ihre Aussagen gemacht hatten, fühlten sich die Diener sehr beschämt; denn noch niemals war so etwas von Susanna laut geworden.

28 Sobald sich am nächsten Tag das Volk bei ihrem Mann Jojakim versammelt hatte, kamen auch die beiden Ältesten, erfüllt von der bösen Absicht, Susanna dem Tod zu überliefern.

29 Sie sagten vor dem Volk: "Laßt Susanna, die Tochter Hilkijas, die Frau Jojakims, holen!" Man schickte hin,

30 und sie kam mit ihren Eltern, ihren Kindern und allen Verwandten.

31 Susanna war voll Anmut und schön von Gestalt.

32 Die Bösewichter befahlen, sie zu entschleiern – sie war nämlich verschleiert – damit sie sich an ihrer Schönheit weiden könnten.

33 Ihre Angehörigen und alle, die sie sahen, weinten.

34 Die beiden Ältesten aber erhoben sich inmitten des Volkes und legten die Hände auf ihr Haupt.

35 Sie aber blickte weinend zum Himmel; denn ihr Herz vertraute auf den Herrn.

36 Die Ältesten sagten: "Während wir uns allein im Garten ergingen, kam diese da mit zwei Mädchen herein, schloß die Gartentür ab und schickte die Mädchen fort.

37 Da kam ein junger Mann, der sich versteckt hatte, und legte sich zu ihr.

38 Wir waren gerade in einer Ecke des Garten. Als wir die Schandtat sahen, liefen wir zu ihnen hin.

39 Wir sahen, wie sie miteinander bösen Umgang pflogen. Wir konnten aber jenes Menschen nicht habhaft werden, weil er stärker war als wir. Er öffnete die Tür und eilte davon.

40 Diese aber ergriffen wir und fragten sie, wer der junge Mann war. Doch sie wollte es uns nicht sagen. Dies bezeugen wir."

41 Die Versammlung glaubte ihnen als Ältesten des Volkes und Richtern und verurteilte sie zum Tod.

 

Daniels Eingreifen

42 Susanna aber betete mit lauter Stimme: "Ewiger Gott, der du das Verborgene kennst und alles weißt, bevor es geschieht:

43 Du weißt, daß sie falsches Zeugnis wider mich abgelegt haben. Nun muß ich sterben, obwohl ich nichts von dem getan habe, was diese böswillig gegen mich erdichtet haben."

44 Und der Herr erhörte ihr Rufen.

45 Als man sie zum Tod führte, erweckte Gott den heiligen Geist eines jungen Mannes mit Namen Daniel.

46 Dieser rief mit lauter Stimme: "Ich bin unschuldig an ihrem Blut."

47 Alles Volk wandte sich ihm zu und fragte: "Was willst du damit sagen?"

48 Er trat in ihre Mitte und sagte: "So töricht seid ihr, Kinder Israels? Ohne Untersuchung und ohne den wahren Sachverhalt zu kennen, verurteilt ihr eine Tochter Israels?

49 Kehrt zum Gerichtsort zurück; denn jene haben falsches Zeugnis gegen sie abgelegt!"

50 Da kehrte das ganze Volk eilends wieder um. Die Ältesten sagten zu ihm: "Komm, setze dich in unsere Mitte und gib uns Aufschluß; denn Gott hat dir das Vorrecht des Alters verliehen!"

51 Daniel sagte zu ihnen: "Trennt jene voneinander! Ich möchte sie verhören."

52 Als sie voneinander getrennt waren, rief er den einen von ihnen heran und sagte zu ihm: "Du bist in Sünden alt geworden! Jetzt kommen deine Sünden über dich, die du vordem begangen hast,

53 da du ungerecht gerichtet, Unschuldige verurteilt und Schuldige freigesprochen hast, obwohl der Herr gebietet: 'Einen Unschuldigen und Gerechten darfst du nicht töten.'

54 Nun denn, wenn du diese da gesehen hast, so sage doch: Unter was für einem Baum sahst du sie sich miteinander abgeben?" Er antwortete: "Unter einem Mastixbaum."

55 Daniel erwiderte: "Da hast du richtig gegen dein eigenes Haupt gelogen; denn der Engel Gottes hat von Gott Befehl erhalten, dich mitten durchzuspalten."

56 Nun ließ er diesen wegbringen und den anderen herbeiführen. Er sagte zu ihm: "Du Nachkomme Kanaans und nicht Judas! Die Schönheit hat dich berückt und die böse Lust dein Herz verkehrt.

57 So hättet ihr es mit den Töchtern Israels treiben können. Diese hätten sich aus Furcht mit euch eingelassen. Aber eine Tochter Judas duldete eure Schlechtigkeit nicht.

58 So sage mir nun: Unter war für einem Baum überraschtest du sie, wie sie sich miteinander abgaben?" Er antwortete: "Unter einer Eiche."

59 Daniel sagte zu ihm: "Trefflich hast du gegen dein eigenes Haupt gelogen. Denn der Engel Gottes wartet schon mit dem Schwert in der Hand, dich mitten durchzuschneiden und euch zu vernichten."

60 Da schrie die ganze Versammlung mit lauter Stimme und pries Gott, der jene rettet, die auf ihn vertrauen.

61 Sie erhoben sich gegen die beiden Ältesten, weil Daniel sie aus ihrem eigenen Mund als falsche Zeugen überführt hatte und verfuhren mit ihnen nach dem Bösen, das sie über den Nächsten gebracht hatten.

62 Man verfuhr nach dem Gesetz des Mose und tötete sie. So ward an jenem Tag unschuldiges Blut gerettet.

63 Hilkija und seine Frau lobten Gott wegen ihrer Tochter Susanna, samt Jojakim, ihrem Mann, und allen Verwandten, weil nichts Böses an ihr gefunden worden war.

64 Von jenem Tag an und fernerhin stand Daniel beim Volk in hoher Achtung.

 

Kapitel 14:

1 König Astyages war zu seinen Vätern beigesetzt worden. Sein Reich hatte der Perser Kyrus übernommen.

2 Daniel war des König Vertrauter und mehr geehrt als alle Freunde desselben.

 

Daniel und die Priester des Bel

Daniels Weigerung, Bel anzubeten

3 Nun hatten die Babylonier einen Götzen namens Bel. Man brachte für ihn täglich zwölf Scheffel Weizenmehl, vierzig Schafe und sechs Krüge Wein.

4 Auch der König verehrte ihn und ging jeden Tag hin, ihn anzubeten. Daniel aber betete seinen Gott an. Der König fragte ihn: "Warum betest du Bel nicht an?"

5 Er erwiderte ihm: "Ich verehre keine Götzen, die von Händen gemacht worden sind, sondern nur den lebendigen Gott, der Himmel und Erde erschaffen und Macht hat über alles, was lebt."

6 Der König entgegnete ihm: "Dir scheint also Bel kein lebendiger Gott zu sein? Siehst du denn nicht, wieviel er jeden Tag ißt und trinkt?"

7 Daniel antwortete lachend: "Laß dich nicht täuschen, o König! Dieser da ist inwendig von Lehm, außen aber von Ton. Er hat noch nie etwas gegessen."

8 Da geriet der König in Zorn, ließ die Priester desselben rufen und sagte zu ihnen: "Wenn ihr mir nicht sagt, wer diese Gabe verzehrt, müßt ihr sterben.

9 Beweist ihr aber, daß Bel sie verzehrt, muß Daniel sterben, weil er Bel gelästert hat!" Daniel sagte zum König: "Es geschehe, wie du befohlen hast!"

10 Es waren siebzig Priester Bels außer Frauen und Kindern Als der König mit Daniel in den Tempel Bels kam,

11 sagten die Priester Bels: "Siehe, wir wollen hinausgehen. Setze du, o König, die Speisen hin und mische den Wein! Schließe dann die Tür und versiegele sie mit deinem Ring!

12 Wenn du am Morgen kommst und nicht alles von Bel aufgezehrt findest, wollen wir sterben, andernfalls Daniel, der gegen uns gelogen hat."

 

Daniel entdeckt den Betrug

13 Sie waren ohne Sorge, weil sie unter dem Tisch einen verborgenen Eingang gemacht hatten. Durch diesen kamen sie herein und verzehrten alles.

14 Als jene hinausgegangen waren, setzte der König dem Bel die Speisen vor. Daniel aber gab seinen Dienern den Befehl, Asche herbeizubringen. Sie bestreuten damit den ganzen Tempel vor den Augen des Königs, der allein anwesend war. Dann gingen sie hinaus, schlossen die Tür ab, versiegelten sie mit dem Ring des Königs und gingen weg.

15 Während der Nacht kamen nach ihrer Gewohnheit die Priester mit ihren Frauen und Kindern und aßen und tranken alles.

16 In der Frühe machte sich der König auf und Daniel mit ihm.

17 Der König fragte: "Sind die Siegel unverletzt, Daniel?" Der antwortete: "Sie sind unverletzt, o König."

18 Sobald er die Tür geöffnet hatte, warf der König sofort einen Blick auf den Tisch und rief mit lauter Stimme: "Groß bist du, Bel, an dir ist kein Betrug."

19 Daniel aber lachte und hielt den König zurück, daß er nicht hineinginge, und sagte: "Sieh auf den Boden und gib acht, wessen Fußspuren dies sind!"

20 Der König sagte: "Ich sehe die Fußspuren von Männern, Frauen und Kindern."

21 Und der König wurde zornig und ließ die Priester samt ihren Frauen und Kindern ergreifen. Sie mußten ihm die verborgenen Türen zeigen, durch die sie hineingegangen waren, um das, was auf dem Tisch war, zu verzehren.

22 Dann ließ der König sie töten und übergab Bel in Daniels Gewalt. Dieser zerstörte ihn samt seinem Tempel.

 

Daniels Rettung aus der Löwengrube

Daniel tötet den Drachen

23 Es gab auch einen großen Drachen, den die Babylonier verehrten.

24 Der König sagte zu Daniel: "Von diesem kannst du nicht sagen, daß er kein lebendiger Gott sei. Bete ihn also an!"

25 Doch Daniel antwortet: "Den Herrn, meinen Gott, bete ich an; denn er ist ein lebendiger Gott. Jener aber ist kein lebendiger Gott.

26 Gib mir, o König, die Erlaubnis, so will ich den Drachen ohne Schwert und Keule töten." Der König sagte: "Ich gebe sie dir."

 

Daniel wird in die Löwengrube geworfen

27 Daniel nahm nun Pech, Fett und Haare, kochte sie zusammen, machte Kuchen daraus und gab sie dem Drachen ins Maul. Als der Drache sie gefressen hatte, zerbarst er. Dann rief Daniel aus: "Seht, wen ihr verehrt!"

28 Als die Babylonier dies hörten, wurde sie unwillig und rotteten sich gegen den König zusammen. Sie riefen: "Der König ist ein Jude geworden. Den Bel hat er zerstören, den Drachen töten und die Priester hinschlachten lassen."

29 Sie drangen zum König ein und verlangten: "Liefere uns Daniel aus, sonst töten wir dich und dein Haus!"

30 Als der König sah, daß sie ihn schwer bedrängten, lieferte er ihnen notgedrungen Daniel aus.

31 Sie warfen ihn in die Löwengrube. Sechs Tage lang war er darin.

 

Daniels Speisung durch Habakuk

32 Es befanden sich in der Grube sieben Löwen, denen man täglich zwei Leichen und zwei Schafe gab. Damals aber gab man ihnen nichts, damit sie Daniel auffressen sollten.

33 In Judäa lebte damals der Prophet Habakuk. Der hatte einen Brei gekocht und Brot in eine Schüssel gebrockt und ging aufs Feld hinaus, um es den Schnittern zu bringen.

34 Da sagte der Engel des Herrn zu Habakuk: "Bringe das Essen, das du hast, nach Babel zu Daniel in die Löwengrube!"

35 Habakuk erwiderte: "Herr, Babel habe ich nie gesehen, und die Grube kenne ich nicht."

36 Da ergriff ihn der Engel des Herrn bei seinem Schopf, trug ihn an den Haaren seines Hauptes und versetzte ihn in einem Atemzug nach Babel, oben an die Grube.

37 Habakuk rief: "Daniel, Daniel, nimm das Mahl, das Gott dir sendet!"

38 Da sprach Daniel: "Ja, du hast meiner gedacht, o Gott, und jene nicht verlassen, die dich lieben."

 

Daniels Rettung

39 Und Daniel stand auf und aß. Der Engel aber versetzte den Habakuk alsbald in seine Heimat zurück.

40 Am siebten Tag kam der König, um Daniel zu betrauern. Als er an die Grube trat und hineinschaute, saß Daniel da.

41 Nun rief er mit lauter Stimme: "Groß bist du, Herr, Gott Daniels! Außer dir gibt es keinen anderen."

42 Und er ließ ihn emporziehen. Diejenigen aber, die ihn hatten verderben wollen, ließ er in die Grube werfen. Augenblicklich wurden sie vor seinen Augen aufgefressen.

43 [Hierauf sagte der König: "Alle Bewohner der ganzen Erde sollen den Gott Daniels fürchten; denn er ist der Retter, der Zeichen und Wunder auf der Erde tut, er, der den Daniel aus der Löwengrube befreit hat."]