Das Evangelium nach Lukas

Kapitel 1: Vorrede

1 Schon viele haben es unternommen, einen Bericht über die Begebenheiten abzufassen, die sich unter uns zugetragen haben,

2 wie es uns die ursprünglichen Augenzeugen und Diener des Wortes überliefert haben.

3 Auch ich habe mich entschlossen, allen Ereignissen von Anfang an sorgsam nachzugehen, und sie für dich, edler Theophilus, der Reihe nach niederzuschreiben,

4 damit du dich von der Zuverlässigkeit der Lehren überzeugen kannst, in denen du unterrichtet worden bist.

 

Jugendgeschichte Jesu

Verkündigung der Geburt des Johannes

5 In den Tagen des Herodes, des Königs von Judäa, lebte ein Priester mit Namen Zacharias, aus der Priesterklasse des Abija. Seine Frau stammte aus dem Geschlecht Aarons, ihr Name war Elisabet.

6 Beide waren gerecht vor Gott und hielten sich in allem streng an die Gebote und Satzungen des Herrn.

7 Sie waren jedoch kinderlos, denn Elisabet war unfruchtbar, und beide waren in vorgerücktem Alter.

8 Als einst seine Priesterklasse an der Reihe war und er vor Gott den heiligen Dienst tat,

9 fiel ihm durch das Los, das nach der Ordnung der Priesterschaft geworfen wurde, die Aufgabe zu, im Tempel des Herrn das Rauchopfer darzubringen.

10 Das ganze Volk aber verharrte zur Stunde des Rauchopfers draußen im Gebet.

11 Da erschien ihm zur Rechten des Rauchopferaltars ein Engel des Herrn.

12 Bei seinem Anblick erschrak Zacharias, und Furcht befiel ihn.

13 Der Engel aber sagte zu ihm: "Fürchte dich nicht, Zacharias! Denn dein Gebet ist erhört. Elisabet, deine Frau, wird dir einen Sohn gebären: dem sollst du den Namen Johannes geben.

14 Große Freude und Jubel werden dich erfüllen, und auch viele andere werden sich über seine Geburt freuen,

15 denn er wird groß sein vor dem Herrn. Wein und starkes Getränk wird er nicht trinken, und schon im Mutterschoß wird er mit Heiligem Geist erfüllt sein.

16 Viele von den Kindern Israels wird er zum Herrn, ihrem Gott, bekehren.

17 Er wird vor ihm hergehen im Geist und in der Kraft des Elija, um die Herzen der Väter den Kindern wieder zuzuwenden, die Ungehorsamen zur Gesinnung der Gerechten zu bringen und so das Volk für den Herrn bereit zu machen."

18 Da sagte Zacharias zu dem Engel: "Woran soll ich das erkennen? Ich bin schon alt und auch meine Frau ist hochbetagt."

19 Der Engel erwiderte ihm: "Ich bin Gabriel, der vor Gott steht. Ich bin gesandt, mit dir zu reden und dir diese frohe Botschaft zu verkünden.

20 Weil du nun meinen Worten nicht geglaubt hast, die zu ihrer Zeit in Erfüllung gehen werden, sollst du stumm sein und nicht sprechen können, bis zu dem Tag, da dies eintrifft."

21 Das Volk wartete auf Zacharias und wunderte sich, daß er so lange im Tempel verweilte.

22 Als er herauskam, konnte er kein Wort zu ihnen sagen. Da erkannten sie, daß er im Tempel eine Erscheinung gehabt hatte. Er winkte ihnen nur zu und blieb stumm.

23 Sobald die Tage seines Dienstes vorüber waren, kehrte er nach Hause zurück.

24 Nach jenen Tagen empfing seine Frau Elisabet. Sie zog sich fünf Monate zurück und sagte:

25 "Das hat der Herr an mir getan: Er hat in diesen Tagen meine Schmach vor den Menschen gnädig hinweggenommen."

 

Verkündigung der Geburt Jesu

26 Im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa mit Namen Nazaret gesandt,

27 zu einer Jungfrau, die mit einem Mann namens Josef, aus dem Haus David, verlobt war. Der Name der Jungfrau war Maria.

28 Der Engel trat bei ihr ein und sagte: "Freue dich, Begnadete, der Herr ist mit dir."

29 Sie erschrak über die Worte und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe.

30 Da sagte der Engel zu ihr: "Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden.

31 Siehe, du wirst empfangen und einen Sohn gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben.

32 Er wird groß sein und Sohn des Allerhöchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben.

33 Er wird über das Haus Jakob herrschen in Ewigkeit, und seines Reiches wird kein Ende sein."

34 Da sagte Maria zu dem Engel: "Wie wird das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?"

35 Der Engel antwortete ihr: "Heiliger Geist wird über dich kommen, und Kraft des Allerhöchsten wird dich überschatten. Darum wird auch das Kind, das geboren wird, heilig und Sohn Gottes genannt werden.

36 Siehe, auch Elisabet, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen, und sie, die als unfruchtbar galt, ist schon im sechsten Monat.

37 Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich."

38 Da sagte Maria: "Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe nach deinem Wort." Und der Engel schied von ihr.

 

Mariä Heimsuchung

39 In jenen Tagen machte sich Maria auf und ging eilends in eine Stadt im Bergland von Judäa.

40 Sie trat in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet.

41 Sobald Elisabet den Gruß Marias vernahm, hüpfte das Kind in ihrem Schoß. Elisabet wurde von Heiligem Geist erfüllt

42 und rief mit lauter Stimme: "Du bist die Gesegnete unter den Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes!

43 Wie kommt es, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt?

44 Denn siehe, sobald dein Gruß an mein Ohr klang, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Schoß.

45 Selig bist du, da du geglaubt hast, daß in Erfüllung gehen wird, was dir vom Herrn verkündet worden ist."

46 Da sprach Maria: "Meine Seele preist die Größe des Herrn,

47 und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.

48 Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.

49 Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig.

50 Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten.

51 Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind;

52 er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.

53 Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und läßt die Reichen leer ausgehen.

54 Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen,

55 das er unseren Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig."

56 Maria blieb etwa drei Monate bei ihr; dann kehrte sie nach Hause zurück.

 

Geburt des Johannes

57 Für Elisabet erfüllte sich die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar einen Sohn.

58 Ihre Nachbarn und Verwandten hörten, daß der Herr ihr große Huld erwiesen hatte, und freuten sich mit ihr.

59 Am achten Tag kamen sie, das Kind zu beschneiden, und wollten ihm den Namen seines Vaters Zacharias geben.

60 Doch seine Mutter entgegnete: "Nein, Johannes soll es heißen."

61 Sie sagten zu ihr: "In deiner Verwandtschaft trägt doch niemand diesen Namen."

62 Daraufhin fragten sie seinen Vater durch Zeichen, wie er es wohl genannt wissen wolle.

63 Er verlangte ein Schreibtäfelchen und schrieb darauf – so daß alle staunten – die Worte: "Johannes ist sein Name."

64 In demselben Augenblick wurde sein Mund geöffnet und seine Zunge gelöst; er konnte wieder sprechen und pries Gott.

65 Da kam Furcht über alle, die in der Gegend wohnten, und im ganzen Bergland von Judäa sprach man über all diese Begebenheiten.

66 Alle, die davon hörten, überdachten sie im Herzen und sagten: "Was wird wohl aus diesem Kind werden?" Denn offensichtlich war die Hand des Herrn mit ihm.

67 Zacharias, sein Vater, wurde von Heiligem Geist erfüllt und sprach die prophetischen Worte:

68 "Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat sein Volk besucht und ihm Erlösung geschaffen;

69 er hat uns einen starken Retter erweckt im Hause seines Knechtes David.

70 So hat er verheißen von alters her durch den Mund seiner heiligen Propheten.

71 Er hat uns errettet vor unseren Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen;

72 er hat das Erbarmen mit den Vätern an uns vollendet und an seinen heiligen Bund gedacht,

73 an den Eid, den er unserem Vater Abraham geschworen hat;

74 er hat uns geschenkt, daß wir, aus Feindeshand befreit, ihm furchtlos dienen

75 in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinem Angesicht all unsere Tage.

76 Und du, Kind, wirst Prophet des Höchsten heißen; denn du wirst dem Herrn vorangehen und ihm den Weg bereiten.

77 Du wirst sein Volk mit der Erfahrung des Heils beschenken in der Vergebung der Sünden.

78 Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe,

79 um allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes, und unsere Schritte zu lenken auf den Weg des Friedens."

80 Das Kind wuchs heran, und erstarkte im Geiste. – Bis zu dem Tag, da er vor Israel auftrat, lebte Johannes in der Wüste.

 

Kapitel 2: Geburt Jesu

1 In jenen Tagen erging vom Kaiser Augustus der Befehl, die ganze Welt aufzuschreiben.

2 Dies war die erste Volkszählung unter Quirinius, dem Statthalter von Syrien.

3 Da gingen alle hin, ein jeder in seine Vaterstadt, um sich eintragen zu lassen.

4 Auch Josef, der aus dem Haus und Geschlecht Davids stammte, zog aus der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt,

5 um sich mit Maria, seiner Verlobten, die guter Hoffnung war, eintragen zu lassen.

6 Während sie dort waren, erfüllte sich die Zeit ihrer Niederkunft.

7 Sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn in der Herberge war kein Platz für sie.

 

Die Hirten bei der Krippe

8 In jener Gegend hielten Hirten auf freiem Feld bei ihrer Herde Nachtwache.

9 Da trat ein Engel des Herrn zu ihnen, und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie, und sie gerieten in große Furcht.

10 Der Engel aber sagte zu ihnen: "Fürchtet euch nicht, denn seht, ich verkünde euch eine große Freude, die allem Volk zuteil werden soll:

11 Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren, der Messias und Herr.

12 Und dies soll euch zum Zeichen sein: Ihr werdet ein Kind finden, das in Windeln gewickelt ist und in einer Krippe liegt."

13 Und plötzlich war bei dem Engel eine große himmlische Heerschar, die Gott lobte und sang:

14 "Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden den Menschen seiner Huld."

15 Als die Engel sie verlassen hatten und in den Himmel zurückgekehrt waren, sagten die Hirten zueinander: "Laßt uns nach Betlehem hinübergehen, um zu sehen, was da geschehen ist, das der Herr uns kundgetan hat."

16 Sie gingen eilends hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag.

17 Nachdem sie es gesehen hatten, erzählten sie, was ihnen über dieses Kind gesagt worden war.

18 Alle, die es hörten, wunderten sich über das, was die Hirten ihnen erzählten.

19 Maria aber bewahrte und erwog alle diese Dinge in ihrem Herzen.

20 Die Hirten kehrten zurück, lobten und priesen Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten; es war so gewesen, wie es ihnen gesagt worden war.

 

Beschneidung und Darstellung Jesu

21 Als acht Tage vorüber waren und das Kind beschnitten werden sollte, wurde ihm der Name Jesus gegeben, wie ihn der Engel genannt hatte, bevor es im Mutterschoß empfangen war.

22 Als die Tage ihrer Reinigung nach dem Gesetz des Mose zu Ende waren, brachten sie ihn hinauf nach Jerusalem, um ihn dem Herrn darzustellen.

23 Denn so steht im Gesetz des Herrn geschrieben: "Jede männliche Erstgeburt soll dem Herrn geweiht werden."

24 Auch wollten sie das Opfer darbringen, wie es im Gesetz des Herrn geboten ist: ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben.

25 Damals lebte in Jerusalem ein Mann mit Namen Simeon; er war gerecht und gottesfürchtig und harrte auf den Trost Israels, und Heiliger Geist ruhte auf ihm.

26 Vom Heiligen Geist war ihm geoffenbart worden, er werde den Tod nicht schauen, bevor er den Gesalbten des Herrn gesehen habe.

27 Vom Geist gedrängt kam er in den Tempel, eben als die Eltern das Kind Jesus hereinbrachten, um an ihm die Vorschrift des Gesetzes zu erfüllen.

28 Da nahm er es auf seine Arme, pries Gott und sagte:

29 "Nun läßt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden.

30 Denn meine Augen haben das Heil gesehen,

31 das du vor allen Völkern bereitet hast,

32 ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel."

33 Sein Vater und seine Mutter waren voll Staunen über das, was über ihn gesagt wurde.

34 Simeon segnete sie und sagte zu Maria, seiner Mutter: "Siehe, dieser ist bestimmt zum Fall und zur Auferstehung vieler in Israel, zum Zeichen, dem widersprochen wird.

35 Aber auch deine Seele wird ein Schwert durchdringen, damit offenbar werden die Gedanken vieler Herzen."

36 Damals lebte auch die Prophetin Anna, eine Tochter Penuëls aus dem Stamm Ascher. Sie war hochbetagt. Nach ihrer Jungfrauenzeit hatte sie sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt

37 und war nun eine Witwe von vierundachtzig Jahren. Sie verließ nie den Tempel und diente Gott mit Fasten und Beten Tag und Nacht.

38 Sie fand sich zur gleichen Stunde ein, pries Gott und redete über ihn zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems harrten.

 

Heimkehr nach Nazaret

39 Nachdem sie alles nach dem Gesetz des Herrn erfüllt hatten, kehrten sie nach Galiläa in ihre Stadt Nazaret zurück.

40 Das Kind wuchs heran und erstarkte. Es ward voll Weisheit, und Gottes Wohlgefallen ruhte auf ihm.

 

Der zwölfjährige Jesus im Tempel

41 Jedes Jahr zogen die Eltern Jesu zum Paschafest nach Jerusalem.

42 Auch als er zwölf Jahre alt war, pilgerten sie gemäß der Sitte des Festes hinauf [nach Jerusalem].

43 Als die Festtage vorüber waren und sie zurückkehrten, blieb der Knabe Jesus in Jerusalem zurück, ohne daß seine Eltern es merkten.

44 In der Meinung, er sei bei der Pilgergruppe, gingen sie eine Tagesreise weit und suchten ihn dann bei Verwandten und Bekannten.

45 Sie fanden ihn aber nicht. Darum kehrten sie nach Jerusalem zurück, um ihn dort zu suchen.

46 Nach drei Tagen fanden sie ihn im Tempel. Er saß mitten unter den Lehrern, hörte ihnen zu und stellte an sie Fragen.

47 Alle, die ihn hörten, staunten über sein Verständnis und seine Antworten.

48 Als seine Eltern ihn erblickten, gerieten sie außer sich, und seine Mutter sagte zu ihm: "Kind, warum hast du uns so etwas angetan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht!"

49 Er erwiderte ihnen: "Warum habt ihr mich denn gesucht? Wußtet ihr nicht, daß ich im Haus meines Vaters sein muß?"

50 Doch sie verstanden nicht, was er ihnen damit sagen wollte.

51 Dann zog er mit ihnen hinab und kam nach Nazaret und war ihnen untertan. Seine Mutter bewahrte alle diese Dinge in ihrem Herzen.

52 Und Jesus nahm zu an Weisheit und Wohlgefallen vor Gott und den Menschen.

 

Kapitel 3: Vorbereitung des öffentlichen Wirkens Jesu

Das Auftreten des Täufers

1 Im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter von Judäa, Herodes Tetrarch von Galiläa, sein Bruder Philippus Tetrarch von Ituräa und Trachonitis, Lysanias Tetrarch von Abilene waren,

2 unter den Hohepriestern Hannas und Kajaphas, erging in der Wüste der Ruf Gottes an Johannes, den Sohn des Zacharias.

3 Er durchzog die ganze Gegend am Jordan und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden,

4 wie geschrieben steht im Buch der Reden des Propheten Jesaja: "Die Stimme eines Rufenden erschallt in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, macht gerade seine Pfade.

5 Jedes Tal soll aufgefüllt, jeder Berg und Hügel abgetragen werden. Was krumm ist, soll gerade, was uneben ist, soll ebener Weg werden.

6 Und alles Fleisch wird schauen Gottes Heil."

 

Die Bußpredigt des Täufers

7 Zu den Volksscharen, die hinauszogen, um sich von ihm taufen zu lassen, sagte Johannes: "Ihr Schlangenbrut, wer hat euch beigebracht, ihr würdet dem kommenden Zorngericht entrinnen?

8 Bringt also Früchte hervor, die der Umkehr entspringen und fangt nicht an, euch einzureden: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen da Kinder erwecken.

9 Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt. Jeder Baum, der keine gute Frucht bringt, wird ausgehauen und ins Feuer geworfen."

10 Da fragten ihn die Volksscharen: "Was sollen wir tun?"

11 Er antwortete ihnen: "Wer zwei Hemden hat, gebe dem eins ab, der keines hat; und wer Nahrungsmittel hat, mache es ebenso!"

12 Auch Zöllner kamen, um sich taufen zu lassen, und sagten zu ihm: "Meister, was sollen wir tun?"

13 Er sagte zu ihnen: "Fordert nicht mehr, als festgesetzt ist."

14 Es fragten ihn auch Soldaten: "Was sollen denn wir tun?" Und er sagte zu ihnen: "Mißhandelt und drangsaliert niemanden und seid zufrieden mit eurem Sold."

 

Zeugnis des Täufers über Jesus

15 Das Volk war in Spannung, und alle fragten sich in ihrem Herzen, ob Johannes vielleicht der Messias sei.

16 Johannes aber erklärte allen: "Ich taufe euch nur mit Wasser. Es kommt aber einer, der mächtiger ist als ich. Ich bin nicht wert, ihm die Schuhriemen zu lösen. Er wird euch mit Heiligem Geist und Feuer taufen.

17 Er hält schon die Wurfschaufel in der Hand, um seine Tenne zu reinigen: Den Weizen wird er in seine Scheune bringen, die Spreu aber in unauslöschlichem Feuer verbrennen."

18 Noch viele andere Ermahnungen gab er dem Volk und verkündete ihm die Frohbotschaft.

19 Der Tetrarch Herodes aber, den Johannes wegen der Herodias, der Frau seines Bruders, und all des Bösen, das Herodes begangen hatte, zurechtgewiesen hatte,

20 fügte zu all dem Bösen, das er getan hatte, noch hinzu, daß er Johannes in das Gefängnis werfen ließ.

 

Die Taufe Jesu

21 Als alles Volk sich taufen ließ, empfing auch Jesus die Taufe.

22 Während er betete, öffnete sich der Himmel, und der Heilige Geist kam in sichtbarer Gestalt wie eine Taube auf ihn herab. Und eine Stimme erscholl vom Himmel: "Du bist mein geliebter Sohn; an dir habe ich Wohlgefallen."

 

Stammbaum Jesu

23 Als Jesus auftrat, war er ungefähr dreißig Jahre alt. Man hielt ihn für den Sohn Josefs; dessen Vorfahren waren: Eli,

24 Mattat, Levi, Melchi, Jannai, Josef,

25 Mattitja, Amos, Nahum, Hesli, Naggai,

26 Mahat, Mattitja, Schimi, Josech, Joda,

27 Johanan, Resa, Serubbabel, Schealtiël, Neri,

28 Melchi, Addi, Kosam, Elmadam, Er,

29 Joschua, Eliëser, Jorim, Mattat, Levi,

30 Simeon, Judas, Josef, Jonan, Eljakim,

31 Melea, Menna, Mattata, Natan, David,

32 Isai, Obed, Boas, Salmon, Nachschon,

33 Amminadab, Admin, Arni, Hezron, Perez, Juda,

34 Jakob, Isaak, Abraham, Terach, Nahor,

35 Serug, Regu, Peleg, Eber, Schelach,

36 Kenan, Arpachschad, Sem, Noach, Lamech,

37 Metuschelach, Henoch, Jered, Mahalalel, Kenan,

38 Enosch, Set, Adam, Gott.

 

Kapitel 4: Versuchung Jesu

1 Voll Heiligen Geistes kehrte Jesus vom Jordan zurück. Vierzig Tage lang wurde er vom Geist in der Wüste geführt und währenddessen vom Teufel versucht.

2 Er aß nichts in jenen Tagen, und als sie zu Ende waren, hungerte ihn.

3 Da sagte der Teufel zu ihm: "Wenn du Gottes Sohn bist, befiehl dem Stein da, daß er zu Brot werde."

4 Jesus erwiderte ihm: "Es steht geschrieben: 'Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.'"

5 Da führte ihn der Teufel hinauf, zeigte ihm in einem Augenblick alle Reiche der Welt

6 und sagte zu ihm: "Die ganze Macht und alle Herrlichkeit dieser Reiche will ich dir geben; denn mir ist sie übertragen, und ich gebe sie, wem ich will.

7 Wenn du anbetend vor mir niederfällst, soll das alles dein sein!"

8 Jesus entgegnete ihm: "Es steht geschrieben: 'Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihm allein dienen.'"

9 Dann führte er ihn nach Jerusalem, stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sagte zu ihm. "Wenn du Gottes Sohn bist, stürze dich von hier hinab.

10 Es steht ja geschrieben: 'Seinen Engeln wird er befehlen, dich zu behüten.'

11 Und: 'Auf Händen werden sie dich tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.'"

12 Jesus erwiderte ihm: "Die Schrift sagt: 'Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen!'"

13 Nachdem der Teufel mit den Versuchungen zu Ende war, ließ er von ihm ab – bis zu gelegener Zeit.

 

Wirken bis zur Apostelwahl

In den Synagogen Galiläas

14 In der Kraft des Geistes kehrte Jesus nach Galiläa zurück. Sein Ruf verbreitete sich in der ganzen Gegend.

15 Er lehrte in den dortigen Synagogen und wurde von allen gepriesen.

 

In Nazaret

16 Und er kam nach Nazaret, wo er aufgewachsen war. Nach seiner Gewohnheit ging er am Sabbat in die Synagoge und erhob sich, um vorzulesen.

17 Man reichte ihm das Buch des Propheten Jesaja. Er rollte die Schriftrolle auf und fand die Stelle, wo geschrieben steht:

18 "Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn er hat mich gesalbt. Er sandte mich, den Armen die Frohbotschaft zu bringen, [zu heilen, die gebrochenen Herzens sind,] den Gefangenen die Befreiung zu künden, den Blinden das Augenlicht wiederzugeben, Bedrückte in Freiheit zu setzen,

19 und auszurufen das Gnadenjahr des Herrn."

20 Er rollte die Schriftrolle zusammen, gab sie dem Diener zurück und setzte sich. Alle in der Synagoge schauten ihn gespannt an.

21 Da begann er zu ihnen zu sprechen: "Heute ist dieses Schriftwort in Erfüllung gegangen."

22 Alle spendeten ihm Beifall und staunten über die Worte von der Gnade, die aus seinem Mund flossen. Sie sagten: "Ist das nicht der Sohn Josefs?"

23 Er sagte zu ihnen: "Gewiß werdet ihr mir das Sprichwort entgegenhalten: Arzt, heile dich selbst. Was alles, wie wir hörten, in Kafarnaum geschehen ist, das verrichte auch hier in deiner Vaterstadt."

24 Und er fügte hinzu: "Wahrlich, ich sage euch: Kein Prophet wird in seiner Vaterstadt anerkannt.

25 Es entspricht der Wahrheit, was ich euch sage: Als in den Tagen des Elija der Himmel für drei Jahre und sechs Monate verschlossen war und im ganzen Land eine große Hungersnot herrschte, gab es viele Witwen in Israel.

26 Doch zu keiner von ihnen ward Elija gesandt, sondern zu einer Witwe nach Sarepta im Gebiet von Sidon.

27 Und zur Zeit des Propheten Elischa gab es viele Aussätzige in Israel. Doch keiner von ihnen wurde geheilt, nur der Syrer Naaman."

28 Als sie das hörten, wurden alle in der Synagoge mit Zorn erfüllt.

29 Sie sprangen auf, stießen ihn zur Stadt hinaus und drängten ihn bis an den Rand des Berges, auf dem ihre Stadt erbaut war, um ihn hinabzustürzen.

30 Er aber schritt mitten zwischen ihnen hindurch und ging fort.

 

Heilung eines Besessenen

31 Er ging hinab nach Kafarnaum, einer Stadt in Galiläa, und lehrte dort am Sabbat.

32 Und sie gerieten außer sich über seine Lehre, denn seine Worte waren voller Macht.

33 In der Synagoge war ein Mann mit einem unreinen Geist. Er schrie mit lauter Stimme:

34 "Was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazaret? Bist du gekommen, uns zu verderben? Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes."

35 Jesus drohte ihm und gebot: "Schweig und fahre aus von ihm!" Da warf ihn der Dämon in die Mitte und fuhr von ihm aus, ohne ihm Schaden zuzufügen.

36 Staunen ergriff alle, und sie sagten zueinander: "Welch ein Wort! Mit gewaltiger Macht gebietet er den unreinen Geistern, und sie fahren aus!"

37 Sein Ruf verbreitete sich in der ganzen Gegend.

 

Im Haus des Petrus

38 Von der Synagoge aus begab er sich in das Haus des Simon. Die Schwiegermutter des Simon war von schwerem Fieber befallen, und sie baten für sie.

39 Er beugte sich über sie, gebot dem Fieber, und es wich von ihr. Sofort erhob sie sich und bediente sie.

40 Als die Sonne untergegangen war, brachten alle ihre mit verschiedenen Leiden behafteten Kranken zu ihm. Er legte einem jeden von ihnen die Hände auf und heilte sie.

41 Von vielen fuhren auch Dämonen aus, die laut schrien: "Du bist der Sohn Gottes." Er aber drohte ihnen und ließ sie nicht zu Wort kommen; denn sie wußten, daß er der Messias war.

 

In der Umgebung von Kafarnaum

42 Nach Tagesanbruch ging er fort und begab sich hinaus an einen einsamen Ort. Doch die Volksscharen suchten ihn. Als sie ihn trafen, wollten sie ihn daran hindern, fortzugehen.

43 Er aber sagte zu ihnen: "Auch den anderen Städten muß ich die Frohbotschaft vom Reich Gottes verkünden; denn dazu bin ich gesandt."

44 Und er predigte in den Synagogen Judäas.

 

Kapitel 5: Predigt vom Boot aus

1 Jesus stand am See Gennesaret. Das Volk umdrängte ihn, um das Wort Gottes zu hören.

2 Da sah er zwei Boote am Ufer liegen. Die Fischer waren ausgestiegen und reinigten die Netze.

3 Er stieg in eines der Boote, das dem Simon gehörte, und bat ihn, ein wenig vom Land abzustoßen. Dann setzte er sich nieder und lehrte die Volksscharen vom Boot aus.

 

Der reiche Fischfang

4 Als er seine Rede beendet hatte, sagte er zu Simon: "Fahrt hinaus zum tiefen Wasser und werft eure Netze zum Fang aus."

5 Simon entgegnete ihm: "Meister, die ganze Nacht haben wir uns abgemüht und haben nichts gefangen. Aber auf dein Wort hin will ich die Netze auswerfen."

6 Das taten sie und fingen eine große Menge Fische; ihre Netze drohten sogar zu reißen.

7 Da winkten sie ihren Gefährten in dem anderen Boot, sie möchten kommen und ihnen helfen. Sie kamen auch. Und man füllte beide Boote, so daß sie fast versanken.

8 Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagte: "Herr, geh hinweg von mir; denn ich bin ein sündiger Mensch!"

9 Denn Schrecken hatte ihn und alle seine Begleiter erfaßt wegen des Fischfanges, den sie gemacht hatten;

10 ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, die Simons Teilhaber waren. Da sagte Jesus zu Simon: "Fürchte dich nicht! Von nun an sollst du Menschenfischer sein."

11 Da zogen sie die Boote an Land, verließen alles und folgten ihm.

 

Heilung eines Aussätzigen

12 In einer Stadt, in der Jesus sich aufhielt, war ein Mann, dessen ganzer Körper vom Aussatz bedeckt war. Sobald er Jesus erblickte, fiel er auf sein Angesicht nieder und bat ihn: "Herr, wenn du willst, kannst du mich rein machen."

13 Er streckte die Hand aus, rührte ihn an und sagte: "Ich will. Sei rein!" Sogleich wich der Aussatz von ihm.

14 Er verbot ihm aber, es irgend jemand zu sagen, und sagte: "Geh vielmehr hin, stelle dich dem Priester, und bringe für deine Reinigung das Opfer dar, wie es Mose vorgeschrieben hat; das diene ihnen zum Zeugnis."

15 Die Kunde von ihm breitete sich immer weiter aus. In Scharen strömten die Leute zusammen, um ihn zu hören und sich von ihren Krankheiten heilen zu lassen.

16 Er aber hielt sich zurückgezogen in der Einsamkeit auf und betete.

 

Heilung eines Gelähmten

17 Eines Tages lehrte er. (Unter den Zuhöreren) saßen auch Pharisäer und Gesetzeslehrer, die aus allen Dörfern Galiläas und Judäas und aus Jerusalem gekommen waren; und die Kraft des Herrn trieb ihn an, zu heilen.

18 Da brachten Männer auf einer Tragbahre einen Gelähmten und versuchten, ihn ins Haus hineinzubringen und vor ihn hinzulegen.

19 Wegen der Volksmenge aber wußten sie nicht, wie sie ihn hineinbringen sollten. So stiegen sie auf das Dach und ließen ihn mitsamt der Tragbahre durch die Ziegel hinab, gerade vor Jesus hin.

20 Als er ihren Glauben sah, sagte er: "Mensch, deine Sünden sind dir vergeben."

21 Da fragten sich die Schriftgelehrten und Pharisäer: "Wer ist dieser, der da Lästerungen ausstößt? Wer kann Sünden vergeben als Gott allein?"

22 Jesus durchschaute ihre Gedanken und sagte zu ihnen: "Was denkt ihr in euren Herzen?

23 Was ist leichter zu sagen: deine Sünden sind dir vergeben, oder zu sagen: Steh auf und geh umher?

24 Ihr sollt aber wissen, daß der Menschensohn die Macht hat, auf Erden Sünden zu vergeben." Und er sagte zu dem Gelähmten: "Ich befehle dir, steh auf, nimm deine Tragbahre und geh nach Hause!"

25 Sogleich erhob er sich vor ihren Augen, nahm die Tragbahre, auf der er gelegen hatte, und ging, Gott preisend, nach Hause.

26 Da gerieten alle ganz außer sich; sie lobten Gott, und furchterfüllt sagten sie: "Wir haben heute Unglaubliches gesehen!"

 

Berufung des Levi

27 Danach ging er hinaus und sah einen Zöllner, namens Levi, an der Zollstätte sitzen. Er sagte zu ihm: "Folge mir!"

28 Er verließ alles, machte sich auf und folgte ihm.

29 Levi veranstaltete in seinem Haus ein großes Gastmahl für ihn. Eine große Menge von Zöllnern und anderen waren mit ihnen bei Tisch.

30 Darüber murrten die Pharisäer und ihre Schriftgelehrten und sagten zu seinen Jüngern: "Warum eßt und trinkt ihr mit Zöllnern und Sündern?"

31 Jesus erwiderte ihnen: "Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken.

32 Ich bin nicht gekommen, um Gerechte zur Umkehr zu rufen, sondern Sünder."

 

Fastenfrage

33 Sie sagten zu ihm: "Die Jünger des Johannes wie auch die der Pharisäer fasten häufig und verrichten Gebete, deine aber essen und trinken."

34 Jesus entgegnete ihnen: "Könnt ihr die Hochzeitsgäste zum Fasten anhalten, während der Bräutigam bei ihnen weilt?

35 Es werden aber Tage kommen, da der Bräutigam ihnen entrissen wird. Dann, in jenen Tagen, werden sie fasten."

36 Er trug ihnen auch ein Gleichnis vor und sagte: "Niemand reißt einen Flicken von einem neuen Kleid ab und setzt ihn auf ein altes Kleid; sonst zerreißt er das neue Kleid, und der Flicken vom neuen paßt nicht zum alten Kleid.

37 Auch füllt niemand neuen Wein in alte Schläuche ab; sonst sprengt der neue Wein die Schläuche; er läuft aus, und die Schläuche sind verdorben.

38 Neuen Wein muß man in neue Schläuche füllen.

39 Und niemand, der alten Wein getrunken hat, mag gern neuen. Er sagt nämlich: Der alte ist besser."

 

Kapitel 6: Ährenrupfen am Sabbat

1 An einem Sabbat ging er durch Kornfelder. Seine Jünger rupften Ähren ab, zerrieben sie mit den Händen und aßen sie.

2 Da sagten einige Pharisäer: "Warum tut ihr, was am Sabbat nicht erlaubt ist?"

3 Jesus entgegnete ihnen: "Habt ihr nicht gelesen, was David tat, als ihn und seine Begleiter hungerte,

4 wie er in das Haus Gottes ging, die Schaubrote, die doch nur die Priester essen dürfen, nahm und aß und auch seinen Begleitern davon gab?"

5 Und er sagte zu ihnen: "Der Menschensohn ist Herr auch über den Sabbat."

 

Heilung am Sabbat

6 An einem anderen Sabbat ging er in die Synagoge und lehrte. Es war dort ein Mann, dessen rechte Hand verdorrt war.

7 Die Schriftgelehrten und Pharisäer aber beobachteten ihn, ob er am Sabbat heile, um einen Grund zu finden, ihn anzuklagen.

8 Doch er erkannte ihre Gedanken und sagte zu dem Mann mit der verdorrten Hand: "Steh auf und stelle dich in die Mitte!" Er stand auf und stellte sich hin.

9 Da sagte Jesus zu ihnen: "Ich frage euch: Ist es erlaubt, am Sabbat Gutes zu tun oder Böses, ein Leben zu retten oder umkommenzulassen?"

10 Er schaute sie alle ringsum an und sagte zu dem Mann: "Strecke deine Hand aus!" Er tat es, und seine Hand ward wiederhergestellt.

11 Sie aber wurden von sinnloser Wut erfüllt und besprachen miteinander, was sie Jesus wohl antun könnten.

 

Apostelwahl und weiteres Wirken Jesu

Wahl der zwölf Apostel

12 In jenen Tagen ging er hinaus auf einen Berg, um zu beten. Die ganze Nacht brachte er im Gebet mit Gott zu.

13 Als es Tag geworden war, rief er seine Jünger herbei und wählte zwölf von ihnen aus, die er auch Apostel nannte:

14 Simon, dem er den Beinamen Petrus gab, und dessen Bruder Andreas; ferner Jakobus und Johannes, Philippus und Bartholomäus,

15 Matthäus und Thomas, Jakobus – den (Sohn) des Alphäus – und Simon, genannt "der Zelot",

16 Judas – den (Sohn) des Jakobus – und Judas Iskariot, der der Verräter wurde.

 

Die Bergpredigt

17 Mit ihnen stieg er hinab und machte auf einem ebenen Platz halt. Eine große Schar seiner Jünger und eine zahlreiche Menge des Volkes aus ganz Judäa, Jerusalem und dem Küstenland von Tyrus und Sidon hatte sich eingefunden.

18 Sie waren gekommen, um ihn zu hören und von ihren Krankheiten geheilt zu werden. Auch die von unreinen Geistern Geplagten wurden geheilt.

19 Alles Volk suchte ihn zu berühren, denn eine Kraft ging von ihm aus und heilte alle.

20 Er richtete seine Augen auf seine Jünger und sagte: "Selig ihr Armen, euer ist das Reich Gottes.

21 Selig, die ihr jetzt hungert, ihr werdet gesättigt werden. Selig, die ihr jetzt weint, ihr werdet lachen.

22 Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen, wenn sie euch verstoßen und schmähen und euren Namen schlechtmachen um des Menschensohnes willen!

23 Freut euch an jenem Tag und frohlockt; denn seht, groß ist euer Lohn im Himmel. Ihre Väter haben es ja mit den Propheten ebenso gemacht.

24 Aber wehe euch, ihr Reichen! Ihr habt schon euren Trost.

25 Wehe euch, die ihr jetzt satt seid! Ihr werdet hungern. Wehe euch, die ihr jetzt lacht! Ihr werdet trauern und weinen.

26 Wehe, wenn alle Welt euch umschmeichelt! Ihre Väter haben es ja mit den falschen Propheten ebenso gemacht.

 

Feindesliebe

27 Euch aber, die ihr mir zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde, tut Gutes denen, die euch hassen,

28 segnet, die euch fluchen und betet für die, die euch mißhandeln.

29 Schlägt dich jemand auf die eine Wange, so halte ihm auch die andere hin. Nimmt dir jemand den Mantel, so laß ihm auch das Hemd.

30 Wer dich bittet, dem gib. Wer dir etwas wegnimmt, von dem fordere es nicht zurück.

31 Wie ihr von den Menschen behandelt sein wollt, so behandelt auch sie.

32 Wenn ihr nur jene liebt, die euch lieben, welcher Lohn steht euch zu? Auch die Sünder lieben die, von denen sie geliebt werden.

33 Wenn ihr nur denen Gutes tut, die euch Gutes tun, welcher Lohn steht euch zu? Dasselbe tun ja auch die Sünder.

34 Wenn ihr nur denen leiht, von denen ihr hofft, es zurückzuerhalten, welcher Lohn steht euch zu? Auch die Sünder leihen einander, um das Gleiche dafür wiederzuerhalten.

35 Liebt vielmehr eure Feinde, tut Gutes und leiht, ohne etwas zurückzuerwarten. Und euer Lohn wird groß sein, und ihr werdet Kinder des Allerhöchsten sein; denn er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.

36 Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist.

 

Warnung vor freventlichem Urteil

37 Richtet nicht, dann werdet ihr nicht gerichtet. Verurteilt nicht, dann werdet ihr nicht verurteilt. Vergebt, so wird euch vergeben.

38 Gebt, so wird euch gegeben: ein gutes, volles, gerütteltes und überfließendes Maß wird man euch in den Schoß schütten. Denn mit dem Maß, mit dem ihr meßt, wird euch wieder zugemessen werden."

39 Er trug ihnen auch ein Gleichnis vor: "Kann wohl ein Blinder einen Blinden führen? Fallen nicht beide in die Grube?

40 Der Jünger steht nicht über dem Meister; jeder, der ausgelernt hat, wird sein wie sein Meister.

41 Was siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, den Balken aber in deinem eigenen Auge bemerkst du nicht?

42 Wie kannst du zu deinem Bruder sagen: 'Bruder, laß mich den Splitter aus deinem Auge ziehen', wenn du selbst den Balken in deinem Auge nicht siehst? Du Heuchler, ziehe zuvor den Balken aus deinem Auge, dann magst du sehen, wie du den Splitter aus dem Auge deines Bruders herausziehst!

43 Ein guter Baum trägt keine schlechte Frucht, ein schlechter Baum hingegen trägt keine gute Frucht.

44 Jeden Baum erkennt man an seiner besonderen Frucht. Von Disteln pflückt man keine Feigen, und vom Dornbusch liest man keine Trauben.

45 Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz seines Herzen Gutes hervor; der böse dagegen bringt aus dem bösen [Schatz] Böses hervor. Denn wovon das Herz voll ist, davon redet der Mund.

 

Gleichnis vom Hausbau

46 Was nennt ihr mich: 'Herr, Herr!' und tut nicht, was ich sage?

47 Ich will euch zeigen, wem der gleicht, der zu mir kommt, meine Worte hört und sie befolgt.

48 Er gleicht einem Mann, der ein Haus baute, tief grub und die Grundmauer auf den Felsen setzte. Als nun Hochwasser kam, prallte die Flut gegen jenes Haus, vermochte es jedoch nicht zu erschüttern, weil es gut gebaut war.

49 Wer dagegen meine Worte hört, aber nicht befolgt, gleicht einem Mann, der sein Haus ohne Grundmauer auf die Erde hinbaute. Als die Flut dagegenprallte, fiel es sogleich zusammen; der Einsturz jenes Hauses war gewaltig.

 

Kapitel 7: Der Hauptmann von Kafarnaum

1 Nachdem er alle seine Reden vor dem Volk beendet hatte, begab er sich nach Kafarnaum.

2 Der Knecht eines Hauptmanns, der diesem teuer war, war krank und lag im Sterben.

3 Da er von Jesus gehört hatte, sandte er Älteste der Juden mit der Bitte zu ihm, er möge kommen und seinen Knecht gesund machen.

4 Sie kamen zu Jesus und baten ihn inständig und sagten: "Er verdient es, daß du ihm dies gewährst;

5 denn er liebt unser Volk und hat uns die Synagoge erbaut."

6 Jesus ging mit ihnen. Als er nicht mehr weit vom Haus entfernt war, ließ der Hauptmann ihm durch Freunde sagen: "Herr, bemühe dich nicht; denn ich bin nicht würdig, daß du eingehst unter mein Dach.

7 Deshalb habe ich mich auch nicht für würdig gehalten, zu dir zu kommen. Aber sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.

8 Denn auch ich bin ein Mann, der unter Befehl gestellt ist, doch Soldaten unter sich hat. Sage ich diesem: Geh, so geht er; zu einem anderen: Komm, so kommt er; und zu meinem Knecht: Tu das, so tut er es."

9 Als Jesus das hörte, wunderte er sich über ihn. Er wandte sich um und sagte zu dem Volk, das ihn begleitete: "Ich sage euch, selbst in Israel habe ich so großen Glauben nicht gefunden."

10 Als die Boten nach Hause zurückkamen, fanden sie den Knecht, der krank gewesen war, gesund.

 

Der Jüngling von Naïn

11 Hernach kam er in eine Stadt mit Namen Naïn. Seine Jünger und zahlreiches Volk zogen mit ihm.

12 Als er sich dem Stadttor näherte, trug man gerade einen Toten heraus, den einzigen Sohn seiner Mutter; sie war eine Witwe. Viel Volk aus der Stadt war mit ihr.

13 Als der Herr sie sah, ward er von Mitleid mit ihr ergriffen und sagte zu ihr: "Weine nicht!"

14 Dann trat er hinzu und berührte die Bahre; die Träger blieben stehen. Und er sagte: "Jüngling ich sage dir, steh auf!"

15 Da setzte sich der Tote auf und begann zu sprechen. Und er gab ihn seiner Mutter.

16 Alle ergriff Furcht. Sie priesen Gott und sagten: "Ein großer Prophet ist unter uns aufgestanden" und: "Gott hat sein Volk heimgesucht!"

17 Die Kunde davon verbreitete sich in ganz Judäa und im ganzen Umland.

 

Die Gesandtschaft des Täufers

18 Von all dem erhielt Johannes durch seine Jünger Nachricht. Da rief Johannes zwei seiner Jünger zu sich,

19 sandte sie zum Herrn und ließ fragen: "Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir einen anderen erwarten?"

20 Die Männer kamen zu ihm und sagten: "Johannes der Täufer sendet uns zu dir und läßt fragen: Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir einen andern erwarten?"

21 In jener Zeit heilte er gerade viele von Krankheiten, Leiden und bösen Geistern und schenkte vielen Blinden das Augenlicht.

22 Als Antwort sagte er zu ihnen: "Geht und berichtet Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen wieder, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote werden auferweckt, Armen wird die Frohbotschaft verkündet.

23 Und selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt."

 

Jesu Zeugnis für den Täufer

24 Als die Boten des Johannes weggegangen waren, begann er zu den Volksscharen über Johannes zu sprechen. Er sagte: "Wozu seid ihr in die Wüste hinausgezogen? Ein Schilfrohr zu sehen, das vom Winde hin und her bewegt wird?

25 Oder seid ihr hinausgezogen, einen Mann in feinen Kleidern zu sehen? Nein, Leute, die prächtige Kleider tragen und in Luxus leben, sind an den Höfen der Könige.

26 Wozu seid ihr also hinausgezogen? Einen Propheten zu sehen? Ja, ich sage euch, noch mehr als einen Propheten.

27 Dieser ist es, von dem geschrieben steht: 'Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, daß er deinen Weg vor dir bereite.'

28 Ich sage euch: Unter den von Frauen Geborenen gibt es keinen größeren als Johannes. – Aber der Geringste im Reich Gottes ist größer als er.

29 Alles Volk, das ihn hörte, und selbst die Zöllner erkannten Gottes Gerechtigkeit an und empfingen die Taufe des Johannes,

30 die Pharisäer und die Gesetzeslehrer hingegen mißachteten Gottes Ratschluß, indem sie sich nicht von ihm taufen ließen.

31 Mit wem soll ich nur die Menschen dieses Geschlechts vergleichen? Wem sind sie gleich?

32 Kindern gleichen sie, die auf dem Marktplatz sitzen und einander zurufen: 'Wir haben für euch auf der Flöte gespielt, aber ihr habt nicht getanzt; wir haben Klagelieder angestimmt, und ihr habt nicht geweint.'

33 Johannes der Täufer ist aufgetreten; er aß kein Brot und trank keinen Wein. Da sagt ihr: 'Er hat einen Dämon.'

34 Der Menschensohn ist aufgetreten; er ißt und trinkt. Da sagt ihr: 'Seht da den Schlemmer und Trinker, den Freund der Zöllner und Sünder!'

35 Und doch ist die Weisheit von allen ihren Kindern gerechtfertigt worden."

 

Die Sünderin

36 Ein Pharisäer bat ihn, bei ihm zu essen. Er ging in das Haus des Pharisäers und legte sich zu Tisch.

37 Eine Frau, die in der Stadt als Sünderin bekannt war, erfuhr, daß er im Haus des Pharisäers zu Tisch liege. Sie brachte ein Alabastergefäß mit Salböl,

38 und ließ sich weinend hinten zu seinen Füßen nieder. Mit ihren Tränen benetzte sie seine Füße und trocknete sie mit den Haaren ihres Hauptes. Dann küßte sie seine Füße und salbte sie mit dem Salböl.

39 Als der Pharisäer, der ihn geladen hatte, dies sah, dachte er bei sich: "Wenn dieser ein Prophet wäre, wüßte er, wer und was für eine Frau das ist, die ihn berührt – daß sie eine Sünderin ist!"

40 Jesus sagte zu ihm: "Simon, ich habe dir etwas zu sagen." Dieser erwiderte: "Sprich, Meister!"

41 Er sagte: "Ein Geldverleiher hatte zwei Schuldner. Der eine schuldete ihm fünfhundert Denare, der andere fünfzig.

42 Da sie nicht bezahlen konnten, erließ er es beiden. Wer von ihnen wird ihn nun mehr lieben?"

43 Simon antwortete: "Ich glaube, der, dem er die größere Summe geschenkt hat." Jesus sagte zu ihm: "Du hast richtig geurteilt."

44 Dann sagte er, der Frau zugewandt, zu Simon: "Siehst du diese Frau? Ich kam in dein Haus, und du gabst mir kein Wasser für die Füße; sie aber hat meine Füße mit ihren Tränen benetzt und mit ihren Haaren getrocknet.

45 Du gabst mir keinen Kuß; sie aber hat seit meinem Eintritt unaufhörlich meine Füße geküßt.

46 Du salbtest mein Haupt nicht mit Öl; sie aber hat meine Füße mit Salböl gesalbt.

47 Deshalb sage ich dir: Ihre vielen Sünden sind vergeben, weil sie viel Liebe gezeigt hat; wem aber weniger vergeben wird, der hat weniger Liebe."

48 Dann sagte er zu ihr: "Deine Sünden sind dir vergeben."

49 Da dachten die, die mit ihm zu Tisch lagen, bei sich: "Wer ist dieser, daß er sogar Sünden vergibt?"

50 Er aber sagte zu der Frau: "Dein Glaube hat dich gerettet. Geh hin in Frieden!"

 

Kapitel 8: In Jesu Gefolgschaft

1 Hierauf wanderte er von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf, predigte und verkündete die Frohbotschaft vom Reich Gottes. Bei ihm waren die Zwölf

2 sowie einige Frauen, die von bösen Geistern und Krankheiten geheilt worden waren: Maria mit dem Beinamen Magdalena, aus der sieben Dämonen ausgefahren waren,

3 ferner Johanna, die Frau des Chuzas, eines Verwalters des Herodes, Susanna und noch viele andere, die mit ihrem Vermögen für sie sorgten.

 

Gleichnis vom Sämann

4 Als viel Volk zusammenkam und die Leute aus allen Städten ihm zuströmten, sagte er in einem Gleichnis:

5 "Ein Sämann ging aus, seinen Samen zu säen. Beim Säen fiel einiges auf den Weg, wurde zertreten und die Vögel des Himmels pickten es auf.

6 Anderes fiel auf steinigen Grund; es ging zwar auf, verdorrte aber, weil es keine Feuchtigkeit hatte.

7 Anderes fiel mitten unter die Dornen. Die Dornen wuchsen mit auf und erstickten es.

8 Und anderes fiel auf gutes Erdreich, ging auf und trug hundertfältige Frucht." Bei diesen Worten rief er aus: "Wer Ohren hat zu hören, der höre!"

9 Da fragten ihn seine Jünger, was dieses Gleichnis bedeute.

10 Er antwortete: "Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu verstehen, den anderen werden sie nur in Gleichnissen dargeboten, damit sie sehend nicht sehen und hörend nicht verstehen.

 

Auslegung des Gleichnisses

11 Das aber bedeutet dieses Gleichnis: Der Same ist das Wort Gottes.

12 Die auf dem Weg sind jene, die es wohl hören; dann aber kommt der Teufel und nimmt das Wort aus ihrem Herzen weg, damit sie nicht glauben und gerettet werden.

13 Die auf dem steinigen Grund sind jene, die, wenn sie das Wort hören, es mit Freuden aufnehmen, aber nicht Wurzel fassen lassen. Sie glauben eine Zeitlang, und in der Zeit der Versuchung fallen sie ab.

14 Was unter die Dornen fiel, sind jene, die das Wort zwar hören, dann aber hingehen und es in den Sorgen, Reichtümern und Genüssen des Lebens ersticken und so keine reife Frucht bringen.

15 Was endlich auf gutes Erdreich fiel, sind jene, die das Wort hören, es in einem edlen und guten Herzen bewahren und Frucht bringen mit Beharrlichkeit.

 

Aufgabe der Jünger

16 Niemand zündet eine Lampe an und deckt sie mit einem Gefäß zu oder stellt sie unter das Lager, sondern setzt sie auf den Leuchter, damit die, die eintreten, das Licht sehen.

17 Denn nichts ist verborgen, was nicht offenbar, nichts geheim, was nicht bekannt würde und an den Tag käme.

18 Seht also zu, wie ihr hört! Denn wer hat, dem wird gegeben werden. Wer aber nicht hat, dem wird noch genommen werden, was er zu haben meint."

 

Jesu wahre Familie

19 Seine Mutter und seine Brüder kamen zu ihm, konnten aber wegen des Volkes nicht zu ihm gelangen.

20 Man meldete ihm: "Deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und wünschen dich zu sehen."

21 Er aber entgegnete ihnen: "Meine Mutter und meine Brüder sind jene, die das Wort Gottes hören und es befolgen."

 

Der Sturm auf dem See

22 Eines Tages stieg er mit seinen Jüngern in ein Boot und sagte zu ihnen: "Laßt uns an das andere Ufer des Sees hinüberfahren." Sie stießen vom Land ab.

23 Während sie dahinsegelten, schlief er ein. Da kam ein Wirbelsturm auf den See herab; sie nahmen viel Wasser über und gerieten in Gefahr.

24 Da traten sie heran, weckten ihn und riefen: "Meister, Meister, wir gehen unter!" Er aber erhob sich und herrschte den Wind und das tobende Wasser an: Sie legten sich, und es trat Stille ein.

25 Da sagte er zu ihnen: "Wo ist euer Glaube?" Voll Furcht und Staunen sagten sie zueinander: "Wer ist denn dieser? Er gebietet Sturm und Wasser, und sie gehorchen ihm!"

 

Der Besessene von Gerasa

26 Sie segelten hinab in das Gebiet der Gerasener, das Galiläa gegenüberliegt.

27 Kaum war er ans Land gestiegen, kam ihm aus der Stadt ein Mann entgegen, der von Dämonen besessen war. Schon lange Zeit trug er keine Kleider mehr und hielt sich nicht in einem Haus auf, sondern in Grabhöhlen.

28 Als er Jesus erblickte, warf er sich schreiend vor ihm nieder und rief mit lauter Stimme: "Was habe ich mit dir zu tun, Jesus, Sohn Gottes, des Allerhöchsten? Ich bitte dich, quäle mich nicht."

29 Er hatte nämlich dem unreinen Geist befohlen, aus dem Menschen auszufahren. – Schon lange hatte der Geist ihn in seiner Gewalt. Man hatte ihn schon mit Ketten und Fußfesseln gebunden, um ihn festzuhalten. Aber er zerriß die Fesseln und wurde vom Dämon in einsame Gegenden getrieben.

30 Jesus fragte ihn: "Wie heißt du?" Er sagte: "Legion." Denn viele Dämonen waren in ihn gefahren.

31 Sie baten ihn, ihnen doch nicht zu gebieten, in den Abgrund zu fahren.

32 Es weidete dort am Berg eine große Schweineherde. Sie baten ihn, er möge ihnen gestatten, in jene hineinzufahren. Er gestattete es ihnen.

33 Da fuhren die Dämonen von dem Menschen aus und fuhren in die Schweine. Und die Herde stürzte sich den Abhang hinab in den See und ertrank.

34 Als die Hirten sahen, was geschehen war, liefen sie davon und erzählten es in der Stadt und in den Dörfern.

35 Da zogen die Leute hinaus, um zu sehen, was vorgefallen war. Sie kamen zu Jesus und fanden den Mann, aus dem die Dämonen ausgefahren waren, bekleidet und vernünftig zu Jesu Füßen sitzen, und gerieten in Furcht.

36 Die Augenzeugen erzählten ihnen, wie der Besessene geheilt worden war.

37 Da bat ihn die ganze Menge aus der Gegend von Gerasa, von ihnen wegzugehen; denn große Furcht hatte sie gepackt. So stieg er in das Boot und fuhr zurück.

38 Der Mann, aus dem die Dämonen ausgefahren waren, bat ihn, bei ihm bleiben zu dürfen. Doch entließ er ihn mit den Worten:

39 "Kehre in dein Haus zurück und berichte, was Gott alles für dich getan hat." Er ging hin und verkündete in der ganzen Stadt, was Jesus alles für ihn getan hatte.

 

Die Tochter des Jaïrus

40 Als Jesus zurückkehrte, empfing ihn das Volk mit Freuden; denn alle warteten auf ihn.

41 Da kam ein Mann mit Namen Jaïrus, er war Vorsteher der Synagoge. Er fiel Jesus zu Füßen und bat ihn, in sein Haus zu kommen,

42 weil seine einzige Tochter, im Alter von etwa zwölf Jahren, im Sterben lag. Auf dem Weg dahin umdrängte ihn das Volk.

43 Und eine Frau, die seit zwölf Jahren an Blutfluß litt, ihr gesamtes Vermögen für Ärzte aufgewendet hatte, ohne bei einem Heilung finden zu können,

44 trat von hinten an ihn heran und berührte den Saum seines Gewandes. Auf der Stelle hörte ihr Blutfluß auf.

45 Jesus fragte: "Wer hat mich angerührt?" Da alle es verneinten, sagten Petrus und seine Gefährten: "Meister, die Volksmenge drängt und drückt dich."

46 Jesus aber sagte: "Es hat mich jemand angerührt, denn ich merkte, daß eine Kraft von mir ausging."

47 Da sah die Frau, daß sie nicht unbemerkt geblieben war, und kam zitternd herbei. Sie fiel vor ihm nieder und erzählte vor allem Volk, warum sie ihn angerührt habe und wie sie auf der Stelle geheilt worden sei.

48 Er aber sagte zu ihr: "Tochter, dein Glaube hat dich gesund gemacht. Geh in Frieden!"

49 Während er noch redete, kam jemand aus dem Haus des Synagogenvorstehers mit der Nachricht: "Deine Tochter ist tot, bemühe den Meister nicht weiter."

50 Jesus aber hörte es und sagte zu ihm: "Fürchte dich nicht! Glaube nur, dann wird sie gerettet."

51 Als er zum Haus kam, ließ er nur Petrus, Johannes und Jakobus sowie den Vater und die Mutter des Mädchens mit hinein.

52 Alle weinten und klagten um sie. Er aber sagte: "Weint nicht; sie ist nicht gestorben, sie schläft nur."

53 Da verlachten sie ihn; denn sie wußten, daß sie gestorben war.

54 Er aber faßte sie bei der Hand und rief: "Mädchen, steh auf!"

55 Da kehrte ihr Geist zurück und sie stand sogleich auf; und er ließ ihr zu essen geben.

56 Ihre Eltern gerieten außer sich. Er aber verbot ihnen, über das Geschehene jemandem zu erzählen.

 

Kapitel 9: Aussendung der Apostel

1 Er berief die zwölf Apostel zu sich und gab ihnen Gewalt und Macht über alle bösen Geister sowie zum Heilen von Krankheiten.

2 Dann sandte er sie aus, das Reich Gottes zu verkünden und die Kranken gesund zu machen,

3 und sagte zu ihnen: "Nehmt nichts mit auf den Weg, weder Stab noch Tasche noch Brot noch Geld; auch sollt ihr nicht zwei Hemden haben.

4 Bleibt in dem Haus, in dem ihr aufgenommen werdet, bis ihr von dort weiterzieht.

5 Wenn man euch aber nicht aufnimmt, dann zieht aus jener Stadt weiter und schüttelt selbst den Staub noch von euren Füßen ab zum Zeugnis gegen sie."

6 Sie machten sich auf den Weg und zogen von Ort zu Ort, verkündeten überall die Frohbotschaft und heilten die Kranken.

 

Herodes in Unruhe

7 Der Tetrarch Herodes erfuhr von all diesen Vorgängen und geriet in Unruhe, denn einige sagten: "Johannes ist von den Toten auferstanden,"

8 andere: "Elija ist erschienen," wieder andere: "Einer von den alten Propheten ist auferstanden."

9 Herodes sagte: "Johannes habe ich doch enthaupten lassen! Wer ist nun dieser, über den ich solche Dinge vernehme?" Und er hatte das Verlangen, ihn zu sehen.

 

Brotvermehrung

10 Die Apostel kehrten zurück und erzählten ihm alles, was sie ausgerichtet hatten. Da zog er sich mit ihnen ganz allein in eine Stadt namens Betsaida zurück.

11 Die Volksscharen merkten es jedoch und zogen ihm nach. Er nahm sie freundlich auf, sprach zu ihnen vom Reich Gottes und machte alle gesund, die der Heilung bedurften.

12 Schon ging der Tag zur Neige. Da traten die Zwölf heran und sagten zu ihm: "Entlasse das Volk! Sie mögen in die umliegenden Dörfer und Gehöfte gehen, um Obdach und Nahrung zu finden; denn wir sind hier an einem einsamen Ort."

13 Er entgegnete ihnen: "Gebt ihr ihnen zu essen!" Sie erwiderten: "Wir haben nur fünf Brote und zwei Fische; wir müßten hingehen und für dieses ganze Volk Nahrungsmittel kaufen."

14 Es waren nämlich ungefähr fünftausend Mann. Da sagte er zu seinen Jüngern: "Laßt sie sich in Gruppen zu etwa je fünfzig lagern!"

15 Sie taten so und ließen alle sich lagern.

16 Nun nahm er die fünf Brote und die zwei Fische, blickte zum Himmel auf und segnete sie, brach sie und gab sie den Jüngern, um sie dem Volk vorzusetzen.

17 Alle aßen und wurden satt. Von den übriggebliebenen Stücken hob man zwölf Körbe auf.

 

Bekenntnis des Petrus

18 Als er einmal allein betete und nur die Jünger bei ihm waren, fragte er sie: "Für wen halten mich die Leute?"

19 Sie antworteten: "Einige für Johannes den Täufer, andere für Elija, noch andere meinen, einer von den alten Propheten sei auferstanden."

20 Da fragte er sie: "Ihr aber, für wen haltet ihr mich?" Petrus gab zur Antwort: "Für den Messias Gottes."

21 Er verbot ihnen jedoch streng, dies irgend jemand zu sagen.

 

Jesus sagt sein Leiden voraus

22 Er fügte hinzu: "Es ist nötig, daß der Menschensohn vieles leidet und von den Ältesten, Hohenpriestern und Schriftgelehrten verworfen wird, daß er getötet und am dritten Tage auferweckt wird."

 

Nachfolge Jesu

23 Zu allen aber sagte er: "Wer mir nachfolgen will, verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach.

24 Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es retten.

25 Denn was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber sich selbst verliert oder Schaden erleidet?

26 Denn wer sich meiner und meiner Worte schämt, dessen wird der Menschensohn sich schämen, wenn er in seiner und seines Vaters und der heiligen Engel Herrlichkeit kommt.

27 Ich sage euch in Wahrheit: Von denen, die hier stehen, werden einige den Tod nicht kosten, bevor sie das Reich Gottes sehen."

 

Verklärung Jesu

28 Etwa acht Tage nach diesen Reden nahm er Petrus, Johannes und Jakobus mit sich und stieg auf den Berg, um zu beten.

29 Während er betete, veränderte sich das Aussehen seines Antlitzes, und seine Kleidung wurde strahlend weiß.

30 Und zwei Männer redeten mit ihm: Mose und Elija.

31 Sie erschienen in Lichtglanz und sprachen von seinem Ende, das er in Jerusalem erfüllen sollte.

32 Petrus und seine Gefährten wurden vom Schlaf übermannt. Als sie dann erwachten, sahen sie seine Herrlichkeit und die beiden Männer, die bei ihm standen.

33 Als diese von ihm scheiden wollten, sagte Petrus zu Jesus: "Meister, es ist gut, daß wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen: dir eine, Mose eine und Elija eine." Er wußte nicht, was er sagte.

34 Noch während er so redete, kam ein Wolke und überschattete sie. Sie gerieten in Furcht, als sie in die Wolke kamen.

35 Aus der Wolke aber rief eine Stimme: "Das ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören!"

36 Als die Stimme verhallt war, befand sich Jesus wieder allein. Sie schwiegen und erzählten in jenen Tagen niemand etwas von dem, was sie gesehen hatten.

 

Der besessene Knabe

37 Als sie am folgenden Tag vom Berg hinabstiegen, kam ihnen eine große Volksmenge entgegen.

38 Da rief ein Mann aus dem Volk: "Meister, ich bitte dich, schau auf meinen Sohn; er ist mein einziger.

39 Siehe, ein Geist packt ihn, dann schreit er plötzlich auf. Er zerrt ihn hin und her, daß er schäumt. Nur schwer läßt er von ihm ab und reibt ihn noch ganz auf.

40 Ich bat deine Jünger, ihn auszutreiben; doch sie vermochten es nicht."

41 Jesus entgegnete: "O ungläubiges und verkehrtes Geschlecht! Wie lange noch soll ich bei euch bleiben und euch ertragen? Führe deinen Sohn hierher!"

42 Noch während er herbeikam, riß und zerrte ihn der Dämon hin und her. Jesus drohte dem unreinen Geist, heilte den Knaben und gab ihn seinem Vater zurück.

43 Alle gerieten außer sich über die große Macht Gottes. Während sich alle über all seine Taten wunderten, sagte er zu seinen Jüngern:

 

Jesus sagt aufs neue sein Leiden voraus

44 "Prägt euch diese Worte gut ein: Der Menschensohn wird in die Hände der Menschen überliefert werden."

45 Allein sie verstanden dieses Wort nicht, es blieb ihnen verhüllt, so daß sie es nicht faßten; doch scheuten sie sich, ihn hierüber zu fragen.

 

Rangstreit der Jünger

46 Es kam ihnen der Gedanke in den Sinn, wer von ihnen wohl der Größte sei.

47 Da Jesus aber die Gedanken ihres Herzens kannte, nahm er ein Kind, stellte es neben sich

48 und sagte zu ihnen: "Wer dieses Kind in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat. Denn wer unter euch allen der Kleinste ist, der ist groß."

49 Johannes berichtete: "Meister, wir haben gesehen, wie einer in deinem Namen Dämonen austrieb, und suchten ihn daran zu hindern, weil er dir nicht zusammen mit uns folgt."

50 Jesus erwiderte ihm: "Hindert ihn nicht! Denn wer nicht gegen euch ist, der ist für euch."

 

Jesus auf der Wanderung nach Jerusalem

Unterweisung der Jünger in der Nachfolge Jesu

Die ungastlichen Samariter

51 Als die Tage seiner Aufnahme näherkamen, faßte Jesus den Entschluß, nach Jerusalem zu reisen.

52 Er sandte Boten vor sich her. Die machten sich auf den Weg und kamen in eine Ortschaft der Samariter, um eine Unterkunft für ihn zu bereiten.

53 Aber man nahm ihn nicht auf, weil er nach Jerusalem unterwegs war.

54 Als die Jünger Jakobus und Johannes dies sahen, sagten sie: "Herr, willst du, daß wir befehlen, Feuer falle vom Himmel und verzehre sie?"

55 Er aber wandte sich um und wies sie zurecht, [mit den Worten: "Ihr wißt nicht, wes Geistes ihr seid.

56 Der Menschensohn ist nicht gekommen, Seelen zu verderben, sondern zu retten"]. – Und sie gingen in ein anderes Dorf.

 

Unvollkommene Jünger

57 Während sie des Weges dahinzogen, sagte einer zu ihm: "Ich will dir folgen, wohin du auch gehst."

58 Jesus erwiderte ihm: "Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester. Der Menschensohn aber hat keine Stätte, wohin er sein Haupt legen könnte."

59 Einen anderen forderte er auf: "Folge mir!" Der entgegnete: "Herr, laß mich zuvor hingehen und meinen Vater begraben."

60 Jesus erwiderte ihm: "Laß die Toten ihre Toten begraben; du aber geh und verkünde das Reich Gottes."

61 Wieder ein anderer sagte: "Ich will dir folgen, Herr, doch erlaube mir erst, Abschied zu nehmen von denen in meinem Haus."

62 Jesus erwiderte ihm: "Keiner, der seine Hand an den Pflug legt und zurückschaut, ist tauglich für das Reich Gottes."

 

Kapitel 10: Die zweiundsiebzig Jünger

1 Danach bestimmte der Herr noch zweiundsiebzig andere und sandte sie zu zweien vor sich her in alle Städte und Ortschaften, wohin er selbst zu kommen gedachte.

2 Er sagte zu ihnen: "Die Ernte ist groß, aber der Arbeiter sind wenige. Bittet darum den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter in seine Ernte sende.

3 Geht hin! Seht, ich sende euch wie Lämmer mitten unter die Wölfe.

4 Nehmt weder Beutel noch Tasche noch Sandalen mit und grüßt niemand unterwegs.

5 Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt zuerst: Friede sei diesem Haus!

6 Wenn dort ein Kind des Friedens wohnt, so wird euer Friede auf ihm ruhen; andernfalls wird er zu euch zurückkehren.

7 Bleibt in jenem Haus, eßt und trinkt, was sie anbieten; denn der Arbeiter ist seines Lohnes wert. Wechselt nicht von einem Haus zum anderen.

8 Wenn ihr in eine Stadt kommt und man euch aufnimmt, so eßt, was man euch vorsetzt,

9 heilt die Kranken, die dort sind, und verkündet: 'Das Reich Gottes hat sich euch genaht.'

10 Wenn ihr aber in eine Stadt kommt und man euch nicht aufnimmt, so geht auf ihre Straßen hinaus und sagt:

11 'Selbst den Staub eurer Stadt, der sich an unsere Füße geheftet hat, schütteln wir auf euch ab; aber wissen sollt ihr: Das Reich Gottes ist nahe.'

12 Ich sage euch: Sodom wird es an jenem Tag erträglicher ergehen als jener Stadt.

 

Die unbußfertigen Städte

13 Weh dir, Chorazin! Weh dir, Betsaida! Denn wären in Tyrus und Sidon die Machttaten geschehen, die bei euch geschehen sind, sie hätten schon längst in Sack und Asche Buße getan.

14 Doch Tyrus und Sidon wird es im Gericht erträglicher ergehen als euch.

15 Und du, Kafarnaum, wirst du wohl bis zum Himmel erhoben werden? Bis in die Unterwelt sollst du hinabgestoßen werden!

16 Wer euch hört, der hört mich; wer euch verwirft, der verwirft mich; wer aber mich verwirft, der verwirft den, der mich gesandt hat."

 

Rückkehr der Jünger

17 Voll Freude kehrten die zweiundsiebzig zurück und berichteten: "Herr, selbst die Dämonen sind uns in deinem Namen untertan."

18 Er entgegnete ihnen: "Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen.

19 Seht, ich habe euch Macht gegeben, auf Schlangen und Skorpione zu treten, ja Macht über alle feindliche Gewalt; nichts soll euch schaden können.

20 Doch sollt ihr euch nicht darüber freuen, daß die Geister euch untertan sind; freut euch vielmehr darüber, daß eure Namen aufgezeichnet sind im Himmel."

 

Jesu Jubelruf

21 In jener Stunde frohlockte er im Heiligen Geist und sagte: "Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, daß du dies vor Weisen und Klugen verborgen, Kleinen aber geoffenbart hast. Ja, Vater, so ist es dir wohlgefällig.

22 Alles ist mir von meinem Vater übergeben. Niemand weiß, wer der Sohn ist, als nur der Vater, und niemand weiß, wer der Vater ist, als nur der Sohn, und der, dem der Sohn es offenbaren will."

23 Dann wandte er sich an die Jünger und sagte: "Selig die Augen, die sehen, was ihr seht!

24 Denn ich sage euch: Viele Propheten und Könige wollten sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen, wollten hören, was ihr hört, und haben es nicht gehört."

 

Der barmherzige Samariter

25 Da erhob sich ein Gesetzeslehrer, um ihn auf die Probe zu stellen. Er fragte: "Meister, was muß ich tun, um ewiges Leben zu erlangen?"

26 Er sagte zu ihm: "Was steht im Gesetz geschrieben? Wie liest du?"

27 Jener antwortete: "Du sollst den Herrn deinen Gott lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele, mit allen deinen Kräften und mit deinem ganzen Denken, und deinen Nächsten wie dich selbst."

28 Er sagte zu ihm: "Richtig hast du geantwortet. Tu das, so wirst du leben."

29 Jener aber wollte sich rechtfertigen und fragte Jesus: "Wer ist denn mein Nächster?"

30 Da nahm Jesus das Wort und sagte: "Ein Mann ging von Jerusalem hinab nach Jericho und fiel unter Räuber. Die plünderten ihn aus, schlugen ihn, ließen ihn halbtot liegen und zogen ab.

31 Zufällig ging ein Priester denselben Weg hinab. Er sah ihn und ging vorüber.

32 Ebenso kam ein Levit dorthin, sah ihn und ging vorüber.

33 Ein Samariter aber, der auf seiner Reise vorbeikam, sah ihn, ward von Mitleid gerührt,

34 trat hinzu, goß Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie; dann hob er ihn auf sein Reittier, brachte ihn in eine Herberge und sorgte für ihn.

35 Am anderen Tag zog er zwei Denare heraus und gab sie dem Wirt mit den Worten: 'Sorge für ihn. Was du noch darüber aufwendest, werde ich dir auf meinem Rückweg bezahlen.'

36 Wer von diesen dreien ist nach deiner Meinung der Nächste dessen geworden, der unter die Räuber gefallen war?"

37 Jener antwortete: "Der an ihm Barmherzigkeit geübt hat." Und Jesus sagte zu ihm: "Geh hin und handle gleichermaßen!"

 

Maria und Marta

38 Auf ihrer Wanderung kehrte er in einem Dorf ein. Eine Frau namens Marta nahm ihn gastlich auf.

39 Sie hatte eine Schwester, mit Namen Maria. Die setzte sich zu Füßen des Herrn und lauschte seinen Worten.

40 Marta aber war mit der Bedienung völlig in Anspruch genommen. Sie trat hinzu und sagte: "Herr, kümmert es dich nicht, daß meine Schwester mir allein die Bedienung überläßt? Sag ihr doch, sie solle mir helfen."

41 Der Herr entgegnete ihr: "Marta, Marta, du sorgst und kümmerst dich um gar viele Dinge.

42 Nur eines aber ist notwendig. Maria hat sich fürwahr den besten Teil erwählt. Er wird ihr nicht genommen werden."

 

Kapitel 11: Das Vaterunser

1 Einst verweilte er an einem Ort im Gebet. Als er es beendet hatte, bat ihn einer von seinen Jüngern: "Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger zu beten gelehrt hat."

2 Da sagte er zu ihnen: "Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme.

3 Unser tägliches Brot gib uns heute.

4 Vergib uns unsere Sünden; denn auch wir vergeben allen unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung!"

 

Gleichnis vom zudringlichen Freund

5 Dann sagte er zu ihnen: "Einer von euch hat einen Freund. Zu dem geht er mitten in der Nacht und sagt ihm: 'Freund, leihe mir drei Brote,

6 denn ein Freund von mir ist von der Reise zu mir gekommen, und ich habe nichts, ihm vorzusetzen.'

7 Jener aber gibt von drinnen zur Antwort: 'Laß mich in Ruhe! Die Tür ist schon geschlossen, und meine Kinder sind bei mir in der Schlafkammer. Ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben.'

8 Ich sage euch: Wenn er auch nicht deshalb aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, so wird er doch wegen seiner Zudringlichkeit aufstehen und ihm geben, wieviel er braucht.

 

Erhörung des Gebetes

9 So sage ich euch: Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch aufgetan.

10 Denn jeder, der bittet, empfängt; wer sucht, der findet; wer anklopft, dem wird aufgetan.

11 Wenn ein Sohn einen von euch, der sein Vater ist, um Brot bittet, wird der ihm etwa einen Stein geben? Und wenn er um einen Fisch bittet, gibt er ihm etwa statt des Fisches eine Schlange?

12 Oder wenn er um ein Ei bittet, gibt er ihm etwa einen Skorpion?

13 Wenn nun ihr, obwohl ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wißt, wieviel mehr wird der Vater im Himmel Heiligen Geist denen geben, die ihn darum bitten!"

 

Böswillige Anschuldigungen

14 Er trieb einen Dämon aus, der stumm war. Als der Dämon ausgefahren war, konnte der Stumme sprechen. Und die Leute staunten.

15 Einige aber von ihnen sagten: "Durch Beelzebul, den Anführer der Dämonen, treibt er die Dämonen aus."

16 Andere stellten ihn auf die Probe und verlangten von ihm ein Zeichen vom Himmel.

17 Er aber durchschaute ihre Gedanken und sagte zu ihnen: "Jedes Reich, das in sich uneins ist, geht zugrunde, und ein Haus stürzt über das andere.

18 Wenn aber der Satan mit sich selbst uneins ist, wie soll da sein Reich Bestand haben? Ihr sagt, ich treibe die Dämonen durch Beelzebul aus.

19 Wenn nun ich die Dämonen durch Beelzebul austreibe, durch wen treiben dann eure Jünger sie aus? Sie werden darum eure Richter sein.

20 Wenn ich aber die Dämonen durch den Finger Gottes austreibe, dann ist das Reich Gottes zu euch gekommen.

21 Solange ein Starker bewaffnet seinen Hof bewacht, ist sein Eigentum in Sicherheit.

22 Sobald aber ein Stärkerer als er eindringt und ihn überwindet, dann nimmt er ihm die Waffenrüstung ab, auf die er sich verließ, und verteilt die Beute.

23 Wer nicht mit mir ist, ist gegen mich; wer nicht mit mir sammelt, zerstreut.

 

Rückfall in die Sünde

24 Wenn der unreine Geist vom Menschen ausgefahren ist, schweift er durch öde Steppen und sucht sich eine Ruhestätte. Findet er keine, so denkt er: 'Ich will in mein Haus zurückkehren, aus dem ich ausgezogen bin.'

25 Und er kommt zurück und findet es ausgefegt und geschmückt.

26 Da geht er hin und holt noch sieben andere Geister, die schlimmer sind als er selbst. Sie ziehen ein und lassen sich dort nieder. Und die letzten Dinge jenes Menschen werden schlimmer sein als die ersten."

 

Seligpreisung Marias

27 Während er so redete, rief eine Frau aus dem Volk ihm zu: "Selig der Leib, der dich getragen, und die Brust, die dich genährt hat!"

28 Er aber sagte: "Selig sind vielmehr, die das Wort Gottes hören und es befolgen!"

 

Zeichen des Jona

29 Als die Volksscharen weiter zusammenströmten, sagte er: "Dieses Geschlecht ist ein böses Geschlecht. Es verlangt ein Zeichen. Aber es wird ihm kein anderes Zeichen gegeben werden als das Zeichen des Jona.

30 Wie nämlich Jona für die Niniviten zum Zeichen wurde, wird es auch der Menschensohn für dieses Geschlecht sein.

31 Die Königin des Südens wird vor dem Gericht mit den Männern dieses Geschlechtes auftreten und sie verurteilen. Denn sie kam von den Enden der Welt, um auf Salomos Weisheit zu lauschen. Und hier ist mehr als Salomo!

32 Die Männer von Ninive werden mit diesem Geschlecht vor dem Gericht auftreten und es verurteilen. Denn sie haben sich auf die Predigt des Jona hin bekehrt. Und hier ist mehr als Jona!

 

Gleichnis vom Licht

33 Niemand zündet eine Lampe an und stellt sie in einen versteckten Winkel oder unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter, damit alle, die eintreten, den Lichtschein sehen.

34 Die Leuchte des Leibes ist dein Auge. Ist dein Auge gesund, so ist dein ganzer Leib im Licht. Ist es aber krank, so ist dein Leib in Finsternis.

35 Prüfe also, ob nicht etwa das Licht in dir Finsternis ist!

36 Wenn nun dein ganzer Leib im Licht ist und kein Teil im Dunkeln steht, so wird er ganz im Licht sein, wie wenn die Lampe dich mit ihrem Schein beleuchtet."

 

Strafrede gegen die Pharisäer

37 Während er noch redete, bat ihn ein Pharisäer, bei ihm zu speisen. Er ging hin und setzte sich zu Tisch.

38 Als der Pharisäer sah, daß er sich vor der Mahlzeit nicht erst wusch, wunderte er sich.

39 Da sagte der Herr zu ihm: "Nun, ihr Pharisäer, das Äußere des Bechers und der Schüssel reinigt ihr, euer Inneres aber ist voll Raubgier und Bosheit.

40 Ihr Toren, hat nicht der, der das Äußere schuf, auch das Innere geschaffen?

41 Gebt lieber das, was in den Schüsseln ist, als Almosen, dann ist euch alles rein.

42 Weh euch Pharisäern! Ihr gebt den Zehnten von Minze, Raute und jeglichem Gartengewächs, aber um Recht und Liebe zu Gott kümmert ihr euch nicht. Das eine soll man tun, das andere nicht unterlassen.

43 Weh euch Pharisäern! Ihr habt gern den Ehrenplatz in den Synagogen und wollt auf den öffentlichen Plätzen gegrüßt sein.

44 Weh euch, ihr gleicht unkenntlich gewordenen Gräbern, über die man hinschreitet, ohne es zu wissen!"

 

Strafrede gegen die Schriftgelehrten

45 Ein Gesetzeslehrer entgegnete ihm: "Meister, mit diesen Worten beleidigst du auch uns."

46 Da sagte er: "Weh auch euch Gesetzeslehrern! Ihr bürdet den Menschen unerträgliche Lasten auf, selbst aber rührt ihr die Lasten nicht mit einem Finger an.

47 Weh euch! Ihr baut den Propheten Grabmale, und eure Väter haben sie getötet;

48 also bezeugt und billigt ihr die Taten eurer Väter. – Jene haben sie getötet, und ihr baut ihnen Grabmale.

49 Darum auch hat die Weisheit Gottes gesagt: 'Ich will Propheten und Boten zu ihnen senden; von diesen werden sie die einen töten, die anderen verfolgen.'

50 Damit von diesem Geschlecht eingefordert werde das Blut aller Propheten, das seit Erschaffung der Welt vergossen ward:

51 vom Blut Abels angefangen bis zum Blut des Zacharias, der zwischen Altar und Tempel umgebracht wurde. Ja, ich sage euch: Es wird eingefordert werden von diesem Geschlecht!

52 Weh euch Gesetzeslehrern! Ihr habt den Schlüssel zur Erkenntnis weggenommen. Ihr selbst seid nicht eingetreten und habt die abgehalten, die eintreten wollten."

53 Als er von dort wegging, setzten ihm die Schriftgelehrten und Pharisäer heftig zu und überhäuften ihn mit vielerlei Fragen.

54 Dabei lauerten sie darauf, eine Äußerung aus seinem Munde aufzufangen und ihn daraufhin anklagen zu können.

 

Kapitel 12: Warnung vor Menschenfurcht

1 Inzwischen hatten sich Tausende aus dem Volk angesammelt, so daß sie einander auf die Füße traten. Da sagte er, zunächst zu seinen Jüngern: "Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer, das heißt vor der Heuchelei.

2 Nichts ist verhüllt, was nicht enthüllt, nichts verborgen, was nicht bekannt werden wird.

3 Darum wird man alles, was ihr im Dunkeln gesprochen habt, beim hellen Licht verkünden; was ihr in den Kammern ins Ohr geflüstert habt, wird man auf den Dächern verkünden.

 

Bekennermut

4 Ich sage euch, meinen Freunden: Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten können, aber weiter nichts vermögen.

5 Ich will euch zeigen, wen ihr fürchten sollt: Fürchtet den, der nach dem Tod die Macht hat, in die Hölle zu stürzen. Ja, ich sage euch: Den fürchtet!

6 Kauft man nicht fünf Spatzen für zehn Pfennige? Und doch ist keiner von ihnen von Gott vergessen.

7 Aber auch die Haare eures Hauptes sind alle gezählt. Fürchtet euch nicht! Ihr seid mehr wert als viele Spatzen.

8 Ich sage euch: Wer immer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem wird auch der Menschensohn sich vor den Engeln Gottes bekennen.

9 Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, der wird auch vor den Engeln Gottes verleugnet werden.

10 Wer immer ein Wort sagt wider den Menschensohn, dem wird vergeben werden; wer aber gegen den Heiligen Geist lästert, dem wird nicht vergeben werden.

11 Wenn man euch vor die Synagogen und vor die Obrigkeiten und Behörden schleppt, so macht euch keine Sorge, wie und womit ihr euch verteidigen oder was ihr sagen sollt.

12 Denn der Heilige Geist wird euch in jener Stunde lehren, was zu sagen nötig ist."

 

Warnung vor Habsucht

13 Einer aus dem Volk sagte zu ihm: "Meister, befiehl meinem Bruder, das Erbe mit mir zu teilen."

14 Er entgegnete ihm: "Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbteiler über euch gesetzt?"

15 Dann sagte er zu ihnen: "Seht zu und hütet euch vor aller Habsucht! Denn mag einer auch Überfluß haben, sein Leben ist durch seinen Besitz doch nicht gesichert."

16 Und er erzählte ihnen ein Gleichnis: "Der Acker eines reichen Mannes hatte guten Ertrag gebracht.

17 Da überlegte er bei sich: 'Was soll ich tun? Ich habe ja keinen Platz mehr, wo ich meine Früchte lagern könnte!

18 So will ich es machen', sagte er: 'Ich breche meine Scheunen ab und baue größere, in denen ich all meinen Weizen und meine Güter unterbringen kann.

19 Dann will ich zu meiner Seele sagen: Meine Seele, du hast großen Vorrat an Gütern auf viele Jahre. Setze dich zur Ruhe. Iß und trink und laß es dir gut gehen.'

20 Gott aber sagte zu ihm: 'Du Tor, noch diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern! Wem wird dann das gehören, was du aufgehäuft hast?'

21 So geht es dem, der für sich selbst Schätze sammelt, statt reich zu werden bei Gott."

 

Ängstliche Sorge

22 Zu seinen Jüngern aber sagte er: "Darum sage ich euch: Seid nicht ängstlich besorgt für das Leben, was ihr essen, noch für den Leib, was ihr anziehen sollt.

23 Denn das Leben ist mehr als die Nahrung, und der Leib mehr als die Kleidung.

24 Betrachtet die Raben! Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie haben weder Vorratskammer noch Scheune: Doch Gott ernährt sie. Wieviel mehr wert seid ihr als die Vögel!

25 Wer von euch vermag mit seinen Sorgen seine Lebenszeit nur um eine kleine Spanne zu verlängern?

26 Wenn ihr also nicht einmal das Geringste vermögt, was seid ihr um das Übrige ängstlich besorgt?

27 Betrachtet die Lilien! Wie sie wachsen! Sie mühen sich nicht ab, sie spinnen nicht. Ich sage euch aber: Selbst Salomo in all seiner Pracht war nicht so gekleidet wie eine von ihnen.

28 Wenn nun Gott das Gras, das heute auf dem Feld steht und morgen in den Ofen geworfen wird, so kleidet, wieviel mehr euch, ihr Kleingläubigen!

29 So fragt auch nicht, was ihr essen und was ihr trinken sollt, und beunruhigt euch nicht.

30 Nach all dem trachten die Völker der Welt. Euer Vater weiß doch, daß ihr dies nötig habt.

31 Sucht sein Reich, und dies wird euch hinzugegeben werden.

 

Himmlische Schätze

32 Fürchte dich nicht, du kleine Herde; denn es hat eurem Vater gefallen, euch das Reich zu geben.

33 Verkauft, was ihr habt, und gebt davon Almosen. Verschafft euch Beutel, die nicht veralten, einen unvergänglichen Schatz im Himmel, an den kein Dieb herankommt und den keine Motte zerstört.

34 Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.

 

Gleichnis von den wachsamen Knechten

35 Eure Hüften seien umgürtet und brennend die Lampen in euren Händen.

36 So sollt ihr Menschen gleichen, die auf ihren Herrn warten, bis er vom Hochzeitsmahl heimkehrt, um ihm, wenn er kommt und anklopft, sogleich zu öffnen.

37 Wohl den Knechten, die der Herr bei seiner Ankunft wachend findet! Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich gürten und sie Platz nehmen lassen und umhergehen, um sie zu bedienen.

38 Und wenn er erst um die zweite oder dritte Nachtwache kommt und sie so antrifft: dann wohl ihnen!

39 Das aber beachtet: Wenn der Hausherr wüßte, zu welcher Stunde der Dieb kommt, würde er sicher nicht zulassen, daß in sein Haus eingebrochen wird.

40 So haltet auch ihr euch bereit; denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr es nicht vermutet."

41 Da fragte Petrus: "Herr, beziehst du dieses Gleichnis nur auf uns oder auch auf alle anderen?"

42 Der Herr sagte: "Wer ist wohl der treue und verständige Verwalter, den der Herr über sein Gesinde stellt, damit er ihm zur rechten Zeit den Unterhalt reicht?

43 Wohl jenem Knecht, den der Herr bei seiner Heimkehr bei solcher Tätigkeit findet!

44 Wahrlich, ich sage euch: Er wird ihn über alle seine Güter setzen.

45 Wenn aber jener Knecht bei sich denkt: 'Mein Herr kommt noch lange nicht!'; – wenn er Knechte und Mägde schlägt, schmaust und zecht und sich berauscht,

46 so wird der Herr dieses Knechtes an einem Tage kommen, da er es nicht erwartet, zu einer Stunde, die er nicht kennt. Er wird ihn in Stücke hauen und ihm seinen Platz bei den Ungläubigen anweisen.

47 Jener Knecht, der den Willen seines Herrn zwar kennt, aber nicht danach handelt, wird viele Schläge erhalten.

48 Wer ihn dagegen nicht kennt, aber strafwürdig handelt, wird wenige Schläge erhalten. Wem viel gegeben ist, von dem wird viel gefordert; wem viel anvertraut ist, von dem wird um so mehr verlangt werden.

 

Scheidung der Geister

49 Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen, und wie wünschte ich, wenn es schon entzündet wäre!

50 Aber ich habe erst eine Taufe auf mich zu nehmen, und wie werde ich angefochten, bis sie vollzogen ist!

51 Glaubt ihr, ich sei gekommen, Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, sondern Zwiespalt.

52 Denn fortan werden fünf im gleichen Haus in Zwiespalt sein: drei gegen zwei und zwei gegen drei;

53 der Vater wird in Zwiespalt sein mit dem Sohn und der Sohn mit dem Vater, die Mutter mit der Tochter und die Tochter mit der Mutter, die Schwiegermutter mit der Schwiegertochter und die Schwiegertochter mit der Schwiegermutter."

 

Die Zeichen der Zeit

54 Alsdann sagte er zu den Volksscharen: "Wenn ihr im Westen eine Wolke aufsteigen seht, sagt ihr gleich: 'Es gibt Regen', und so trifft es ein.

55 Merkt ihr, daß der Südwind weht, so sagt ihr: 'Es wird heiß', und es trifft ein.

56 Ihr Heuchler! Das Aussehen der Erde und des Himmels wißt ihr zu beurteilen. Wie kommt es, daß ihr die Zeichen der Zeit nicht beurteilen könnt?

57 Warum prüft ihr nicht von selbst, was recht ist?

58 Wenn du mit deinem Gegner zur Obrigkeit gehst, so bemühe dich noch unterwegs, von ihm loszukommen. Sonst könnte er dich vor den Richter schleppen und der Richter dich dem Gerichtsdiener übergeben und der Gerichtsdiener dich in den Kerker werfen.

59 Ich sage dir: Du kommst von dort nicht heraus, bis du auch den letzten Heller bezahlt hast."

 

Kapitel 13: Mahnung zur Buße

1 In jener Zeit kamen einige und erzählten ihm von den Galiläern, deren Blut Pilatus vergossen hatte, während sie gerade opferten.

2 Er entgegnete Ihnen: "Meint ihr, diese Galiläer seien größere Sünder gewesen als die übrigen Galiläer, weil sie das erlitten haben?

3 Nein, sage ich euch. Doch wenn ihr euch nicht bekehrt, werdet ihr alle ebenso umkommen.

4 Oder meint ihr, jene achtzehn, die der Turm am Schiloach bei seinem Einsturz erschlug, seien schuldiger gewesen als die übrigen Bewohner Jerusalems?

5 Nein, sage ich euch. Doch wenn ihr euch nicht bekehrt, werdet ihr alle ebenso umkommen."

 

Der unfruchtbare Feigenbaum

6 Und er trug folgendes Gleichnis vor: "Einer hatte in seinem Weinberg einen Feigenbaum gepflanzt. Er kam und suchte Frucht an ihm, fand aber keine.

7 Da sagte er zum Winzer: 'Nun komme ich schon drei Jahre und suche Frucht an diesem Feigenbaum, finde aber keine. Hau ihn also um! Wozu soll er noch den Boden aussaugen?'

8 Aber jener erwiderte ihm: 'Herr, laß ihn noch dieses Jahr stehen. Ich will um ihn herum aufgraben und Dünger einlegen.

9 Vielleicht bringt er dann im kommenden Jahr Frucht; andernfalls magst du ihn aushauen lassen.'"

 

Die gekrümmte Frau

10 An einem Sabbat lehrte er in einer Synagoge.

11 Da war eine Frau, die schon achtzehn Jahre einen Geist des Siechtums hatte. Sie war ganz verkrümmt und konnte sich gar nicht mehr aufrichten.

12 Als Jesus sie erblickte, rief er sie herbei und sagte zu ihr: "Frau, du bist von deinem Siechtum erlöst."

13 Dabei legte er ihr die Hände auf. Sogleich richtete sie sich auf und pries Gott.

14 Voll Entrüstung darüber, daß Jesus am Sabbat geheilt hatte, sagte der Synagogenvorsteher zum Volk: "Sechs Tage sind da, an denen man arbeiten soll. An diesen also kommt und laßt euch heilen, aber nicht am Sabbat!"

15 Der Herr entgegnete ihm: "Ihr Heuchler! Bindet nicht jeder von euch am Sabbat seinen Ochsen oder Esel von der Krippe los und führt ihn zur Tränke?

16 Diese aber, eine Tochter Abrahams, die der Satan achtzehn Jahr lang gebunden hielt, sollte am Sabbat nicht von dieser Fessel gelöst werden dürfen?"

17 Bei diesen Worten schämten sich alle seine Gegner. Das ganze Volk hingegen freute sich über all die herrlichen Taten, die durch ihn geschahen.

 

Belehrungen über das Reich Gottes

Das Gleichnis vom Senfkorn und Sauerteig

18 Dann sagte er: "Wem ist das Reich Gottes gleich? Womit soll ich es vergleichen?

19 Es gleicht einem Senfkorn, das ein Mann nahm und in seinen Garten säte. Es wuchs auf und ward zu einem großen Baum, und die Vögel des Himmels wohnten in seinen Zweigen."

20 Weiter sagte er: "Womit soll ich das Reich Gottes vergleichen?

21 Es gleicht dem Sauerteig, den eine Frau nahm und unter drei Maß Mehl mengte, bis das Ganze durchsäuert war."

 

Die verschlossene Tür

22 So wanderte er lehrend durch Städte und Dörfer und setzte dabei seine Reise nach Jerusalem fort.

23 Da fragte ihn jemand: "Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden?" Er sagte zu ihnen:

24 "Bemüht euch, durch die enge Pforte einzutreten. Denn ich sage euch: Viele werden versuchen, einzutreten, es aber nicht vermögen.

25 Hat sich der Hausherr einmal erhoben und die Tür geschlossen, dann werdet ihr draußen stehen, an die Tür klopfen und rufen: 'Herr, mache uns auf!' – Doch er wird euch entgegnen: 'Ich weiß nicht, woher ihr seid.'

26 Alsdann werdet ihr sagen: 'Wir haben doch mit dir gegessen und getrunken; auf unsern Straßen hast du gelehrt.'

27 Er aber wird euch erklären: 'Ich sage euch, ich weiß nicht woher ihr seid. Hinweg von mir, all ihr Übeltäter!'

28 Da wird Heulen und Zähneknirschen sein, wenn ihr Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes sehen werdet, euch selbst aber davon ausgeschlossen seht.

29 Von Ost und West, von Nord und Süd werden sie kommen und im Reich Gottes zu Tisch sitzen.

30 So werden Letzte die Ersten, und Erste die Letzten sein."

 

Jesus und Herodes

31 Zu eben der Stunde kamen einige Pharisäer und sagten zu ihm: "Geh weg und entferne dich von hier; denn Herodes will dich töten."

32 Er aber erwiderte ihnen: "Geht hin und bestellt diesem Fuchs: 'Siehe, ich treibe Dämonen aus und vollbringe Heilungen heute und morgen: erst am dritten Tag bin ich damit fertig.

33 Aber heute, morgen und übermorgen muß ich wandern: denn es geht nicht an, daß ein Prophet anderswo als in Jerusalem den Tod findet.'

 

Klageruf über Jerusalem

34 Jerusalem, Jerusalem! Du mordest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft wollte ich deine Kinder sammeln wie eine Henne ihre Küchlein unter den Flügeln, aber ihr habt nicht gewollt!

35 Nun wird euch euer Haus überlassen. Ich sage euch aber: Ihr werdet mich nicht mehr sehen, bis die Zeit kommt, daß ihr ruft: 'Gepriesen sei, der da kommt, im Namen des Herrn!'"

 

Kapitel 14: Heilung eines Wassersüchtigen

1 Als er an einem Sabbat in das Haus eines vornehmen Pharisäers gegangen war, um zu essen, beobachteten sie ihn.

2 Da stand ein Mann vor ihm, der die Wassersucht hatte.

3 Jesus fragte die Gesetzeslehrer und Pharisäer: "Ist es erlaubt, am Sabbat zu heilen, oder nicht?"

4 Sie aber schwiegen. Da faßte er ihn an, heilte ihn und hieß ihn gehen.

5 Und zu ihnen sagte er: "Wenn einem von euch sein Sohn oder Ochse in eine Grube fällt, zieht er ihn dann nicht sofort heraus; auch an einem Sabbat?"

6 Dagegen konnten sie ihm nichts erwidern.

 

Der letzte Platz beim Gastmahl

7 Als er bemerkte, daß die Geladenen sich die ersten Plätze auswählten, trug er ihnen folgendes Gleichnis vor:

8 "Wenn du von jemand zu einem Hochzeitsmahl geladen bist, so setze dich nicht an den ersten Platz. Es könnte ja ein vornehmerer als du geladen sein,

9 und dein und sein Gastgeber könnte kommen und zu dir sagen: 'Mache diesem Platz!' – Dann müßtest du beschämt den letzten Platz einnehmen.

10 Nein, wenn du geladen bist, geh hin und setze dich an den letzten Platz. Dann wird dein Gastgeber kommen und zu dir sagen: Freund, rücke höher hinauf! Das wird dir vor allen, die mit dir zu Tisch sitzen, zur Ehre gereichen.

11 Denn jeder, der sich erhöht, wird erniedrigt, und wer sich erniedrigt, wird erhöht werden."

 

Arme Gäste

12 Zu seinem Gastgeber aber sagte er: "Wenn du ein Mittag- oder Abendmahl gibst, so lade nicht deine Freunde, deine Brüder, deine Verwandten oder reiche Nachbarn ein; sonst laden auch sie dich ein, und dir wird zurückgegeben.

13 Nein, wenn du ein Gastmahl gibst, so lade Bettler, Krüppel, Lahme und Blinde ein.

14 Selig wirst du sein! Denn sie können es dir nicht vergelten; es wird dir aber vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten."

 

Gleichnis vom großen Gastmahl

15 Als einer von den Tischgenossen das hörte, sagte er zu ihm: "Selig, wer teilnimmt am Mahl im Reich Gottes!"

16 Da sagte er zu ihm: "Ein Mann wollte ein großes Abendmahl veranstalten und hatte viele dazu eingeladen.

17 Zur Zeit des Abendmahles sandte er seinen Knecht aus, um den Geladenen zu sagen: 'Kommt, alles ist schon bereit.'

18 Da fingen sie allesamt an, sich zu entschuldigen. Der erste ließ ihm sagen: 'Ich habe Land gekauft und muß hingehen, es zu besichtigen. Ich bitte dich, halte mich für entschuldigt.'

19 Ein anderer sagte: 'Ich habe fünf Joch Ochsen gekauft und bin auf dem Weg, sie zu prüfen. Ich bitte dich, halte mich für entschuldigt.'

20 Ein dritter sagte: 'Ich habe mir eine Frau genommen und kann deshalb nicht kommen.'

21 Der Knecht kam zurück und berichtete dies seinem Herrn. Da ward der Hausherr zornig und befahl seinem Knecht: 'Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und hole die Bettler und Krüppel, die Blinden und Lahmen herein!'

22 Der Knecht meldete: 'Herr, dein Befehl ist ausgeführt, aber es ist noch Platz da.'

23 Da sagte der Herr zum Knecht: 'Geh hinaus an die Landwege und die Zäune und nötige die Leute hereinzukommen, damit mein Haus voll wird.

24 Ich sage euch aber: Keiner von den Männern, die geladen waren, soll an meinem Abendmahl teilnehmen.'"

 

Der Ernst der Nachfolge Christi

25 Große Volksscharen zogen mit ihm. Da wandte er sich um und sagte zu ihnen:

26 "Wenn jemand zu mir kommt, aber Vater und Mutter und Frau und Kind und Bruder und Schwester, ja sogar sich selbst nicht haßt, so kann er nicht mein Jünger sein.

27 Wer sein Kreuz nicht trägt und mir nachfolgt, kann nicht mein Jünger sein.

28 Wenn einer von euch einen Turm bauen will, setzt er sich da nicht zuvor hin und berechnet die Kosten, ob er auch die Mittel zur Ausführung hat?

29 Legte er nämlich den Grund und könnte nachher den Bau nicht vollenden, würden alle, die es sehen, über ihn spotten

30 und sagen: 'Dieser Mann fing einen Bau an und konnte ihn nicht zu Ende führen.'

31 Oder welcher König, der sich anschickt, mit einem anderen König Krieg zu führen, setzt sich nicht zuvor hin und überlegt, ob er mit zehntausend Mann dem entgegenzutreten vermag, der mit zwanzigtausend Mann gegen ihn anrückt?

32 Andernfalls schickt er eine Gesandtschaft ab, solange jener noch fern ist, und bittet um die Friedensbedingungen.

33 So kann auch keiner von euch mein Jünger sein, der nicht allem entsagt, was er besitzt.

34 Das Salz ist etwas Gutes. Wenn aber das Salz schal wird, womit soll man es dann würzen?

35 Weder für den Boden noch für den Dünger ist es brauchbar. Man wirft es hinaus. Wer Ohren hat zu hören, der höre!"

 

Kapitel 15: Gleichnis vom verlorenen Schaf

1 Alle Zöllner und Sünder nahten sich ihm, um ihn zu hören.

2 Da murrten die Pharisäer und die Schriftgelehrten und sagten: "Dieser nimmt sich der Sünder an und ißt mit ihnen."

3 Da trug er ihnen folgendes Gleichnis vor:

4 "Wenn einer von euch hundert Schafe besitzt und eins davon verliert, läßt er nicht die neunundneunzig anderen in der Einöde und geht dem verlorenen nach, bis er es findet?

5 Hat er es gefunden, nimmt er es voll Freude auf seine Schultern.

6 Und wenn er nach Hause kommt, ruft er Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: 'Freut euch mit mir. Ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war.'

7 Ich sage euch: Ebenso wird im Himmel größere Freude sein über einen Sünder, der sich bekehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die der Bekehrung nicht bedürfen.

 

Gleichnis von der verlorenen Drachme

8 Oder welche Frau, die zehn Drachmen besitzt und eine davon verliert, zündet nicht eine Lampe an, kehrt das Haus aus und sucht sorgfältig, bis sie die Drachme findet?

9 Und hat sie sie gefunden, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen zusammen und sagt: Freut euch mit mir. Ich habe die Drachme gefunden, die ich verloren hatte.

10 Ebenso, sage ich euch, ist bei den Engeln Gottes Freude über einen Sünder, der sich bekehrt."

 

Gleichnis vom verlorenen Sohn

11 Er fuhr fort: "Ein Mann hatte zwei Söhne.

12 Der jüngere von ihnen sagte zum Vater: 'Vater, gib mir den Anteil am Vermögen, der mir zukommt.' – Da verteilte er das Vermögen unter sie.

13 Wenige Tage später packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land. Dort verschwendete er sein Vermögen durch ein ausschweifendes Leben.

14 Als er alles durchgebracht hatte, kam über jenes Land eine schwere Hungersnot, und er fing an, Mangel zu leiden.

15 Da ging er hin und verdingte sich bei einem Bürger jenes Landes. Dieser schickte ihn auf seinen Landsitz, um die Schweine zu hüten.

16 Gern hätte er seinen Magen mit den Schoten gefüllt, die die Schweine fraßen; aber niemand gab sie ihm.

17 Da ging er in sich und sagte: 'Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben Brot im Überfluß, ich aber komme hier vor Hunger um!

18 Ich will mich aufmachen, zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir;

19 ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen; behandle mich wie einen deiner Tagelöhner.'

20 Er machte sich also auf und ging zu seinem Vater. Schon von weitem sah ihn sein Vater und ward von Erbarmen gerührt. Er eilte hin, fiel ihm um den Hals und küßte ihn.

21 Der Sohn aber sagte zu ihm: 'Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen.'

22 Doch der Vater befahl seinen Knechten: 'Schnell, bringt das beste Gewand heraus und zieht es ihm an. Gebt ihm einen Ring an die Hand und Sandalen an die Füße.

23 Und holt das Mastkalb und schlachtet es. Wir wollen ein Freudenmahl halten und fröhlich sein.

24 Denn dieser mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist gefunden worden.' – Und sie begannen ein Freudenfest.

25 Sein älterer Sohn war gerade auf dem Feld. Als er nun kam und sich dem Haus näherte, hörte er Musik und Tanz.

26 Er rief einen von den Knechten herbei und erkundigte sich, was das zu bedeuten habe.

27 Der sagte zu ihm: 'Dein Bruder ist heimgekommen. Da hat dein Vater das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn gesund zurückerhalten hat.'

28 Nun ward er zornig und wollte nicht hineingehen. Aber sein Vater kam heraus und redete im gut zu.

29 Er aber entgegnete dem Vater: 'Schon so viele Jahre diene ich dir und habe noch nie ein Gebot von dir übertreten. Aber mir hast du noch nie einen Ziegenbock gegeben, daß ich mit meinen Freunden hätte ein Freudenfest feiern können.

30 Als aber dieser da, dein Sohn, gekommen ist, nachdem er dein Vermögen mit Dirnen verpraßt hat, hast du für ihn das Mastkalb schlachten lassen.'

31 Er aber erwiderte ihm: 'Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist dein.

32 Man muß aber doch ein Freudenmahl halten und fröhlich sein, denn dieser, dein Bruder, war tot und lebt wieder; er war verloren und ist gefunden worden.'"

 

Kapitel 16: Gleichnis vom ungerechten Verwalter

1 Er sagte aber auch zu seinen Jüngern: "Ein reicher Mann hatte einen Verwalter. Dieser wurde verdächtigt, sein Vermögen zu verschleudern.

2 Er ließ ihn rufen und sagte zu ihm: 'Was muß ich da über dich hören? Lege Rechenschaft über deine Verwaltung ab! Du kannst nicht länger mein Verwalter bleiben.'

3 Da dachte der Verwalter bei sich: 'Was soll ich anfangen, wenn mein Herr mir nun die Verwaltung nimmt? Graben kann ich nicht, zu betteln schäme ich mich.

4 Ich weiß, was ich tue, damit die Leute mich in ihre Häuser aufnehmen, nachdem ich der Verwaltung enthoben bin.'

5 Und er ließ die Schuldner seines Herrn einzeln zu sich kommen. Den ersten fragte er: 'Wieviel bist du meinem Herrn schuldig?'

6 Er antwortete: 'Hundert Krüge Öl.' – Da sagte er zu ihm: 'Nimm deinen Schuldschein, setze dich schnell hin und schreibe: fünfzig.'

7 Darauf fragte er einen anderen: 'Und du, wieviel bist du schuldig?' – Der antwortete: 'Hundert Sack Weizen.' – Zu dem sagte er: 'Nimm deinen Schein und schreibe: achtzig.'

8 Der Herr erkannte an, daß der ungerechte Verwalter mit Bedacht gehandelt hatte. Sind doch die Kinder dieser Welt ihresgleichen gegenüber bedachtsamer als die Kinder des Lichtes.

9 Auch ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit sie euch, wenn es einmal zu Ende geht, in die ewigen Wohnungen aufnehmen.

10 Wer treu ist im Kleinen, der ist auch im Großen treu; wer ungerecht ist im Kleinen, der ist auch im Großen ungerecht.

11 Wenn ihr beim ungerechten Mammon nicht treu gewesen seid, wer wird euch dann das wahre Gut anvertrauen?

12 Und wenn ihr beim fremden Gut nicht treu gewesen seid, wer wird euch dann etwas zu eigen geben?

13 Ein Knecht kann nicht zwei Herren dienen: denn entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird zu dem einen halten und den anderen vernachlässigen. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon."

 

Scheinheiligkeit der Pharisäer

14 Dies alles hörten die geldgierigen Pharisäer und verhöhnten ihn.

15 Da sagte er zu ihnen: "Ihr mögt euch vor den Menschen als Gerechte ausgeben, aber Gott kennt eure Herzen. Denn was bei den Menschen erhaben ist, ist vor Gott ein Greuel.

16 Das Gesetz und die Propheten reichen bis auf Johannes. Seitdem wird das Reich Gottes als Frohbotschaft verkündet, und alle drängen hinein.

17 Aber eher vergehen Himmel und Erde, als daß auch nur ein Häkchen vom Gesetz hinfällig wird.

18 Jeder, der seine Frau entläßt und eine andere heiratet, bricht die Ehe; und wer eine vom Mann Entlassene heiratet, bricht die Ehe.

 

Gleichnis vom reichen Prasser

19 Es war einmal ein reicher Mann; der kleidete sich in Purpur und feine Leinwand und hielt alle Tage glänzende Gelage.

20 Ein Armer aber mit Namen Lazarus lag voller Geschwüre vor seiner Tür.

21 Gern hätte er sich mit den Abfällen vom Tisch des Reichen gesättigt, aber niemand gab sie ihm. Sogar die Hunde kamen und leckten an seinen Geschwüren.

22 Da starb der Arme und wurde von den Engeln in den Schoß Abrahams getragen. Aber auch der Reiche starb und wurde begraben.

23 Als er in der Unterwelt, von Qualen gepeinigt, seine Augen erhob, sah er von fern Abraham und Lazarus auf seinem Schoß.

24 Da rief er: 'Vater Abraham! Erbarme dich meiner und sende Lazarus, damit er eine Fingerspitze ins Wasser tauche und meine Zunge kühle; denn ich leide große Qual in dieser Feuersglut.'

25 Doch Abraham sagte zu ihm: 'Bedenke, Kind, daß du dein Gutes in deinem Leben empfangen hast, Lazarus gleichermaßen das Schlechte. Jetzt wird er hier getröstet, du aber leidest Qualen.

26 Zu alledem befindet sich zwischen uns und euch eine weite Kluft, so daß keiner von hier zu euch hinübergehen und keiner von dort herüberkommen kann, auch wenn er wollte.'

27 Jener fuhr fort: 'Dann bitte ich dich, Vater, sende ihn in mein Vaterhaus.

28 Ich habe ja noch fünf Brüder, die soll er warnen, damit nicht auch sie an diesen Ort der Qual kommen.'

29 Abraham entgegnete: 'Sie haben Mose und die Propheten; auf die sollen sie hören!'

30 'Nein, Vater Abraham!', erwiderte jener, 'wenn aber einer von den Toten zu ihnen kommt, dann werden sie sich bekehren.'

31 Doch er entgegnete ihm: 'Wenn sie nicht auf Mose und die Propheten hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht!'"

 

Kapitel 17: Mahnungen an die Jünger

1 Er sagte zu seinen Jüngern: "Verführungen können unmöglich ausbleiben. Wehe aber dem, durch den sie kommen!

2 Es wäre besser für ihn, wenn ihm ein Mühlstein um den Hals gehängt und er ins Meer gestürzt würde, als daß er verführte einen von diesen Kleinen.

3 Habt acht auf euch! Wenn dein Bruder sich gegen dich verfehlt, so weise ihn zurecht. Tut es ihm leid, so vergib ihm.

4 Und sollte er sich siebenmal am Tag gegen dich verfehlen und siebenmal wieder zu dir kommen und sagen: 'Es tut mir leid!', so vergib ihm."

5 Die Apostel baten den Herrn: "Vermehre unseren Glauben."

6 Der Herr erwiderte: "Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, so würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: 'Komm mit der Wurzel heraus und verpflanze dich ins Meer!', und er würde euch gehorchen.

 

Gleichnis vom Knecht

7 Wer von euch wird zu seinem Knecht, der pflügt und das Vieh hütet, wenn er vom Feld heimkommt, sagen: 'Nun komm gleich und setze dich zu Tisch!'

8 Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: 'Richte mir die Mahlzeit her, gürte dich und bediene mich, bis ich gegessen und getrunken habe; danach kannst auch du essen und trinken?'

9 Weiß er dem Knecht etwa Dank dafür, daß er seine Befehle ausgeführt hat?

10 So sollt auch ihr, wenn ihr alles getan habt, was man euch aufgetragen hat, sagen: 'Unnütze Knechte sind wir, wir haben nur unsere Schuldigkeit getan.'"

 

Die zehn Aussätzigen

11 Auf der Reise nach Jerusalem zog er mitten durch Samaria und Galiläa.

12 Als er in ein Dorf ging, kamen ihm zehn aussätzige Männer entgegen. Sie blieben von fern stehen

13 und riefen mit erhobener Stimme: "Jesus, Meister, erbarme dich unser!"

14 Als er sie sah, sagte er zu ihnen: "Geht hin, zeigt euch den Priestern!" Während sie hingingen, wurden sie rein.

15 Doch einer von ihnen kam, als er sah, daß er geheilt war, zurück und lobte Gott mit lauter Stimme.

16 Er warf sich vor ihm auf sein Angesicht nieder und dankte ihm. – Und das war ein Samariter.

17 Da sagte Jesus: "Sind nicht zehn rein geworden? Wo sind denn die neun anderen?

18 Hat sich sonst keiner gefunden, der zurückkommt und Gott die Ehre gibt, als nur dieser Fremde?"

19 Und er sagte zu ihm: "Steh auf und geh! Dein Glaube hat dich gesund gemacht."

 

Die Ankunft des Reiches Gottes

20 Die Pharisäer fragten ihn, wann das Reich Gottes komme. Er antwortete ihnen: "Das Reich Gottes kommt nicht in sichtbarer Weise.

21 Man kann auch nicht sagen: 'Hier ist es!' oder: 'dort!' Denn seht, das Reich Gottes ist unter euch."

22 Zu seinen Jüngern aber sagte er: "Es werden Tage kommen, da ihr gern nur einen von den Tagen des Menschensohnes erleben möchtet, aber ihr werdet ihn nicht erleben.

23 Man wird zu euch sagen: 'Hier ist er!', 'dort ist er!' Geht nicht hin und lauft ihnen nicht hinterher!

24 Denn wie der Blitzstrahl von einem Ende des Himmels bis zum anderen leuchtet, so wird es mit dem Menschensohn sein an seinem Tag.

25 Zuvor aber muß er noch vieles leiden und von diesem Geschlecht verworfen werden.

26 Wie es zuging in den Tagen Noachs, so wird es auch sein in den Tagen des Menschensohnes:

27 Sie aßen und tranken, heirateten und ließen sich heiraten bis zu dem Tag, an dem Noach in die Arche ging. Da kam die Flut und vertilgte alle.

28 Ebenso war es in den Tagen Lots: Sie aßen und tranken, kauften und verkauften, pflanzten und bauten.

29 An dem Tag aber, da Lot aus Sodom wegging, regnete es Feuer und Schwefel vom Himmel und vertilgte alle.

30 Geradeso wird es sein an dem Tag, da der Menschensohn sich offenbart.

31 Wer an jenem Tag auf dem Dach ist und seine Sachen noch im Haus hat, steige nicht hinab, sie zu holen. Wer auf dem Feld ist, kehre gleichfalls nicht zurück.

32 Denkt an Lots Frau!

33 Wer sein Leben zu erhalten sucht, wird es verlieren; wer es verliert, wird es erhalten.

34 Ich sage euch: In jener Nacht werden zwei auf einem Lager ruhen: der eine wird mitgenommen, der andere zurückgelassen werden.

35 Zwei Frauen werden an einer Mühle mahlen: die eine wird aufgenommen, die andere zurückgelassen werden.

36 [Zwei werden auf dem Feld sein: der eine wird genommen, der andere zurückgelassen werden."]

37 Sie fragten ihn: "Wo denn, Herr?" Da sagte er ihnen: "Wo ein Aas ist, da sammeln sich auch die Geier."

 

Kapitel 18: Gleichnis vom gottlosen Richter

1 Er zeigte ihnen in einem Gleichnis, daß man allzeit beten müsse und nicht nachlassen dürfe.

2 Er sagte: "In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf Menschen nicht achtete.

3 In jener Stadt lebte nun eine Witwe. Die kam immer wieder zu ihm und bat: 'Schaffe mir Recht gegen meinen Bedränger!'

4 Lange Zeit wollte er nicht. Dann aber sagte er sich: 'Zwar fürchte ich nicht Gott und achte auf keinen Menschen.

5 Doch weil diese Witwe mir lästig fällt, will ich ihr Recht verschaffen. Sonst kommt sie noch am Ende und schlägt mich ins Gesicht.'"

6 Der Herr fuhr fort: "Hört, was der ungerechte Richter sagt!

7 Und Gott sollte seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm rufen, kein Recht verschaffen, auch wenn es länger dauert?

8 Ich sage euch: Gar bald wird er ihnen Recht verschaffen. Wird aber der Menschensohn auf Erden Glauben finden, wenn er kommt?"

 

Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner

9 Zu einigen, die sich voll Selbstvertrauen für gerecht hielten und die anderen verachteten, sagte er folgendes Gleichnis:

10 "Zwei Männer gingen hinauf in den Tempel, um zu beten. Der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner.

11 Der Pharisäer stellte sich hin und betete für sich: 'O Gott, ich danke dir, daß ich nicht wie die übrigen Menschen bin, wie die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie der Zöllner da.

12 Ich faste zweimal in der Woche, ich gebe den Zehnten von allem, was ich erwerbe.'

13 Der Zöllner aber blieb von ferne stehen und mochte nicht einmal die Augen zum Himmel erheben, sondern schlug an seine Brust und betete: 'O Gott, sei mir Sünder gnädig!'

14 Ich sage euch: dieser ging gerechtgesprochen nach Hause, jener nicht. Denn jeder, der sich erhöht, wird erniedrigt, und wer sich erniedrigt, wird erhöht werden."

 

Jesus und die Kinder

15 Man suchte auch die Kinder zu ihm zu bringen, damit er sie berühre. Als die Jünger das sahen, wiesen sie die Leute barsch ab.

16 Jesus aber rief die Kinder zu sich und sagte: "Laßt die Kinder zu mir kommen und wehrt es ihnen nicht; denn für Menschen wie sie ist das Reich Gottes.

17 Wahrlich ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen."

 

Der reiche Jüngling

18 Ein Vornehmer richtete an ihn die Frage: "Guter Meister, was muß ich tun, um ewiges Leben zu gewinnen?"

19 Jesus antwortete: "Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein.

20 Du kennst die Gebote: Du sollst nicht ehebrechen! Du sollst nicht töten! Du sollst nicht stehlen! Du sollst kein falsches Zeugnis ablegen! Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren!"

21 Jener aber sagte: "Das alles habe ich befolgt von meiner Jugend an."

22 Als Jesus das hörte, sagte er zu ihm: "Nur eins fehlt dir noch: Verkaufe alles, was du hast, und verteile es unter die Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben. – Dann komm und folge mir!"

23 Als jener das hörte, wurde er ganz betrübt; denn er war sehr reich.

24 Als Jesus ihn so traurig sah, sagte er: "Wie schwer ist es für die Begüterten, in das Reich Gottes einzugehen!

25 Denn leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als ein Reicher in das Reich Gottes hineinkommt."

26 Da fragten die Zuhörer: "Wer kann dann gerettet werden?"

27 Er antwortete: "Was bei Menschen unmöglich ist, ist möglich bei Gott."

 

Lohn der freiwilligen Armut

28 Da sagte Petrus: "Siehe, wir haben unser Eigentum verlassen und sind dir gefolgt."

29 Er sagte zu ihnen: "Wahrlich, ich sage euch: Niemand verläßt um des Reiches Gottes willen Haus, Frau, Bruder, Eltern oder Kinder,

30 ohne daß er ein Vielfaches dafür in dieser Welt empfängt und in der zukünftigen Welt das ewige Leben."

 

Jesu Wirken in Judäa und Jerusalem

Aufbruch nach Jerusalem

Jesus sagt zum drittenmal sein Leiden voraus

31 Er nahm die Zwölf zu sich und sagte zu ihnen: "Seht, wir ziehen hinauf nach Jerusalem. Da wird alles in Erfüllung gehen, was die Propheten über den Menschensohn geschrieben haben.

32 Denn er wird den Heiden übergeben, verspottet und mißhandelt und angespien werden.

33 Man wird ihn geißeln und töten. Doch am dritten Tage wird er auferstehen."

34 Sie verstanden aber nichts davon. Diese Rede war für sie dunkel, und sie begriffen nicht, was damit gemeint war.

 

Der Blinde von Jericho

35 Als er sich Jericho näherte, saß ein Blinder am Weg und bettelte.

36 Er hörte, daß eine Volksmenge vorbeizog, und fragte, was das bedeute.

37 Man erklärte ihm, Jesus, der Nazoräer, komme vorbei.

38 Da rief er: "Jesus, Sohn Davids, erbarme dich meiner!"

39 Die Vorausziehenden fuhren ihn an, er solle schweigen. Doch er schrie noch viel lauter: "Sohn Davids, erbarme dich meiner!"

40 Da blieb Jesus stehen und ließ ihn herbeiführen. Als er angekommen war, fragte er ihn:

41 "Was soll ich für dich tun?" Er bat: "Herr, mache, daß ich wieder sehen kann."

42 Da sagte Jesus zu ihm: "Sei wieder sehend! Dein Glaube hat dich gesund gemacht."

43 Auf der Stelle konnte er wieder sehen. Er pries Gott und folgte ihm nach. Und alles Volk, das dies gesehen hatte, lobte Gott.

 

Kapitel 19: Der Zöllner Zachäus

1 Er kam nach Jericho und zog durch den Ort.

2 Da war ein Mann mit Namen Zachäus. Er war Oberzöllner, und er war reich.

3 Gern hätte er Jesus von Angesicht gesehen, aber wegen der Volksmenge konnte er es nicht; denn er war klein von Gestalt.

4 So lief er voraus und stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum, um ihn sehen zu können; denn dort mußte er vorbeikommen.

5 Als Jesus an die Stelle kam, schaute er hinauf und sagte zu ihm: "Zachäus, steig schnell herab, denn heute muß ich in deinem Haus bleiben."

6 Eilends stieg er herab und nahm ihn mit Freuden auf.

7 Alle, die das sahen, murrten und sagten: "Um zu rasten, ist er bei einem Sünder eingekehrt!"

8 Zachäus aber trat herzu und sagte zum Herrn: "Siehe, Herr, die Hälfte meines Vermögens gebe ich den Armen; und wenn ich jemand betrogen habe, so erstatte ich es vierfach."

9 Jesus sagte zu ihm: "Heute ist diesem Haus Heil widerfahren, weil auch er ein Sohn Abrahams ist.

10 Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und zu retten, was verloren war."

 

Gleichnis von den zehn Minen

11 Weil er nahe bei Jerusalem war und die Leute, die ihm zuhörten, meinten, jetzt müsse bald das Reich Gottes erscheinen, trug er ihnen noch ein Gleichnis vor.

12 Er sagte: "Ein Mann von edler Abkunft zog in ein fernes Land, um sich die Königswürde zu holen und dann heimzukehren.

13 Er rief zehn von seinen Knechten, übergab ihnen zehn Minen und sagte zu ihnen: 'Handelt damit, bis ich zurückkomme!'

14 Seine Mitbürger aber haßten ihn; sie schickten ihm eine Gesandtschaft nach und ließen sagen: 'Wir wollen den nicht zu unserem König haben!'

15 Als er nun doch mit der Königswürde heimgekehrt war, ließ er die Knechte, denen er das Geld gegeben hatte, zu sich rufen, um zu erfahren, was ein jeder erworben habe.

16 Der erste kam und sagte: 'Herr, deine Mine hat zehn Minen hinzugewonnen.'

17 Da sagte er ihm: 'Recht so, du guter Knecht; weil du im Kleinen treu gewesen bist, sollst du Gebieter über zehn Städte sein.'

18 Der zweite kam und sagte: 'Deine Mine, Herr, hat fünf Minen eingebracht.'

19 Zu diesem sagte er: 'Du sollst über fünf Städten stehen.'

20 Und ein anderer kam und sagte: 'Herr, hier ist deine Mine. Ich habe sie im Schweißtuch aufbewahrt.

21 Ich fürchtete mich nämlich vor dir, weil du ein strenger Mann bist. Du nimmst, was du nicht angelegt, und erntest, was du nicht gesät hast.'

22 Da sagte er ihm: 'Aus deinem Mund will ich dich richten, du schlechter Knecht! Du wußtest, daß ich ein strenger Mann bin, daß ich nehme, was ich nicht angelegt, und ernte, was ich nicht gesät habe.

23 Warum hast du denn mein Geld nicht auf eine Bank gebracht? Dann hätte ich es bei meiner Heimkehr mit Gewinn abgehoben.'

24 Dann sagte er zu den Umstehenden: 'Nehmt ihm die Mine weg und gebt sie dem, der die zehn Minen hat.'

25 Sie erwiderten ihm: 'Herr, der hat doch schon zehn Minen.'

26 'Ich sage euch: Jedem, der hat, wird gegeben; wer aber nicht hat, dem wird auch das weggenommen, was er hat.

27 Diese meine Feinde aber, die mich nicht zu ihrem König haben wollten, bringt hierher und macht sie vor meinen Augen nieder!'"

 

Tage der Entscheidung

Einzug in Jerusalem

28 Nach diesen Worten zog er weiter auf dem Weg nach Jerusalem hinauf.

29 Als er in die Nähe von Betfage und Betanien an den Berg kam, der Ölberg heißt, entsandte er zwei seiner Jünger

30 mit dem Auftrag: "Geht in das Dorf, das vor euch liegt. Dort werdet ihr am Eingang ein Füllen angebunden finden, auf dem noch niemand gesessen hat. Bindet es los und führt es her.

31 Sollte euch jemand fragen: Warum bindet ihr es los?, so antwortet: Der Herr bedarf seiner."

32 Die Abgesandten gingen hin und fanden es, wie er ihnen gesagt hatte.

33 Als sie das Füllen losbanden, fragten seine Besitzer: "Warum bindet ihr das Füllen los?"

34 Sie antworteten: "Der Herr bedarf seiner."

35 Sie führten nun das Füllen zu Jesus, warfen ihre Kleider darauf und ließen Jesus aufsitzen.

36 Während er dahinzog, breiteten sie ihre Kleider auf dem Weg aus.

37 Und als er sich schon dem Abhang des Ölberges näherte, begann die ganze Schar der Jünger voll Freude Gott mit lauter Stimme zu preisen ob all der Wundertaten, die sie gesehen hatten.

38 Sie riefen: "Gepriesen sei der König, der da kommt im Namen des Herrn! Friede im Himmel und Herrlichkeit in der Höhe!"

39 Da sagten einige Pharisäer aus der Volksmenge zu ihm: "Meister, verbiete das deinen Jüngern."

40 Er entgegnete ihnen: "Ich sage euch, wenn diese schweigen, werden die Steine schreien."

 

Jesu Klageruf

41 Als er näher kam und die Stadt erblickte, weinte er über sie

42 und sagte: "Wenn doch auch du an diesem Tag erkannt hättest, was dir zum Frieden dient! Nun aber ist es vor deinen Augen verborgen.

43 Denn es wird eine Zeit über dich kommen, da deine Feinde einen Wall gegen dich aufwerfen, dich ringsum einschließen und dich von allen Seiten bedrängen werden.

44 Sie werden dich und deine Kinder, die in dir sind, zu Boden schmettern und keinen Stein in dir auf dem anderen lassen, weil du die Zeit deiner Heimsuchung nicht erkannt hast."

 

Reinigung des Tempels

45 Dann ging er in den Tempel und trieb aus ihm die Verkäufer und Käufer hinaus.

46 Er rief ihnen zu: "Es steht geschrieben: 'Mein Haus soll ein Bethaus sein.' – Ihr aber habt es zu einer Räuberhöhle gemacht."

47 Täglich lehrte er im Tempel. Die Hohenpriester und die Schriftgelehrten und die Führer des Volkes aber sannen darauf, ihn zu töten.

48 Sie wußten nur nicht, wie sie vorgehen sollten, denn alles Volk hörte ihm gespannt zu.

 

Kapitel 20: Die Vollmachtsfrage

1 Als er eines Tages das Volk im Tempel lehrte und die Heilsbotschaft verkündete, traten die Hohenpriester und Schriftgelehrten samt den Ältesten herzu

2 und fragten ihn: "Sage uns: Mit welcher Vollmacht tust du dies? Wer hat dir die Vollmacht dazu gegeben?"

3 Er erwiderte ihnen: "Auch ich will euch eine Frage vorlegen. Sagt mir:

4 Stammte die Taufe des Johannes vom Himmel oder von Menschen?"

5 Sie überlegten miteinander: "Sagen wir: Vom Himmel, so wird er entgegnen: Warum habt ihr ihm denn nicht geglaubt?

6 Sagen wir: Von Menschen, so wird das ganze Volk uns steinigen; denn es ist überzeugt, daß Johannes ein Prophet ist."

7 So gaben sie zur Antwort, sie wüßten nicht, woher sie stamme.

8 Da sagte Jesus zu ihnen: "Dann sage ich euch auch nicht, mit welcher Vollmacht ich dies tue."

 

Die bösen Winzer

9 Er trug dem Volk aber folgendes Gleichnis vor: "Ein Mann legte einen Weinberg an, verpachtete ihn an Winzer und ging für längere Zeit außer Landes.

10 Als es Zeit war, schickte er einen Knecht zu den Winzern, daß sie ihm seinen Anteil am Ertrag des Weinberges abliefern möchten. Doch die Winzer schlugen ihn und jagten ihn mit leeren Händen davon.

11 Er schickte noch einen zweiten Knecht. Auch den schlugen und beschimpften sie und jagten ihn mit leeren Händen davon.

12 Er schickte noch einen dritten. Doch auch den schlugen sie blutig und warfen ihn hinaus.

13 Da sagte der Herr des Weinbergs: 'Was fange ich an? Ich will meinen geliebten Sohn hinschicken; vor ihm werden sie hoffentlich Scheu haben.'

14 Als die Winzer ihn aber erblickten, berieten sie sich untereinander und sagten: 'Das ist der Erbe; wir wollen ihn töten, damit das Erbe uns zufällt.'

15 So warfen sie ihn aus dem Weinberg hinaus und töteten ihn. Was wird nun der Herr des Weinbergs mit ihnen tun?

16 Er wird kommen und diese Winzer umbringen und den Weinberg anderen geben." Als sie das hörten sagten sie: "Möge das nicht eintreffen!"

17 Er aber sah sie an und sagte: "Was bedeutet denn das Schriftwort: 'Der Stein, den die Bauleute verwarfen, der ist zum Eckstein geworden'?

18 Wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschmettert; auf wen er aber fällt, den zermalmt er."

19 Noch in der gleichen Stunde suchten die Schriftgelehrten und Hohenpriester Hand an ihn zu legen, doch fürchteten sie das Volk. Sie hatten nämlich gemerkt, daß sie mit diesem Gleichnis gemeint waren.

 

Die Steuerfrage

20 Sie beobachteten ihn scharf und schickten Späher aus, die sich als fromme Leute ausgeben sollten, um ihn bei einer Äußerung zu packen. Sie wollten ihn dann der Obrigkeit und der Gewalt des Statthalters ausliefern.

21 Sie fragten ihn also: "Meister, wir wissen, du redest und lehrst recht und achtest nicht auf das Ansehen eines Menschen, denn du lehrst den Weg Gottes der Wahrheit gemäß.

22 Ist es uns erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen, oder nicht?"

23 Er durchschaute ihre Arglist und sagte zu ihnen:

24 "Zeigt mir einen Denar! Wessen Bild und Aufschrift trägt er?" Sie antworteten: "Des Kaisers."

25 Da sagte er zu ihnen: "Gebt demnach dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!"

26 So gelang es ihnen nicht, ihn bei einer Äußerung vor dem Volk zu packen. Sie waren verblüfft über seine Antwort und schwiegen.

 

Die Auferstehungsfrage

27 Dann kamen einige Sadduzäer hinzu, die leugnen, daß es eine Auferstehung gebe. Sie legten ihm die Frage vor:

28 "Meister, Mose hat uns vorgeschrieben: wenn jemand, der einen Bruder hat, stirbt, und eine Frau zurückläßt, aber kinderlos geblieben ist, so soll der Bruder die Frau nehmen und dem Verstorbenen Nachkommen erwecken.

29 Es waren nun sieben Brüder. Der erste nahm eine Frau und starb kinderlos.

30 Da nahm sie der zweite,

31 dann nahm sie der dritte, und so alle sieben. Sie starben, ohne Nachkommen zu hinterlassen.

32 Zuletzt von allen starb auch die Frau.

33 Wem von ihnen wird nun die Frau bei der Auferstehung gehören? Alle sieben haben sie ja zur Frau gehabt."

34 Da sagte Jesus zu ihnen: "Die Kinder dieser Welt nehmen zur Ehe und werden zur Ehe genommen.

35 Die aber würdig befunden werden, an jener Welt und an der Auferstehung von den Toten teilzunehmen, nehmen nicht mehr zur Ehe und werden nicht mehr zur Ehe genommen.

36 Sie können ja auch nicht mehr sterben; denn sie sind den Engeln gleich und Kinder Gottes, da sie Kinder der Auferstehung sind.

37 Daß aber die Toten auferstehen, hat auch Mose an der Stelle vom Dornbusch angedeutet, insofern er den Herrn den Gott Abrahams, den Gott Isaaks und den Gott Jakobs nennt.

38 Er ist doch nicht Gott von Toten, sondern von Lebenden, denn für ihn leben alle."

39 Da sagten einige von den Schriftgelehrten: "Meister, du hast gut gesprochen."

40 So wagten sie es nicht mehr, ihm eine Frage vorzulegen.

 

Der Sohn Davids

41 Er aber richtete an sie die Frage: "Wieso wird behauptet, der Messias sei der Sohn Davids?

42 Sagt doch David selbst im Buch der Psalmen: 'Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten,

43 bis ich deine Feinde als Schemel dir zu Füßen lege'.

44 David nennt ihn also 'Herr', wie kann er da sein Sohn sein?"

 

Warnung vor den Schriftgelehrten

45 Während das ganze Volk zuhörte, sagte er zu seinen Jüngern:

46 "Hütet euch vor den Schriftgelehrten! Sie gehen gern in langen Gewändern einher, wollen auf den öffentlichen Plätzen gegrüßt sein und in den Synagogen die ersten Sitze und bei Gastmahlen die Ehrenplätze einnehmen.

47 Sie reißen die Häuser der Witwen an sich und sagen scheinheilig lange Gebete her. Sie haben ein desto strengeres Gericht zu erwarten."

 

Kapitel 21: Das Scherflein der Witwe

1 Als er aufblickte, sah er, wie die Reichen ihre Gaben in den Opferkasten warfen.

2 Er sah auch, wie eine arme Witwe zwei Lepta dort hineinlegte.

3 Da sagte er: "Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr als alle anderen hineingelegt.

4 Denn alle diese warfen von dem, was sie im Überfluß haben, in den Opferstock hinein, sie aber aus ihrem Mangel, den ganzen Lebensunterhalt, den sie hatte."

 

Weissagung vom Ende

5 Als einige vom Tempel sagten, er sei mit so prächtigen Steinen und Weihegeschenken geschmückt, sagte er:

6 "Es werden Tage kommen, da wird von dem, was ihr hier seht, nicht ein Stein auf dem anderen bleiben; alles wird dem Erdboden gleichgemacht."

7 Sie fragten ihn: "Meister, wann wird das geschehen, und was ist das Zeichen dafür, daß es hereinbricht?"

 

Vorausgehende Drangsale

8 Er sagte: "Seht zu, daß ihr euch nicht irreführen laßt. Denn viele werden unter meinem Namen auftreten und sagen: 'Ich bin es!', und: 'Die Zeit ist gekommen!' – Lauft ihnen nicht nach!

9 Wenn ihr von Kriegen und Aufständen hört, so laßt euch dadurch nicht erschrecken, denn dies muß zuvor geschehen; aber das Ende ist nicht sofort da."

10 Er fuhr fort: "Volk wird sich gegen Volk und Reich gegen Reich erheben.

11 Starke Erdbeben wird es geben und in manchen Gegenden Hungersnot und Pest; schreckliche Dinge werden sich ereignen und gewaltige Zeichen am Himmel stehen.

12 Aber vor all dem wird man Hand an euch legen und euch verfolgen. Man wird euch den Synagogen und Gefängnissen überliefern und vor Könige und Statthalter schleppen um meines Namens willen.

13 Da wird euch Gelegenheit gegeben, Zeugnis abzulegen.

14 Nehmt euch im Herzen vor, nicht vorher zu überlegen, wie ihr euch verteidigen sollt.

15 Denn ich werde euch Weisheit zum Reden geben, der alle eure Widersacher nicht zu widersprechen und zu widerstehen vermögen.

16 Ihr werdet sogar von Eltern, Brüdern, Verwandten und Freunden ausgeliefert werden, und manche von euch wird man ums Leben bringen.

17 Um meines Namens willen werdet ihr von allen gehaßt werden.

18 Aber kein Haar soll von eurem Haupt verlorengehen.

19 Durch eure standhafte Ausdauer werdet ihr eure Seele retten.

 

Vorzeichen der Zerstörung Jerusalems

20 Wenn ihr Jerusalem von Kriegsheeren eingeschlossen seht, dann wisset, daß seine Zerstörung nahe ist.

21 Dann sollen, die in Judäa leben, ins Gebirge flüchten, die in Jerusalem die Stadt verlassen und die auf dem Land nicht in die Stadt hineingehen.

22 Denn das sind die Tage der Vergeltung, da alles in Erfüllung geht, was in der Schrift steht.

23 Wehe den hoffenden und stillenden Frauen in jenen Tagen! Denn es wird eine große Bedrängnis über das Land kommen und ein Zorngericht über dieses Volk.

24 Die einen werden durch die Schärfe des Schwertes fallen, die anderen gefangen unter alle Völker weggeführt werden. Jerusalem wird von den Heiden zertreten werden, bis auch die Zeit der Heiden abgelaufen ist.

 

Wiederkunft Christi

25 Es werden Zeichen sein an Sonne, Mond und Sternen und vor dem Brausen und Branden des Meeres wird ratlose Angst herrschen unter den Völkern der Erde.

26 Die Menschen werden vergehen vor banger Erwartung der über den Erdkreis kommenden Dinge; denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.

27 Dann wird man den Menschensohn auf einer Wolke kommen sehen mit Macht und großer Herrlichkeit.

28 Wenn all dies sich zu ereignen beginnt, dann richtet euch auf und erhebt euer Haupt! Denn eure Erlösung naht."

 

Gleichnis vom Feigenbaum

29 Er trug ihnen ein Gleichnis vor: "Betrachtet den Feigenbaum und alle anderen Bäume.

30 Wenn ihr seht, daß sie schon ausschlagen, erkennt ihr von selbst: der Sommer ist nahe.

31 So sollt ihr, wenn ihr das eintreten seht, erkennen, daß das Reich Gottes nahe ist.

32 Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis das alles eintrifft.

33 Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.

 

Mahnung zur Wachsamkeit

34 Nehmt euch in acht, daß ihr eure Herzen nicht mit Schwelgerei und Trunkenheit und mit irdischen Sorgen beschwert, so daß jener Tag unversehens über euch kommt.

35 Denn wie eine Schlinge wird er über alle kommen, die auf dem ganzen Erdkreis wohnen.

36 So seid denn allezeit wachsam und betet, damit ihr Kraft erhaltet, all diesen kommenden Ereignissen zu entgehen, und vor dem Menschensohn zu bestehen."

 

Jesu letzte Tage

37 Tagsüber lehrte er im Tempel, abends aber ging er hinaus und verbrachte die Nacht auf dem Berg, der Ölberg heißt.

38 Und das ganze Volk machte sich schon frühmorgens auf, um ihn im Tempel zu hören.

 

Kapitel 22: Jesu Leiden, Tod und Auferstehung

Das letzte Abendmahl

Beschluß des Hohen Rates

1 Es nahte das Fest der Ungesäuerten Brote, das man Pascha nennt.

2 Die Hohenpriester und Schriftgelehrten überlegten, wie sie ihn töten könnten. Sie fürchteten aber das Volk.

 

Verabredung des Judas

3 Da fuhr der Satan in Judas mit dem Beinamen Iskariot, der einer von den Zwölfen war.

4 Er ging hin und besprach sich mit den Hohenpriestern und den Hauptleuten, wie er ihn an sie ausliefern könne.

5 Die freuten sich darüber und versprachen, ihm Geld zu geben.

6 Er sagte zu und sann nun auf eine günstige Gelegenheit, ihn ohne Aufsehen beim Volk an sie auszuliefern.

 

Das Paschamahl

7 Es kam der Tag der Ungesäuerten Brote, an dem das Paschalamm zu schlachten war.

8 Da entsandte Jesus Petrus und Johannes mit dem Auftrag: "Geht hin und bereitet uns das Paschamahl, damit wir es abhalten können."

9 Sie fragten ihn: "Wo sollen wir es bereiten?"

10 Er antwortete ihnen: "Wenn ihr in die Stadt kommt, wird euch ein Mann begegnen, der einen Wasserkrug trägt. Folgt ihm in das Haus, in das er hineingeht,

11 und sagt dem Herrn des Hauses: 'Der Meister läßt dich fragen: Wo ist das Gemach, in dem ich mit meinen Jüngern das Paschamahl halten kann?'

12 Jener wird euch einen geräumigen Saal zeigen, der mit Polstern versehen ist. Dort bereitet es."

13 Sie gingen hin und fanden alles, wie er ihnen gesagt hatte, und bereiteten das Paschamahl.

14 Als die Stunde gekommen war, ließ er sich zu Tisch nieder und die zwölf Apostel mit ihm.

15 Er sagte zu ihnen: "Sehnlichst habe ich danach verlangt, dieses Paschamahl mit euch zu halten, bevor ich leide.

16 Denn ich sage euch: Ich werde es von jetzt an nicht mehr essen, bis es seine Erfüllung findet im Reich Gottes."

17 Dann nahm er einen Kelch, dankte und sagte: "Nehmt ihn und teilt ihn unter euch.

18 Denn ich sage euch: Fortan werde ich nicht mehr von dem Gewächs des Weinstocks trinken, bis das Reich Gottes kommt."

 

Einsetzung der Eucharistie

19 Alsdann nahm er das Brot, dankte, brach es und reichte es ihnen mit den Worten: "Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis."

20 Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sagte: "Dieser Kelch ist der Neue Bund mit meinem Blut, das für euch vergossen wird.

21 Doch seht, die Hand meines Verräters ist mit mir auf dem Tisch.

22 Der Menschensohn geht zwar hin, wie es bestimmt ist; aber wehe dem Menschen, durch den er verraten wird!"

23 Da begannen sie untereinander zu fragen, wer von ihnen es denn sei, der das tun könnte.

 

Rangstreit der Jünger

24 Es entstand auch ein Streit unter ihnen, wer von ihnen wohl der Größte sei.

25 Er aber sagte zu ihnen: "Die Könige der Völker herrschen über sie, und ihre Machthaber werden Wohltäter genannt.

26 Bei euch aber sei es nicht so, sondern der Größte unter euch sei wie der Geringste und der Vorgesetzte wie der Dienende.

27 Wer ist denn größer: der zu Tisch sitzt, oder der bedient? Ist es nicht der, der zu Tisch sitzt? Ich aber bin in eurer Mitte als der Dienende.

28 Ihr habt in meinen Prüfungen bei mir ausgeharrt,

29 so vermache ich euch das Reich, wie mein Vater es mir vermacht hat.

30 Ihr sollt in meinem Reich an meinem Tisch essen und trinken und sollt auf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten.

 

Gebet für Petrus

31 Simon, Simon! Siehe, der Satan begehrt, euch wie den Weizen zu sieben.

32 Ich aber habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dich dereinst bekehrt hast, stärke deine Brüder!"

33 Er aber erwiderte ihm: "Herr, mit dir bin ich bereit, auch ins Gefängnis und in den Tod zu gehen."

34 Doch er entgegnete: "Ich sage dir, Petrus, der Hahn wird heute nicht krähen, bevor du dreimal geleugnet hast, mich zu kennen."

 

Die Schwertrede

35 Dann sagte er zu ihnen: "Als ich euch aussandte ohne Beutel, Tasche und Schuhe, hat euch da etwas gefehlt?" Sie antworteten: "Nein!"

36 Da fuhr er fort: "Jetzt aber soll, wer einen Beutel hat, ihn an sich nehmen, ebenso eine Tasche. Wer das nicht hat, verkaufe seinen Mantel und kaufe dafür ein Schwert.

37 Denn ich sage euch: An mir muß sich erfüllen, was geschrieben steht, nämlich: 'Er wird unter die Übeltäter gerechnet.' – Denn was mir bestimmt ist, kommt zu seiner Vollendung."

38 Da riefen sie: "Herr, siehe, hier sind zwei Schwerter." Er sagte zu ihnen: "Es ist genug."

 

Von Getsemani nach Golgota

Todesangst Jesu

39 Dann ging er hinaus und begab sich, wie gewohnt, an den Ölberg. Auch die Jünger folgten ihm.

40 Als er dort angekommen war, sagte er zu ihnen: "Betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt."

41 Er entfernte sich etwa einen Steinwurf weit von ihnen, kniete nieder und betete:

42 "Vater, wenn du willst, so nimm diesen Kelch von mir. Doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe!"

43 Da erschien ihm ein Engel vom Himmel und stärkte ihn.

44 Nun geriet er in Angst, und betete noch inständiger, und sein Schweiß ward wie Blutstropfen, die zur Erde rannen.

45 Er erhob sich vom Gebet und ging zu seinen Jüngern, fand sie aber vor Traurigkeit schlafend.

46 Da sagte er zu ihnen: "Was schlaft ihr? Steht auf und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt!"

 

Gefangennahme

47 Während er noch redete, erschien eine Rotte. Einer von den Zwölfen namens Judas ging ihr voraus und näherte sich Jesus, um ihn zu küssen.

48 Jesus aber sagte zu ihm: "Judas, mit einem Kuß verrätst du den Menschensohn?"

49 Als seine Jünger sahen, was da kommen sollte, riefen sie: "Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen?"

50 Und einer von ihnen schlug nach einem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm das rechte Ohr ab.

51 Doch Jesus sagte: "Laßt ab! Nicht weiter!" Dann berührte er das Ohr und heilte ihn.

52 Zu den Hohenpriestern aber, den Tempelhauptleuten und den Ältesten, die gegen ihn herangekommen waren, sagte Jesus: "Wie gegen einen Räuber seid ihr mit Schwertern und Knüppeln ausgezogen.

53 Als ich Tag für Tag bei euch im Tempel lehrte, habt ihr keine Hand gegen mich erhoben. Aber das ist eure Stunde und die Macht der Finsternis!"

 

Verleugnung des Petrus

54 Da nahmen sie ihn fest und führten ihn in das Haus des Hohenpriesters. Petrus folgte von weitem.

55 Mitten im Hof hatte man ein Feuer angezündet und sich herumgesetzt; Petrus setzte sich mitten unter sie.

56 Da sah ihn eine Magd am Feuer sitzen, faßte ihn ins Auge und rief. "Auch der war bei ihm."

57 Er leugnete und sagte: "Weib, ich kenne ihn nicht."

58 Nach einer Weile erblickte ihn ein anderer und sagte: "Auch du bist einer von denen." Petrus erwiderte: "Mensch, das bin ich nicht."

59 Nach Ablauf von etwa einer Stunde versicherte wieder ein anderer: "Wahrhaftig, der war auch bei ihm, er ist ja auch ein Galiläer."

60 Petrus entgegnete: "Mensch, ich begreife nicht, was du sagst." Sogleich, noch während er redete, krähte ein Hahn.

61 Da wandte sich der Herr um und sah Petrus an. Und Petrus erinnerte sich an das Wort des Herrn, das er zu ihm gesagt hatte: "Noch ehe der Hahn heute kräht, wirst du mich dreimal verleugnen."

62 Er ging hinaus und weinte bitterlich.

 

Jesus vor dem Hohen Rat

63 Die Männer, die ihn gefangenhielten, verspotteten und mißhandelten ihn.

64 Sie verhüllten ihm die Augen, schlugen ihn und sagten: "Weissage, wer ist es, der dich geschlagen hat?"

65 Noch viele andere Schmähungen stießen sie gegen ihn aus.

66 Nach Tagesanbruch versammelte sich das Ältestenkollegium des Volkes, Hohepriester als auch Schriftgelehrte. Sie ließen ihn in ihre Ratssitzung führen

67 und sagten: "Wenn du der Messias bist, so sage es uns." Er entgegnete ihnen: "Wenn ich es euch sage, so glaubt ihr mir nicht;

68 wenn ich euch frage, so antwortet ihr mir nicht.

69 Aber fortan wird der Menschensohn zur Rechten des allmächtigen Gottes sitzen."

70 Da fragten alle: "Du bist also der Sohn Gottes?" Er antwortete ihnen: "Ja, ich bin es!"

71 Darauf riefen sie: "Was brauchen wir noch ein Zeugnis? Wir haben es ja selbst aus seinem Mund gehört!"

 

Kapitel 23: Jesus vor Pilatus

1 Ihre ganze Versammlung erhob sich nun und ließ ihn zu Pilatus führen.

2 Sie erhoben folgende Anklage gegen ihn: "Wir haben gefunden, daß dieser unser Volk aufwiegelt, daß er verbietet, dem Kaiser Steuern zu zahlen und daß er sich für den Messias, den König, ausgibt."

3 Pilatus fragte ihn: "Bist du der König der Juden?" Er gab ihm zur Antwort: "Ich bin es!"

4 Pilatus erklärte den Hohenpriestern und den Volksscharen: "Ich finde keine Schuld an diesem Menschen."

5 Sie aber bestanden darauf: "Er bringt mit seiner Lehre das Volk in ganz Judäa in Aufruhr, von Galiläa angefangen bis hierher."

6 Als Pilatus das hörte, erkundigte er sich, ob der Mann ein Galiläer sei,

7 und nachdem er erfahren hatte, daß er aus dem Gebiet des Herodes stamme, schickte er ihn zu Herodes, der sich in jenen Tagen ebenfalls in Jerusalem aufhielt.

 

Jesus vor Herodes

8 Herodes freute sich, als er Jesus sah. Schon seit langem hätte er ihn gern gesehen, weil er viel von ihm gehört hatte und hoffte, ein Wunderzeichen von ihm zu sehen.

9 Er richtete viele Fragen an ihn. Allein Jesus gab ihm keine Antwort.

10 Die Hohenpriester und Schriftgelehrten standen dabei und klagten ihn heftig an.

11 Da verhöhnte ihn Herodes mit seinem Gefolge. Er ließ ihm zum Spott ein Prunkgewand überwerfen und schickte ihn zu Pilatus zurück.

12 An jenem Tag wurden Herodes und Pilatus Freunde; vorher waren sie nämlich miteinander verfeindet.

 

Jesus oder Barabbas

13 Pilatus berief nun die Hohenpriester, die Ratsmitglieder und das Volk zu sich

14 und sagte zu ihnen: "Ihr habt mir diesen Menschen vorgeführt, weil er das Volk aufwiegeln soll. Und seht, ich habe ihn in eurer Gegenwart verhört, aber keine der Anklagen, die ihr gegen diesen Menschen vorbringt, begründet gefunden.

15 Ebensowenig Herodes; denn er sandte ihn zu uns zurück. Seht, er hat nichts getan, was den Tod verdient.

16 So will ich ihn denn geißeln lassen und dann freigeben."

17 [An jedem Fest mußte er ihnen einen Gefangenen freilassen.]

18 Da schrien sie allesamt: "Hinweg mit diesem! Gib uns Barabbas frei!"

19 Der war im Gefängnis wegen eines Aufruhrs in der Stadt und wegen eines Mordes.

20 Nochmals redete Pilatus auf sie ein, weil er Jesus freigeben wollte.

21 Aber sie schrien: "Ans Kreuz, ans Kreuz mit ihm!"

22 Er fragte sie zum drittenmal: "Was hat der denn Böses getan? Ich habe nichts an ihm gefunden, wofür er den Tod verdient hätte. Ich will ihn also geißeln lassen und dann freigeben."

23 Sie aber bestanden mit lautem Geschrei auf ihrer Forderung, ihn zu kreuzigen, und ihr Geschrei war sehr stark.

24 Pilatus entschied, daß ihrem Verlangen entsprochen werde.

25 Er gab den frei, der des Aufruhrs und des Mordes wegen im Gefängnis war und den sie haben wollten. Jesus aber gab er ihrem Willen preis.

 

Der Kreuzweg

26 Auf dem Weg zur Hinrichtung hielten sie einen gewissen Simon von Zyrene an, der vom Feld kam, und luden ihm das Kreuz auf, damit er es Jesus nachtrage.

27 Eine große Menge Volkes folgte ihm und viele Frauen, die um ihn weinten und klagten.

28 Jesus wandte sich zu ihnen und sagte: "Ihr Töchter von Jerusalem, weint nicht über mich, weint vielmehr über euch selbst und über eure Kinder.

29 Denn seht, es werden Tage kommen, da man sagen wird: Selig die Unfruchtbaren, der Schoß, der nicht geboren, und die Brust, die nicht gestillt hat!

30 Da wird man den Bergen zurufen: 'Fallt über uns!', und den Hügeln: 'Bedeckt uns!'

31 Denn wenn das am grünen Holz geschieht, was wird dann mit dem dürren geschehen?"

32 Mit ihm führte man noch zwei Missetäter zur Hinrichtung hinaus.

 

Die Kreuzigung

33 Sie kamen an den Ort, genannt "Schädel", dort kreuzigten sie ihn und die Missetäter, den einen zur Rechten, den anderen zur Linken.

34 Jesus aber betete: "Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!" – Beim Verteilen seiner Kleider warfen sie das Los.

 

Verspottung Jesu

35 Das Volk stand da und schaute zu. Die Mitglieder des Hohen Rates aber höhnten und riefen: "Anderen hat er geholfen; wenn er der Gesalbte Gottes, der Auserwählte ist, helfe er sich selbst."

36 Auch die Soldaten verspotteten ihn. Sie traten hinzu und reichten ihm Essig

37 mit den Worten: "Bist du der König der Juden, so hilf dir selbst!"

38 Über ihm war eine Inschrift in griechischer, lateinischer und hebräischer Schrift angebracht: "Das ist der König der Juden."

39 Einer von den gekreuzigten Missetätern lästerte ihn mit den Worten: "Bist du nicht der Messias? Dann hilf dir selbst und uns."

40 Der andere aber verwies es ihm und sagte: "Hast denn auch du keine Furcht vor Gott, obwohl du doch die gleiche Strafe erleidest?

41 Wir zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unseren Taten entspricht; dieser aber hat nichts Unrechtes getan."

42 Dann sagte er zu Jesus: "Jesus, gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommst."

43 Da sagte er zu ihm: "Wahrlich, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein!"

 

Tod Jesu

44 Es war schon um die sechste Stunde, da brach bis zur neunten Stunde über das ganze Land eine Finsternis herein,

45 nachdem die Sonne sich verfinstert hatte; der Vorhang des Tempels riß mitten entzwei.

46 Da rief Jesus mit lauter Stimme: "Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist!" Mit diesen Worten verschied er.

47 Als der Hauptmann sah, was geschehen war, pries er Gott und sagte: "Wirklich, dieser Mann war gerecht!"

48 Alles Volk, das diesem Schauspiel beiwohnte und die Vorgänge gesehen hatte, schlug sich an die Brust und kehrte heim.

49 Alle seine Bekannten aber, auch die Frauen, die ihm von Galiläa her gefolgt waren, standen abseits und sahen dies mit an.

 

Grablegung

50 Da war ein Mann namens Josef, der Ratsherr war, ein edler und rechtschaffener Mann,

51 der ihrem Beschluß und ihrem Vorgehen nicht zugestimmt hatte. Er stammte von Arimathäa, einer jüdischen Stadt; auch er erwartete das Reich Gottes.

52 Er ging zu Pilatus und bat um den Leichnam Jesu.

53 Er nahm ihn ab, wickelte ihn in ein Leinentuch und legte ihn in ein Felsengrab, in dem noch niemand beigesetzt war.

54 Es war Rüsttag, und der Sabbat brach schon an.

55 Die Frauen, die mit ihm aus Galiläa gekommen waren, gingen mit, schauten das Grab an und sahen, wie sein Leichnam hineingelegt wurde.

56 Nach ihrer Rückkehr bereiteten sie Gewürzkräuter und Salben. Den Sabbat verbrachten sie nach dem Gesetz in Ruhe.

 

Kapitel 24: Die Frauen am Grab

1 Am ersten Tag der Woche aber gingen sie in aller Frühe mit den Gewürzkräutern, die sie zubereitet hatten, zum Grab.

2 Sie fanden den Stein vom Grab weggewälzt.

3 Sie gingen hinein, den Leichnam des Herrn Jesus aber fanden sie nicht.

4 Während sie ratlos dastanden, traten plötzlich zwei Männer in strahlendem Gewand zu ihnen.

5 Vor Schrecken senkten sie den Blick zu Boden. Jene aber sagten zu ihnen: "Was sucht ihr den Lebenden unter den Toten?

6 Er ist nicht hier, er ist auferweckt worden. Erinnert euch daran, wie er euch, als er noch in Galiläa war, gesagt hat,

7 daß der Menschensohn in die Hände der Sünder ausgeliefert und gekreuzigt werden muß, aber am dritten Tag auferstehe."

8 Da erinnerten sie sich seiner Worte.

9 Sie kehrten vom Grab zurück und berichteten all das den Elf und allen übrigen.

10 Es waren Maria Magdalena, Johanna, Maria, die Mutter des Jakobus; auch die anderen Frauen, die mit ihnen waren, berichteten das den Aposteln.

11 Aber diese Berichte kamen ihnen wie ein Märchen vor, und sie glaubten ihnen nicht.

12 Petrus machte sich aber auf und eilte zum Grab. Als er sich vorneigte, sah er nur die Leinenbinden daliegen. Voll Verwunderung über das, was geschehen war, kehrte er nach Hause zurück.

 

Die Jünger von Emmaus

13 Noch am selben Tag wanderten zwei von ihnen nach einem Dorf mit Namen Emmaus, das sechzig Stadien von Jerusalem entfernt liegt.

14 Sie unterhielten sich miteinander über alle diese Ereignisse.

15 Während sie so miteinander redeten und Meinungen austauschten, nahte sich Jesus selbst und ging mit ihnen.

16 Ihre Augen aber waren gehalten, so daß sie ihn nicht erkannten.

17 Er sagte zu ihnen: "Was sind das für Reden, die ihr auf dem Weg miteinander führt?" Da hielten sie traurig inne.

18 Der eine, namens Kleopas, antwortete ihm: "Bist du der einzige Fremde in Jerusalem, der nicht weiß, was dort in diesen Tagen geschehen ist?"

19 Er fragte sie: "Was denn?" Sie erwiderten ihm: "Das mit Jesus von Nazaret! Er war ein Prophet, mächtig in Wort und Tat vor Gott und allem Volk.

20 Ihn haben unsere Hohenpriester und Vorsteher ausgeliefert, daß er zum Tod verurteilt und gekreuzigt werde.

21 Wir aber hatten gehofft, daß er es sei, der Israel erlösen werde. Und nun ist heute zu all dem schon der dritte Tag, seit dies geschehen ist.

22 Aber auch einige von unseren Frauen haben uns in Aufregung versetzt. Sie waren frühmorgens am Grab gewesen,

23 und als sie seinen Leichnam nicht gefunden hatten, kamen sie und sagten, sie hätten auch eine Erscheinung von Engeln gehabt, die versicherten, daß er lebe.

24 Einige von den Unsrigen gingen dann zum Grab und fanden es so, wie die Frauen gesagt hatten; ihn selbst aber sahen sie nicht!"

25 Da sagte er zu ihnen: "O ihr Unverständigen! Was seid ihr so schwerfällig, auf Grund dessen, was die Propheten verkündet haben, mit dem Herzen zu glauben!

26 Mußte denn der Messias nicht leiden und so in seine Herrlichkeit eingehen?"

27 Und er begann mit Mose und allen anderen Propheten und legte ihnen aus, was in allen Schriften sich auf ihn bezieht.

28 So kamen sie in die Nähe des Dorfes, dem sie zustrebten. Er tat, als wolle er weitergehen.

29 Sie aber bedrängten ihn und sagten: "Bleibe bei uns. Es will Abend werden. Der Tag hat sich schon geneigt." Da kehrte er ein, um bei ihnen zu bleiben.

30 Während er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, segnete es, brach es und reichte es ihnen.

31 Da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten ihn; er aber entschwand ihren Blicken.

32 Und sie sagten zueinander: "Brannte nicht unser Herz in uns, als er unterwegs mit uns redete und uns die Schrift erschloß?"

33 Noch in derselben Stunde machten sie sich auf, kehrten nach Jerusalem zurück und fanden die Elf mit ihren Gefährten versammelt.

34 Die riefen: "Der Herr ist wahrhaft auferweckt worden. Er ist dem Simon erschienen."

35 Nun erzählten auch sie, was sich unterwegs zugetragen und wie sie ihn erkannt hatten am Brechen des Brotes.

 

Jesus erscheint den Aposteln

36 Während sie noch darüber sprachen, stand Jesus mitten unter ihnen und sagte zu ihnen: "Friede sei mit euch!"

37 Vor Angst und Schrecken glaubten sie, einen Geist zu sehen.

38 Da sagte er zu ihnen: "Weshalb seid ihr verwirrt und warum steigen Zweifel in euren Herzen auf?

39 Seht meine Hände und meine Füße! Ich bin es selbst. Betastet mich und überzeugt euch! Ein Geist hat doch nicht Fleisch und Bein, wie ihr es an mir seht."

40 Nach diesen Worten zeigte er ihnen Hände und Füße.

41 Allein vor Freude und Verwunderung konnten sie es noch nicht glauben und staunten nur. Darum fragte er sie: "Habt ihr etwas zu essen da?"

42 Sie reichten ihm ein Stück gebratenen Fisches.

43 Er nahm es und aß es vor ihren Augen.

 

Abschiedsrede

44 Er sagte zu ihnen: "Das sind meine Worte, die ich zu euch gesprochen habe, als ich noch bei euch weilte, daß nämlich alles, was im Gesetz des Mose, bei den Propheten und in den Psalmen über mich geschrieben steht, erfüllt wird."

45 Hierauf erschloß er ihnen den Sinn für das Verständnis der Schriften.

46 Dann sagte er zu ihnen: "So steht geschrieben: Der Messias muß leiden und am dritten Tag von den Toten auferstehen.

47 In seinem Namen soll bei allen Völkern, angefangen von Jerusalem, Buße und Vergebung der Sünden gepredigt werden.

48 Ihr seid Zeugen dafür.

49 Seht, ich sende die Verheißung meines Vaters auf euch herab. Bleibt in der Stadt, bis ihr mit Kraft von oben ausgerüstet seid."

 

Himmelfahrt

50 Er führte sie hinaus bis nach Betanien, erhob seine Hände und segnete sie.

51 Und während er sie segnete, schied er von ihnen und wurde in den Himmel emporgehoben;

52 sie aber waren anbetend vor ihm niedergefallen. Dann kehrten sie hocherfreut nach Jerusalem zurück.

53 Sie waren immer im Tempel und lobten und priesen Gott.