• Mühlhiasl - Der Seher des Bayerischen Waldes

Einführung Mühlhiasl

Die Prophezeiungen des Waldpropheten, des Sehers aus dem Bayernwald, existieren in unglaublich vielen Abschriften, decken sich aber im wesentlichen. In der Nähe der Pfarrei Hunderdorf liegt eine Mühle in der kleinen Ortschaft Apoig. Diese Mühle gehörte dem auf einem Berg in der Nähe aufragenden Prämonstratenserkloster Windberg. Der Müller von Apoig hiess Mathias Lang, sein Sohn (der Hellseher) wurde am 16. September 1753 auf den Namen Mathäus getauft. Schon als Bub musste dieser auf der Mühle helfen und übernahm diese dann selbst bis 1803. Von ihm sind eindeutig Weissagungen überliefert. Er selbst schrieb nichts auf. Später kursierten inhaltlich gleiche Texte unter dem Namen Stormberger. Wahrscheinlich ist dieser Name nur eine Erfindung durch einen Pater Blasius Pfeiffer († 1828), um den noch lebenden Mühlhiasl von Apoig zu decken und seine Weissagungen glaubhafter verbreiten zu können, wie Dr. C. Adlmaier berichtet.


Prophezeiungen des Mühlhiasl zitiert nach P. Friedl und J. Landstorfer

Eine Zeit kommt, wo die Welt abgeräumt wird und die Menschen wieder wenig werden.
Wird ein großer Krieg kommen. Ein Kleiner fängt ihn an und ein Großer, der übers Wasser kommt, macht ihn aus.
Da wird aber zuerst eine Zeit sein, die dem großen Krieg vorausgeht und ihn herbeiführt.
Wenn die Bauern mit gewichsten Stiefeln in die Miststatt hineinstehen.
Wenn sich die Bauernleut' gewanden wie die Städtischen und die Städtischen wie die Narren.
Wenn erst die Rabenköpf' kommen.
Wenn die Männerleut' rote und weiße Hüte aufsetzen.
Wenn die farbigen Hüt' aufkommen. Wenn d'Leut' rote Schuh' haben.
Wenn die Weiberleut auf den Straßen daherkommen wie die Gäns' und Spuren hinterlassen wie die Geißen.
Wenn man Männlein und Weiblein zuletzt; nicht mehr auseinanderkennt.
Nachher ist's nimmer weit hin.
Wenn d'Bauernleut' lauter Kuchen fressen.
Wenn Bauernleut' d'Henndl und Gäns selber fressen.
Wenn d'Bauern alle Grenzraine umackern und alle Hecken aushauen.
Wenn d'Bauern alle politisieren.
Wenn alles drunter und drüber geht.
Nachher ist die Zeit da.
Alles nimmt seinen Anfang, wenn ein großer weißer Vogel oder Fisch über den Wald fliegt.
Wenn die schwarze Straß' von Passau heraufgeht.
Wenn die schwarze, eiserne Straß' über die Donau herüberkommt und ins Böhm hineinläuft.
Wenn der eiserne Hund in der Donau heraufbellt.
Wenn im Vorwald eine eiserne Straß' gebaut wird, und wenn sie fertig ist.
Wenn d' Leut' in der Luft fliegen können.
Wenn die Wägen ohne Roß und Deichsel fahren.
Wenn die meisten Leut' mit zweiradeligen Karren fahren, so schnell, daß kein Roß und kein Hund mitlaufen kann.
Wenn man Winter und Sommer nimmer auseinanderkennt.
Wenn die kurzen Sommer kommen.
Nachher steht's nimmer lang an.
Zuerst kommen die vielen Jubiläen. Überall wird über den Glauben gepredigt, überall sind Missionen, kein Mensch kehrt sich mehr dran.
Die Leut' werden erst recht schlecht.
Die Religion wird noch so klein, daß man's in einen Hut hineinbringt.
Der Glaub'n wird so dünn, daß man ihn mit der Geißel abhauen kann.
Über den katholischen Glauben spotten am meisten die eigenen Christen.
Den Herrgott werden sie von der Wand reißen und im Kasten einsperren.
Kommt aber eine Zeit, da werden sie ihn wieder hervorholen, aber es wird zu spät sein, weil die Sach' ihren Lauf nimmt.
Wann es kommt? Eure Kinder werden es nicht erleben, aber eure Kindeskinder bestimmt.
Vom Osten her wird es kommen und im Westen aufhören. Dann kommt der Krieg und noch einer, und dann wird der letzte kommen.
Gesetze werden gemacht, werden aber nicht mehr ausgeführt.
Das Gold geht zu Eisen und Stahl.
Um ein Goldstück kann man noch einen Bauernhof kaufen.
S'Holz wird so teuer wie der Zucker, aber g'langen tut's.
Einerlei Geld kommt auf.
Geld wird gemacht, so viel, daß man's gar nimmer kennen kann. Wenn's gleich lauter Papierflanken sind, kriegen die Leut' nicht genug daran.
Bal's angeht, ist einer über dem anderen.
Raufen tut alles.
Wer etwas hat, dem wird's genommen.
In jedem Haus ist Krieg.
In den Städten wird alles drunter und drüber gehen.
Kein Mensch kann mehr dem anderen helfen.
Sie werden sich Zäune ums Haus machen und auf die Leute schießen.
Die reichen und noblen Leut' werden umgebracht. Wer feine Händ' hat, wird totgeschlagen.
Der Stadtherr läuft zum Bauern aufs Feld und sagt: Laß mich ackern! Der Bauer erschlägt ihn mit der Pflugreut'n.
Wenn die Fledermaus auf dem Geld erscheint, dann geht es zum zweiten großen Krieg.
Zuvor werden viele Häuser gebaut wie Paläste, für die Soldaten, und dann werden einmal die Brennesseln aus den Fenstern wachsen.
Das wird aber auch eine Zeit sein, da man um 200 Gulden keinen Laib Brot bekommt. Aber eine Not wird doch nicht sein.
Wenn also das alles sich eingestellt hat, dann nunmehr, dann kommt's.
Die Kleinen werden groß und die Großen klein, und da wird es sich erweisen, daß der Bettelmann, wenn er aufs Roß kommt, nicht zu derreiten ist.
Ein strenger Herr wird kommen und ihnen die Haut abziehen und ein strenges Regiment führen.
Dann wird es wieder losgehen, und es wird schrecklich.
Jeder wird einen anderen Kopf aufhaben, und eins wird das andere nicht mehr mögen.
Der Bruder wird den Bruder nicht mehr kennen und die Mutter die Kinder nicht.
Gesetze werden gemacht, die niemand mehr achtet, und Recht wird nimmer Recht sein.
Niemand denkt dran, daß die Geißel Gottes kommt. Und so wird der Jammer groß sein.
Die Rotjankerl werden auf den neuen Straßen herankommen. Aber über die Donau kommen sie nicht. Soviel Feuer und Eisen hat noch kein Mensch gesehen.
Kommt aber auch wieder eine gute Zeit, und die Leute werden fressen und saufen vom Überfluß.
Nach dem Krieg meint man, Ruh' ist, ist aber keine. Die hohen Herren sitzen zusammen und machen Steuern aus.
Nachher steht's Volk auf.
Der letzte Krieg wird der Bänkeabräumer sein.
Er wird nicht lange dauern.
Es wird so schnell gehen, daß kein Mensch es glauben kann, aber es gibt viel Blut und Leichen.
Es wird so schnell gehen, daß einer, der beim Rennen zwei Laib Brot unterm Arm hat und einen davon verliert, sich nicht darum zu bücken braucht, weil er mit einem Laib auch langt.
Aber dann werden sie Steine zu Brot backen und Brennesseln essen.
Die wenigen, die übriggeblieben, werden sich schutzsuchend aus der ganzen Umgebung innerhalb der Windberger Klostermauern sammeln.
Alles wird dann durcheinander sein. Wer's überlebt, muß einen eisernen Kopf haben.
Es wird nichts helfen, wenn auch die Leute wieder fromm werden und den Herrgott wieder hervorholen. Sie werden krank, und kein Mensch kann ihnen helfen.
Im ganzen Wald wird kein Licht mehr brennen, und das wird lange dauern.
Es wird erst vorbei sein, wenn kein Totenvogel mehr fliegt.
Nachher sind die Leute wenig.
Auf d' Nacht zündet einer ein Licht an, schaut, wo noch jemand eins hat.
Wer eine Kronwittstaude sieht, geht drauflos, ob's nicht ein Mensch ist.
In dieser Zeit wird das Geld so knapp, daß man sich um einen Goldgulden eine Kuh kaufen kann.
Das Bayerland im besonderen wird verheert und verzehrt von seinem eigenen Herrn. Am längsten wird's stehn, am schlechtesten wird's ihm gehn.
Wenn man am Donaustrand und im Gäuboden eine Kuh findet, der muß man eine silberne Glocke anhängen.
Ein Roß, dem muß man ein goldenes Hufeisen hinaufschlagen.
Im Wald drinnen krähen noch Gickerl.
Der Fuhrmann haut mit der Geißel auf die Erde nieder und sagt: Da hat die Straubinger Stadt gestanden.
Nachher, wenn die Welt abgeräumt ist, kommt eine schöne Zeit.
Die es überstanden haben, werden sich grüßen: Bruder, lebst du auch noch?
Das wird nicht nur bei uns, sondern auf der ganzen Welt so sein, und Recht wird wieder Recht sein, und der Friede wird tausend Jahre gelten.
Aber einmal - und das ist weit - wird man Sommer und Winter nicht mehr auseinanderkennen, und die Sonne wird nicht mehr scheinen. Dann alles hat ein End, auch diese Welt.

 

Weitere Prophezeiungen des Mühlhiasl zitiert nach P. Friedl, R. Haller W. Bekh und J. Silver.

Gerad so, wie ihr jetzt mich hinaustut, tun sie bald euch selber hinaus. Ich kann gehen, ihr aber müßt laufen. Ich darf wieder herein, aber ihr dürft nicht mehr herein, und zu euren Fenstern schauen Weiber und Kinder heraus. (Dies soll der Mühlhiasl zu den Mönchen in Windberg anläßlich seiner Vertreibung gesagt haben. Kurz darauf wurde das Kloster säkularisiert.)
Die schwere Zeit wird anfangen, wenn auf dem Zwieseler Kirchturm die Bäume wachsen.
Wenn auf dem Zwieseler Kirchturm die Bäum' wachsen, dann geht es an. (Diese Prophezeiung ist 1914 eingetroffen.)
Wenn ein Hirte einen Stein nach einer Goaß wirft und der Stein später einmal mehr wert ist wie die Goaß.
In Lintach wird alles voll Häuser und Lehmhütten ang'schlöttet, aber nachher wachsen einmal Brennessel und Brombeerdörn zu‘n Fenstern außer.
Der Gäuboden prangt mit schneeweiße Häuser.
Grod vor Klautzenbach vorbei wird da eiserne Hund bell'n.
In da Schwarzach wird a eiserne Strass'n baut, wird aber nit fertig werd'n.
In Zwiesl wird a gross Schulhaus baut, für dö Soldaten. Alles wird voll Häuser sein, aber einmal werdn dö Brennessl aus dö Fenster wachs'n.
Wenn sie in Straubing über die Donau die große Brücke bauen, so wird sie fertig, aber nimmer ganz; dann geht's los.
Vom Hennerkobel bis zum Rachel wird ma durch koan Wald mehr geh'n müssn.
Ein grausamer Krieg wird ausbrechen. Blutrot wird es zugehen. Sogar die Totenschädel werden noch keine Ruhe geben und aufeinander keifen und einander beißen.
Über den Hennerkobel und über den Falkenstein werden sie kommen.
Das Bayerlandl wird verheert und verzehrt, dös Böhmerlandl mit'm Bes'n auskehrt.
Über die Brück, den schwarzen Regen, werden Soldaten reiten.
Dann wird der Teufel ohne Füße und Kopf über das Waldgebirg' reiten. Er wird alle Farben haben und sein wie Glas.
Ein rauschendes Blutbachl wird getal rinnen, das wird die morschen Mühlräder wieder aufschrecken, die im Geröll ausgetrocknet und in wildklustigen Rinnen erdürstet sind.
Die Mühlräder werden auf ein Zeitl noch einmal zu werkeln anfangen und die grauen, steinmüden Mühlen für ein Weierl wieder wackeln.
Dö letzte Schlacht wird sein vom Kalten Baum bis zum Schwarzen Wasser, dort, wo dö Kirch' verkehrt steht.
(In Freyung schaut der Altar einer Kirche nach Osten, anstatt – wie üblich – nach Westen.)
Die Leut vom Forellenwasser, die sich am Fuchsenriegel und am Falkenstein verstecken, werden gut überdauern.
Versteckt euch in den Wäldern im Perlbachtal und beim Buchberg, auf der Käsplatt'n bei Englmar und im Bergwerk zu Bodenmais; im Gäu draußen in den Kornmanndln.
Wenn dann im (Donau-) Ried der erste Rauch aufsteigt, ist es überstanden.
Hernach werden die Mannsbilder so wenig sein, daß sie mitsammen unter einer Birke stehen können.
Neunundneunzig Weiber werden um einen einzigen Mannshaxen raufen.
Je mehr einer Händ' hat, um so besser ist es.
Wer ein Haus will und Grund, der kriegts geschenkt.
Die Kränk, die Leut und Kinder verderbet, wird nit mehr sein.
Der Wald wird öd werden ohne Hunger und ohne Sterb.

 

Das große Abräumen – Die Mühlhiasl-Vorhersage im Wortlaut

Es folgt hier die Voraussage des Abräumens nach Landstorfers Fassung vom 28. Februar 1923. Die anderen Fassungen sind im Schrifttypus abgehoben. Kurze Erläuterungen oder Übersetzungen sind unmittelbar hinter dem fraglichen Begriff in Klammer gesetzt.

Abweichungen sind bei mündlicher Überlieferung keineswegs ungewöhnlich. Selbst von den vier Evangelien, bemerkt Walther Zeitler, existieren keine Originalniederschriften der Evangelisten, sie wurden erstmals im zweiten und dritten Jahrhundert nach Christus aufgeschrieben. Trotzdem unterscheiden sie sich nur ganz geringfügig. Zeitler: "Es liegt mir fern, die Evangelien und die Mühlhiasl-Prophezeiungen auch nur ein Quentchen in gleiche geistige Nähe zu rücken oder sie gar vergleichen zu wollen. Es geht mir nur darum, zu zeigen, daß von viel bedeutenderen Texten keine originalen Niederschriften ihrer Urheber existieren." Im übrigen kamen die verschiedenen Fassungen der Mühlhiasl-Voraussagen mit Sicherheit schon von den Lippen des Propheten selbst; für seine – nach Mittelung Otto Kerschers – immer wiederholten Ankündigungen hat er gewiß nicht jedesmal genau denselben Wortlaut gewählt.

Als Vorzeichen des Dritten Weltkriegs beschrieb der Mühlhiasl den Straßenbau von Straubing über Stallwang und Cham bis zum Pilgramsberg bei Rattiszell. Als der Mühlhiasl diese Voraussage machte, wurde er ausgelacht, denn diese Gegend war damals derartig unwirtlich, daß der alte Weiherbauer (von Landstorfer und auch Adlmaier ohne Ortsangabe zitiert) erklärte: "Wenn ich alles glaube, was der Mühlhiasl vorausgesagt hat, so kann ich nicht glauben, daß da einmal eine Straße gebaut werden soll." Die Straße Straubing-Stallwang-Cham bis zur Further Senke wurde in den fünfziger und sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts gebaut.

Von Straubing auf den Pilmersberg hinein wird eine Straß' gebaut. Und auf der Straß' kommen sie einmal heraus, dieselben (dieselln) Roten, die Rotjankerl, die Rotkapperl. ('Janker', nach Schmellers Bayerischem Wörterbuch: Kurzes Oberkleid, Jacke.) Wenn sie aber einmal kommen, dann muß man davonlaufen, was man kann und muß sich verstecken mit drei Laib Brot. Wenn man beim Laufen einen verliert, darf man sich nicht bücken, so muß es 'schlaun' (so schnell muß es gehen). Wenn man den zweiten verliert, muß man ihn auch hintlassen, man kann's auch mit einem noch aushalten. Man darf sich nicht bücken darum, so eilig ist es. Man kann's auch mit einem Laib aushalten, weil es nicht lang dauern wird.

Wegen seiner Äußerungen über die Rotjankerl, die man häufig als 'Rothosen' missverstand, wurde der Mühlhiasl verlacht. Manche Leute fragten, ob er etwa die rotbehosten Franzosen meine. Darauf antwortete er stets: Nein, die Franzosen sind's nicht, rote Hosen haben s' auch nicht, aber die Roten sind's!

Als Versteck empfahl er je nach der Gegend, wo er befragt wurde, für Mitterfels etwa die Wälder im Perlbachtal oder die Niederungen beim Buchberg, für Sankt Englmar die Käsplatte, für Bodenmais die Bergwerksstollen, für den waldlosen Gäuboden die Weizenmanndln.

Soviel Feuer und soviel Eisen hat noch kein Mensch gesehen. Die Berge werden ganz schwarz sein von Leuten. In einem Wirtshaus an der Brücke werden viele Menschen beieinander sein – und draußen werden die Soldaten schon vorbeilaufen, so schnell kommen sie. In einem Wirtshaus werden viele Leute beisammen sein, und draußen werden die Soldaten vorbeireiten. (Backmund notierte am Rand: Hier hat der Seher die Panzer mit Pferden verwechselt.) Wer's überlebt, der muß einen eisernen Schädel haben. Die wenigen, die übrig geblieben sind, werden sich schutzsuchend in den Windberger Klostermauern versammeln. (Zum Schluß ist noch ein besonders unheimlicher Gast in Aussicht gestellt, nach Art des Sensenmannes:) Auf d'Letzt kommt der Bänke-Abräumer, "af d'letzt kimmt da Bänk-O'ramer". (Da man in den Bauernstuben auf Bänken sitzt oder saß, ist er zu verstehen als eine die Familien hinwegraffende Seuche, eine um sich greifende tödliche Krankheit. – Der 'Bänkabräumer' ist ein dem Mühlhiasl eigentümliches und völlig eigenes Wort.) Es wird nichts helfen, wenn auch die Leute wiederfromm werden und den Herrgott wieder hervorholen. Sie werden krank und kein Mensch kann ihnen helfen. Es wird erst vorbei sein, wenn kein Totenvogel mehr fliegt.

Die Leute sind nur noch wenig. Nachher grüßen sich die Leute wieder mit "Gelobt sei Jesus Christus!", und einer sagt zum andern: "Grüß dich Gott, Bruder, grüß dich Gott, Schwester!" "Wo hast dich denn du versteckt?" Auf d'Nacht zündet einer ein Licht an, schaut, ob noch jemand eins hat. Wer zur Nacht auf einem hohen Berg steht, wird im ganzen Waldland kein Licht mehr sehen. Wer eine Kronawittstaudn (Wacholder) sieht, geht drauf los, ob's nicht ein Mensch ist. Ein Fuhrmann haut mit der Geißel auf die Erde nieder und sagt: Da ist einmal die Straubinger Stadt gestanden. Das Bayerland wird verheert und verzehrt von seinen eigenen Herrn, am längsten wird's stehen, am schlechtesten wird's ihm gehen. Wenn man am Donaustrand und im Gäuboden noch eine Kuh findet, der muß man eine silberne Glocke umhängen, ein Ross, dem muß man ein goldenes Hufeisen hinaufschlagen, aber im Wald drinnen krähen noch Gickerl (Gockel).

Eine merkwürdige Voraussage soll noch erwähnt werden, die der Mühlhiasl seinen Freunden gegenüber machte: Wenn der Bünkabrüumer dagewesen ist, werden die bösen Geister und die, die waizen, gebannt. "Werden die Waiz verschafft." ('Waiz' sind in Bayern Spukgestalten; 'waizen oder weizen', nach Schmeller: Umgehen als arme Seele, als Geist oder Gespenst. Seit Papst Leo XIII. den großen Exorzismus neu formulierte und Gebete nach der Messe einführte, in denen von 'umherschweifenden Geistern' die Rede ist, fühlte sich das Volk in seiner weitverbreiteten Anschauung bestätigt.)

Schließlich sei noch eine Aussage des Mühlhiasl angeführt (eine auf das Windberger Patrozinium Sankt Maria bezogene), die er denen entgegenhielt, die ihn auslachten. Sehr ernst und nachdenklich meinte er: Lachts nur, ihr brauchts es ja nicht aushalten, aber euere Kindeskinder und die, wo nachher kommen, die werden 's schon glauben müssen. Toats beten, daß der Herrgott auf Bitten Unserer Lieben Frau's Unglück abwendt. Mir glaubt's niemand, und doch ist's wahr.

 

Es folgen die Weissagungen des Stoamberger nach der Keilhoferschen Handschrift. (Andere Fassungen aus Bodenmais, Rabenstein und Tittling sind kenntlich gemacht.)

Es wird nicht lang dauern, denn wenn alles eingetroffen ist, dann kommt das große Abräumen. Das Bayerland wird verheert und verzehrt, das Böhmerland mit dem Besen auskehrt. Der Wald wird öd werden ohne Hunger und Sterb. Über den Hühnerkobel, über den Falkenstein und über den Rachel werden sie kommen und rote Jankerl anhaben. Über Nacht wird es geschehen. In einem Wirtshaus in Zwiesel werden viele Leute beisammen sein, und draußen werden die Soldaten über die Brücke reiten. Die Berge werden ganz schwarz werden von Leuten. Die Leute werden aus dem Wald rennen. Wer zwei Laib Brot unterm Arm hat und verliert einen, der soll ihn liegen lassen, denn er wird mit dem einen Laib auch reichen.

Bodenmaiser Fassung: ...danach get es auf ein mahl zurich und wird ibel aus schauen, ein straim neben dem Pemerwald wird bleiben, wo mann den grösten sturm mit 3 laib Brod überleben kann wann mann es hat, wan aber einer in lauffen aus der handt falt, so las in ligen, es glecken 2 auch.

Rabensteiner Fassung: Danach wird sich ein großer Krieg erheben und wird aufwärts, dann wird es viel Geld und Blut und Leute kosten. Der Landesfürst wird zwar nicht kriegen, es wird doch sein Land durch lauter Durchzüge verdorben werden. Danach geht es auf einmal zurück und wird übel ausschauen. Ein Striegel neben dem Böhmerwald wird bleiben, wo man den großen Rummel mit drei Laib Brot überstehen kann, wenn man eins hat. Wenn im Laufen ihm einer aus der Hand fallt, der soll ihn liegen lassen, es reichen zwei aus.

Tittlinger Fassung: Wann einer mit drei Laib Brod davon laufen wurde, und er wird einen in laufen verlieren, so hat er es nicht nöthig, das er zurück laufe, es klekgen in zwey auch.

Keilhofer: Die Leut, die sich am Fuchsenriegel verstecken oder am Falkenstein, werden verschont bleiben. Wer's übersteht, muß einen eisernen Kopf haben.

Bodenmaiser: Wer es aber über lebt, der mus ein eissen Kopf haben. Rabensteiner: Wer es überlebt, muß einen eisernen Kopf und eiserne Hände haben.

Keilhofer: Die Leut werden krank, und niemand kann ihnen helfen. Von allen Schrecken wird der Bänkeräumer der letzte sein. Wenn die Leute von der Bank fallen wie die Fliegen von der Wand, beginnt die letzte Zeit. Sie wird furchtbar sein. Wenn man auf den Bergen steht, wird man im ganzen Wald kein Licht mehr sehen. Wenn man herüber der Donau noch eine Kuh findet, der soll man eine goldene Glocke umhängen.

Bodenmaiser: Und wer nebst den Danauer straim ein kuch findt der sol man eine silberne glocken anhengen, und die leith werden sich Verlauffen ohne hunger und sterb. Wo laufen sie dan hin? Ihr Nahrn, in die gutten lender, die in dem krieg Eth (öd) geworden sind und wo Nieman(d) mer da sey. Danach werden erst euere Heusser zu Viks und wolf hitten werden.

Rabensteiner: Wer neben dem Donaustrom eine Kuh findet, soll ihr eine silberne Glocke anhängen, und die Leute werden sich verlaufen ohne Hunger und ohne Sterb. Ja wo laufen sie denn hin? O ihr Narren, in guten Ländern, die in diesem Krieg tot geworden sind und niemand mehr da ist, danach werden erst neue Häuser zu Füchsen- und Wolfhütten werden.

Tittlinger: Wann aber in ganzen Donaustrom eine Kuhe noch jemand fündet, so ist sie es werth, daß ihr der eigenthümer eine Silberne Glocke anhängt. Nach dieser Rebelion werden nur die Leute bleiben, nach der Waldung, so weit das Forelen wasser Lauft. nach diesen werden die Leute der Waldung in die Länder ziehen, ohne Hunger und sterb, und die eingebauten Häuser in denen wäldern denen Fixsen zur wohnung werden.

Dies kann aus den drei zum Vergleich mit der Keilhofer-Handschrift herangezogenen Fassungen übereinstimmend herausgelesen werden: Die Überlebenden des großen Abräumens werden höchstens in den weniger unwirtlichen Gegenden sesshaft bleiben, die anderen Überlebenden werden aus dem Wald in fruchtbarere Landstriche, die menschenleer geworden sind (vermutlich den Gäuboden) auswandern; ihre verlassenen Häuser im Wald werden Füchsen und Wölfen zum Wohnplatz.

Bodenmaiser: Hernach wird widerum Eine liebe des Nägsten unter dem menschen gehalten werden und was es noch gibt, so wird es durchaus besser werden.

Rabensteiner: Dann wird wieder eine Liebe des Nächsten unter den Menschen gehalten werden, und was es noch gibt, wird durchaus besser werden. Und die Leute werden froh sein, wenn eins das andere wiedersieht und noch von einem Bekannten hört, denn die Leute werden so wenig werden, daß man es leicht zählen kann. Man wird nicht wissen, wie sie umkommen sind. Ich erlebe es nicht. Gott gebe es, daß ich es nicht überlebe, aber ihr, meine Kinder, könntet es überleben.

Bodenmaiser: Ich iber lebs nicht, gott giebs das ich es nicht erleb, aber ihr meine Kinder kendt es iber leben.

Tittlinger: Ich danke Gott das ich meine lebens Zeit vollendet habe, ich sehe das mein leben nicht lang dauern werde. Ihr meine Kinder erlebt das größte unheil nicht, ihr meine Endl (Enkel) erlebt es auch nicht, aber der drite Stamm der kann es Leicht erleben. Als Ergänzung seien auch die von Reinhard Haller zuverlässig notierten mündlichen Fassungen der Stoamberger-Vorhersage aus Zwiesel, Bodenmais, Rabenstein und vom Zeller Tal mitgeteilt. An ihnen wird die inhaltliche und manchmal wortwörtliche Übereinstimmung mit der Mühlhiasl-Prophezeiung besonders deutlich. Bald's angeht, laufen tut alles. Die Leut werden in den Wald hineinlaufen und werden wieder aus dem Wald herauslaufen. (Mobilität? Reisewut?) Und je mehr Leut in den Wald hineinlaufen, desto schlechter ist es.

Dann geht's los wie das Donnerwetter in der Luft. Übern Hennerkobel und Falkenstein kommen die Rotjackerl herunter. Die Roten kommen über den Falkenstein her, aber rote Hosen haben sie nicht an. Die Rotjanker werden kommen; wenn wir in der Früh aufstehen und schauen zum Fenster hinaus, schauen sie schon herein auf uns. Im Unterdorf spielt man noch Karten, im Oberdorf reiten sie schon ein. (Bildliche Darstellung: Sie kommen von oben, von der Höhe, vom Grenzkamm.) Die Schwarzach-Mühle braucht kein Wasser mehr, weil soviel Blut daherschwimmt. Und Gott, der Allmächtige, schreitet ein. Kommen tuts nicht von heut auf morgen. Dauern tuts auch nicht lang. Es wird so schnell gehen, daß man den Speck nicht mehr vom Hausboden herunterholen kann. Aber es dauert nur dreimal den Mond. Wer drei Laib Brot hat und einen verliert, soll sich nicht umdrehen. Es glangen auch zwei. Wenn du noch soviel Zeit hast, kannst du dich verstecken auf der Kasplatten bei Böbrach, im Bodenmaiser Bergwerk, im Fuchsenriegel, am Falkenstein und am Wagensonnriegel, wennst noch hinkommst! Der Bodenmais ist sicher. Und in dem Versteckungswinkel kommst du mit drei Laib Brot durch. Wenn dir einer hinunterfällt, kommst du auch mit zwei Laib durch.

Man wird die Toten in der Erde beneiden. Man wird sagen: Grad ich wenn gestorben wär, daß ich das nicht mehr erleben hätte müssen! Wer das überlebt, der muß einen eisernen Kopf aufhaben. Der erste Schub tut mit Freuden fort. Der zweite geht auch noch gern. Die Dritten aber wollen nicht mehr, weil man von den Ersten nichts mehr hört und sieht. Die Letzten werden noch auf den Wagen gebunden. Die müssen fort. (Dunkler Sinn. Vielleicht sind die Einberufungen und Abtransporte junger Rekruten gemeint.) Die letzte Schlacht ist bei der Neuerner Trat (im Böhmerwald).

Wer sich am Hennerkobel und am Rachel und am Silberberg versteckt, der bleibt über. In Bodenmais bleiben Herd und Feuer verschont. Im Klosterkeller (Windberg) bleiben ein paar Leut über. So dünn werden die Leut, daß man sie in einer Kornreitern reitern kann. (Die Reiter: Das Sieb.) Zwischen dem Weißen Regen und dem Schwarzen Regen passiert nichts. Im Bayerischen Wald wird noch ein Leiterwagen voll Leut übrigbleiben. Von Arschlingkirche auf Arschlingkirche ('gewestete' Kirchen), von Freyung bis Bodenmais, geschieht nichts. Da gehts nimmer weiter. Und hinter einer Arschlingkirche, wo der Altar (von Westen) auf Osten schaut, unter zwei Lindenbäumen, da kommen sie zusammen, die Großen. Sie geben einander die Händ und sagen: "Leute, was haben wir angefangen!" (Von herkömmlicher Kriegführung genommenes Bild.) Über die Straubinger Stadt da wird nach dieser Gaudi ein Rossknecht fahren. Er haut mit der Geißel hinein und sagt: "Da ist die Straubinger Stadt einmal gestanden!" Ein Fuhrmann aus Böhmen fährt vorbei, schnalzt mit der Geißel und sagt: "Da ist einmal Prag gestanden!" Ein Hirte rennt seinen Stecken in die Erd und sagt: "Da ist Rabenstein einmal gestanden!" Und der Stecken wird noch lang drinbleiben, bis ihn einer herauszieht.

Nachher sagt einer zum andern, wenn er noch einen trifft: "Gelobt sei Jesus Christus, weil wir das Leben noch haben!" Und eines sagt zum andern: "Bruada, wo bist denn du gwen, und Schwesta, wo bist denn du gwen?" Wenn sich zwei wildfremde Menschen treffen, sagen sie: "Freund, wo hast du dich versteckt gehabt?" Man wird sagen: "Ich habe Graswurzeln gegessen!" Wennst durch den Wald gehst, wirst kein Licht mehr sehen. (Die Dunkelheit nach der vorangegangenen Lichterflut ist ein allzu auffallendes Merkmal, um es unerwähnt zu lassen.) Die Leut schüren auf den hohen Bergen Feuer an, damit eines das ander sieht. Wenn man no a Kuah herin findt, derf ma eahm a silbas Glöckerl umhänga. Und wenn man enterhalb der Donau noch eine Kuh findet, so soll man ihr eine silberne Glocke anhängen. Findet man ein Ross, soll man ihm ein goldenes Eisen aufnageln. Und in den Gegenden, wo die Forellenbachl sind, da hört man ab und zu noch einen Gickerl krähen. Solang der Name Buchinger in Rabenstein auf dem Haus ist, kommt es nicht. Ihr meine Kinder erlebt das große Unheil nicht, ihr meine Kindeskinder auch nicht. Aber der dritte Stamm kann es leicht noch erleben.