Leben von Barbara Weigand, Schippach
Ich wurde geboren am 10. Dezember 1845 in Schippach. Meine Eltern waren fleißige, brave Landleute. Mein Vater war fünfzehn Jahre Bürgermeister unserer kleinen Gemeinde und kam als solcher viel mit Beamten zusammen, die ihn mit in die Gesellschaft hineinzogen. Obwohl er ein guter Familienvater war, kam er dadurch auf Abwege. Er lernte das Trinken. Der liebe Gott aber ließ durch die vielen Tränen und das Gebet Meiner Mutter aus dem Bösen Gutes entstehen, indem alle sieben Kinder, drei Knaben und vier Mädchen, einen entschiedenen Abscheu gegen den Alkohol faßten und wir uns vom Weltlichen ganz zurückzogen. Mein Vater starb fünfundfünfzig Jahre alt, gut vorbereitet auf seinen Tod. Auf dem Sterbebett sagte er: "Ich habe meiner Frau vielen Kummer gemacht. Wenn ich nochmals beginnen könnte, würde ich anders leben."
Meine Mutter war eine kleine, schwächliche Frau und durch den vielen Kummer schon zu Lebzeiten ihres Mannes viel ans Krankenbett gefesselt, oft sechs Wochen lang. Sieben mal allein hatte sie die Lungenentzündung. Wir Kinder wurden frühzeitig zu harter Arbeit genötigt, um den täglichen Unterhalt zu verdienen. Ich war die zweitälteste und stärkste von allen und geweckten Geistes. Weil meine Mutter meist krank war und die ältere Schwester wenig begabt für solche Arbeiten und zudem schwächlich war, als 'Mutter' für die übrigen zu sorgen, mußte ich einkaufen und verkaufen etc. sowie das Hauswesen führen, weshalb auch die anderen Kinder mich als ihre 'Mutter' titulierten. Daher kam dann auch meine spätere so ernste Lebensführung.
Bis die Zeit kam, wo ich mich zu einem Stand entscheiden sollte, betete ich viel, besonders Bußübungen, so daß ich von meinen Schwestern oft ausgelacht wurde. Das alles tat ich, um mich zu prüfen, und weinte sehr viel. Vor dem war ich eitel, stolz und putzsüchtig, aber sehr fleißig und Tag und Nacht tätig. Morgens in aller Frühe ging ich in den Wald, um Holz und Streu zu sammeln für den Tag, denn vor der Feldarbeit mußte dies alles geschehen sein.
Es kam nun die Zeit, wo ich mich für einen Lebensberuf entscheiden sollte. An Freiern fehlte es nicht, denn die Familie war geachtet, und somit waren meine Eltern entschlossen, mich einem braven jungen Mann anzuvertrauen.
Ich verlobte mich mit ihm, und das Haus für uns beide war schon gebaut. Doch schon das ganze Jahr vorher war ich so still und zurückgezogen, daß der junge Mann öfters fragte: "Wie ist es doch möglich, daß, wo andere sich so freuen, es dir gar keine Freude zu machen scheint." Ich hatte nämlich innerlich einen großen Kampf und stellte mir immer die Frage: Kann ich auch im Ehestand Gott so lieben und dienen, wie im jungfräulichen Stand? Dazu kam, daß ich eine fromme Jugendfreundin hatte, die selbst Jungfrau bleiben wollte. Ihre Gespräche hatten großen Einfluß auf mich. Sie sprach zuweilen so begeistert von der Liebe der heiligen Jungfrauen zu Jesus, daß ich bei mir dachte: "Ach, wenn du doch auch so leben könntest."
So kam Maria-Himmelfahrt, und wir gingen trotz des schlechten Wetters in eine nahegelegene Feldkapelle, wo Muttergottes-Wallfahrt war. Da betete ich inständig zur Königin der Jungfrauen, daß ich doch den rechten Weg einschlagen möge. Da, nach der heiligen Kommunion, fühlte ich zum ersten Mal die Nähe meines Gottes im heiligsten Altarsakrament.
Auf dem Heimweg sagte ich zu meiner Begleiterin, wir wollen an Mariä Geburt wieder hierher gehen. Aber das schlechte Wetter vereitelte dies. Wir gingen in unsere Pfarrkirche. Auf dem Weg dorthin begegnete uns der neu angekommene Kaplan und sagte: "Wo wollt ihr hin?" In meinem Geburtsort Schippach steht nämlich nur eine kleine Kirche als Filiale der Pfarrkirche von Elsenfeld. Wir antworteten ihm, daß wir beichten wollten, worauf er erwiderte: "So könnt ihr in eurer Filialkirche beichten, denn ich bin euer neuer Kaplan."
Derselbe scheint sich später meines inneren Kampfes erinnert zu haben. Als ich ihm bei Gelegenheit seiner Versetzung für alle Mühe dankte, die er sich wegen meiner Bekehrung gegeben hatte, erwiderte er: "Nein, als ich kam, da waren Sie schon bekehrt."
Obwohl ich damals noch nicht wußte, welchen Stand ich antreten sollte, hatte ich schon das Verlangen, alle drei Wochen die heilige Kommunion zu empfangen. Von dort an begann der himmlische Gärtner, dieses aufgewühlte Feld meines Herzens zu bearbeiten. In mir kam kein anderer Gedanke mehr auf als: "Arbeite dich aus der Welt heraus, mach dein Herz frei. Dein Herz ist unruhig, bis es ruht in Gott."
Deshalb wurde ich oft zur Rede gestellt: "Warum bist du so traurig, so ganz anders als andere?" Denn das Haus war schon gebaut. Mein Bräutigam klagte meiner Schwester seinen Verdruß, und diese schalt mich oft aus, warum ich den braven Menschen so hinhalte, ich müsse wohl verrückt geworden sein. Ich dachte aber immer bei mir: "Nein, ich kann nicht heiraten, ich will nur Gott dienen." Immer wieder fragte ich meinen Beichtvater um Rat. Dieser aber, der den Wankelmut eines jungen Mädchens erwog, riet mir offen, er könne mir durchaus nicht abraten. Er habe sich nach dem jungen Mann erkundigt, und er sei nur zu empfehlen. Die Kirche müsse sehr viel auf gute Mütter sehen, ohne welche es keine Priester und keine Klosterfrauen gebe.
Nun begann für mich eine Zeit furchtbaren Kampfes. Tag und Nacht konnte ich nicht mehr ruhen. Die Liebe Gottes war so stark in mir, daß ich glaubte, ich könne alle menschlichen Bande zerreißen. Doch wußte ich nicht, welches der geeignete Augenblick sei. Dies dauerte ein ganzes Jahr. So kam der schöne Monat Mai, und ich dachte, in diesen Monat die liebe Gottesmutter recht vertrauensvoll in dieser Angelegenheit zu bestürmen.
Einmal kniete ich nun vor meinem kleinen Maialtärchen, um mit meiner jüngeren Schwester die übliche Abendandacht zu verrichten. Jene war schon zu Bett gegangen, und ich kniete bis gegen Mitternacht und betete unter Strömen von Tränen, denn ich traute mir selbst nicht. Ich dachte immer, es könne auch nur weibliche Einbildung sein, die morgen wieder verwirft, was sie sich heute vornimmt.
Da, auf einmal, sah ich in der dunklen Nacht, aber weit entfernt von mir, die liebe Mutter Gottes. Ein Lichtstrahl, der von Ihr ausging, traf meine Seele, und es ward ruhiger in mir. In der Frühe des andern Tages kniete ich wieder im Beichtstuhl, aber nicht in Schippach, sondern eineinhalb Stunden davon entfernt in Kleinwallstadt, wo ich den bischöflichen Geistlichen Rat N., einen klugen und erfahrenen Priester, zu Rate zog. Diesem erzählte ich mein ganzes Leben und auch den Kampf in mir wegen meiner bevorstehenden Berufswahl. Dieser Herr sagte ganz entschieden: "Mein Kind, ich sehe hier an dir eine höhere Hand walten. Ich glaube nicht, daß du berufen bist, in den Ehestand zu treten. Laß den Jüngling nur noch ruhig gehen und verdopple dein Gebet! Sag auch dem Beichtvater, er solle für dich beten, und auch ich will am Altar deiner gedenken. Ich versichere dich, daß der liebe Gott dir noch ein deutlicheres Zeichen gibt, was dein Beruf ist."
Bald darauf ging ich dann wieder beichten in meiner Dorfkirche und brachte wie immer mein Anliegen vor und wiederholte ihm auch die tröstlichen Worte, die mir ein alter, erfahrener Priester gesagt hatte. Nun war mein Beichtvater auf einmal wie umgewandelt. Zehn Monate schon kämpfte ich unter beständigen Tränen und Gebet. Ich legte mir allerlei Bußübungen auf, aber alles im geheimen. Niemand wußte davon als meine gute Schwester Marie, die später Klosterfrau geworden ist. Jetzt sagte mein Beichtvater, der mir bisher immer abgeraten hatte: "Ja, ich sehe freilich auch längst, daß der liebe Gott dich nicht im Ehestand haben will. Nur soll er dir aber auch die Kraft geben, daß du alle Hindernisse überwinden kannst. Gut, wir halten zusammen eine Andacht."
Es war im Juni. Wir hielten vor dem Herz-Jesu-Fest eine neuntägige Andacht mit einigen Personen. Am dritten Tag schon war der Kampf gewonnen. In der Nacht vorher hatte ich nämlich einen auffallenden Traum: Ich befand mich in einer großen Kirche, die dicht mit Menschen angefüllt war, die alle sehnsüchtig der Kirchentür entgegensahen, weil sie den Einzug eines Hochzeitszuges erwarteten. Die Türen öffneten sich, und herein kam die liebe Muttergottes mit Ihrem Hofstaat, der aus lauter Jungfrauen bestand. Als Sie Sich der Menge genähert hatte, trat Sie aus Ihrer Umgebung hervor, ging bald an diese, bald an jene Bank, der einen oder anderen Person etwas ins Ohr flüsternd, worauf dieselben wie von einem himmlischen Glanz umgeben schienen. Ich dachte bei mir: Dir kann Sie halt nichts sagen, denn du hast doch zu weltlich gelebt, und weinte bitterlich. Auf einmal klopfte Sie mich sanft auf die Schulter und gar liebreich sah mich die liebe Muttergottes an, und sagte: "Was du tun willst, das tue bald! Du willst ein Gelübde ablegen. Tue es und du wirst noch viele Gnaden erhalten!"
Auch meine Schwester Marie, die mich immer sehr ausgezankt hatte, daß ich dem jungen Mann so fremd bliebe, bekam ein Zeichen. Sie sah beim Morgengebet das göttliche Herz Jesu, und sie verstand, daß sie mir nicht länger im Wege stehen solle. Ebenso erhielt auch mein Beichtvater ein Zeichen. Beim Abendgebet sah er mich plötzlich vor sich und erkannte zugleich, daß ich nicht zum Ehestand berufen sei. Am folgenden Morgen konnte ich in aller Gemütsruhe dem jungen Mann sagen, daß ich nie heiraten werde. Und das war die Gnade, die hatte gesiegt über die sinnliche Liebe.
Das erste, was ich nun tat, war eine gute Generalbeichte abzulegen, denn ich wollte vor allem alles mit der Wurzel ausreißen mit einer recht tiefen Beschämung. Und Gott sei mein Zeuge, daß ich mir von dort an große Mühe gab, Ihm zu gefallen und alle Sünden meines vergangenen Lebens gut zu machen, wenigstens mich zu bessern.
Das ging aber alles nicht so glatt ab. Solange ich es mit der Welt hielt, war alles recht. Jetzt aber war alles umgekehrt. Meine Schwester Marie schloß sich mir an und noch einige junge Mädchen. Damals waren meine Geschwister noch alle sehr jung und klein. Aber es kam die Zeit, wo meine Brüder ihren eigenen Hausstand gründen wollten. Da erhob sich denn auch in meiner Familie Widerspruch, und wir hatten von allen Seiten viel zu leiden.
Ich war von Jugend auf sehr zornmütig, herrschsüchtig, stolz und habsüchtig. Ich wollte um jeden Preis, daß unsere Familie nicht der Welt zum Spott werde, darum arbeitete ich lieber Tag und Nacht und trieb die anderen Geschwister an, das Gleiche zu tun. Und wirklich sagte vor einigen Jahren eine Frau zu mir, ihr Vater habe unsere Familie immer als Muster vorgestellt. Daher kommt es wohl, daß ich immer so ängstlich bin und meine, ich könne getäuscht sein, denn ich kann nicht begreifen, wie der liebe Gott, der ein so unendlich reiner Geist ist, ein so unwürdiges Werkzeug Sich erwählen konnte, um durch dasselbe Seine unendliche Liebe und Erbarmung der Welt zu offenbaren. Nur im Gehorsam schreibe ich dieses. Mögen diejenigen, denen das Recht zusteht, den Geist prüfen, der daraus spricht, und tun, was sie für richtig befinden.
Obwohl ich den lieben Gott bestimmt schon schwer beleidigt habe, so geht aber auch daraus hervor, wie unendlich gut der liebe Gott sein muß, und wie sehr er danach verlangt, alle Menschen zu retten.
Weil ich merkte, mit wie vielen Ketten ich an diese Welt gekettet war, suchte ich mit Eifer die Hilfsquellen auf, die das umstrickte Herz losreißen sollten, um es vom Verlangen nach dem Irdischen abzuziehen und zu himmlischen Begierden zu erheben. Ich legte mir zeitweise strenges Fasten auf. Lange Jahre versagte ich mir Obst und das Fleisch, im Winter sogar manchmal das Brot, und trank nur Kaffee oder aß Suppe und Kartoffeln. Denn in der Nachbarschaft wohnten zwei arme Buben, die sich mit ihrem alten, kranken Vater gar kümmerlich ernährten. Diesen brachte ich heimlich manchen Laib Brot. Ja, als der Vater gestorben war, und einer dieser braven Jungen krank wurde, versagte ich mir einen ganzen Winter lang das Brot, um die armen, verlassenen Knaben unterstützen zu können. Und als dieser starb, ließ er mich rufen, schlang seine beiden Hände um meinen Hals und rief: "Liebe Schwester, Gott vergelte dir, was du an uns getan hast. Gott segne deine ganze Familie, bis hinauf ins vierte Glied, denn du hast uns vom Hungertod errettet."
Ich war aber auch damals schon so geschwächt, daß ich beim Gehen einschlief. Ich mußte dieses unbedingt mir absparen, denn meine Mutter war selbst arm und die Familie groß. Auch ging ich immer gern zu Kranken und Sterbenden, und manche Nacht durchwachte ich an einem Krankenbett. Sogar in benachbarte Orte wurde ich gerufen.
Einmal nun wurde ich nach Elsenfeld ins Pfarrhaus gerufen, um einer alten Tante beizustehen, die schwerkrank war. Zwei Nächte wachte ich bei ihr. Als dieselbe beerdigt wurde, zeigte mir der liebe Heiland zum ersten Mal, wie sehr Er die Nächstenliebe belohne. Es war dort Sitte, daß alle Jungfrauen bei der Beerdigung ein Sträußchen Blumen bekamen, die sie ins Grab warfen. An mich aber, obwohl ich der Sterbenden zwei Nächte geopfert hatte, dachte man nicht, man gab mir keines. Niemand lud mich dazu ein, während andere mit ins Sterbehaus gehen durften. Dieser Undank tat mir sehr weh, und ich klagte es beim Seelengottesdienst dem lieben Heiland und bat ihn, mich doch zu entschädigen.
Als nun am Muttergottesaltar eine heilige Messe gelesen wurde, und der Priester bei der heiligen Wandlung die heilige Hostie emporhob, sah ich den Priester wie in einem dichten Nebel stehen bis zur heiligen Kommunion. Als der Priester aber kommunizierte, fiel ein Strahl auf mich zurück, und ich war wie vernichtet. Dort zeigte Er mir zum ersten Mal, wie sehr Er uns zu beglücken wünscht in der heiligen Kommunion. Ich traute mich immer noch nicht, darum bot ich alles auf, um das Herz vom Irdischen loszureißen und an Gott zu fesseln. Ich ließ mich in den Dritten Orden und in viele Bruderschaften aufnehmen, um gezwungen zu sein, den Gebetsgeist pflegen zu müssen, um allem unnützen Denken und Reden vorzubeugen. Als ich nun bei meinem Beichtvater, nachdem er mich ein ganzes Jahr geprüft hatte, das Gelübde der ewigen Keuschheit abgelegt hatte, machte er einmal die Bemerkung: "Fahre fort in diesem Eifer, und du wirst noch viele und große Gnaden erlangen."
Mit jedem Jahr wuchs in mir das Verlangen, Gott eifriger dienen zu können und ihm auch Freude zu machen. Darum kannte ich keine größere Freude, als Ihn in der heiligen Kommunion in mich aufzunehmen. In unserer Dorfkirche hatte ich keine Gelegenheit dazu, weil wir mitunter Priester hatten, die nicht einmal alle Sonntage Beichtkinder haben wollten, und so mußte ich übers Feld in eine entferntere Kirche gehen. So wanderte ich selbst im strengen Winter 1879 um Mitternacht, mindestens zweimal die Woche, in die Kapuzinerkirche nach Aschaffenburg, welches von Schippach fünf Stunden entfernt liegt. Einmal ging ich von dort heim, ich war ganz allein und betrachtete auf dem ganzen Weg die unendliche Güte Gottes, der uns mit solcher Gnade gleichsam überschüttet. Ich fand jedoch schon wieder in mir einen Fehler vor, den ich trotz der vielen Gnaden am selben Tag begangen hatte, und weinte bitterlich vor Reueschmerz. Da war mir's plötzlich, als wenn mich jemand erfaßte. Ich fühlte nicht mehr, daß ich gehe, und dazwischen kam ich öfters wieder zum Bewußtsein. So kam ich eine große Strecke weiter, ohne zu wissen, wie und in viel kürzerer Zeit wie gewöhnlich.
Dort hatte ich zum ersten Mal jenen geheimnisvollen Verkehr. Dies war am Dreifaltigkeitssonntag 1880. Dabei hörte ich die Worte: "Siehe, alle die Fehler, die du begangen und beweinst, will ich dir verzeihen, wenn du oft kommunizierst."
Ich berichtete dies meinem damaligen Beichtvater, und er gab mir neun Tage nacheinander die heilige Kommunion, und dann eine Zeitlang öfters. Aber das dauerte nicht lange. Alles Bitten war vergebens. Ich konnte nicht mehr erlangen, als daß ich für eine hoffärtige, eigensinnige Person erklärt wurde.
Einmal ging ich mit dem Ave-Läuten in die Kirche. Es war Fastnachtsdienstag, wo ich den lieben Heiland etwas entschädigen wollte, und bat um die heilige Kommunion, erhielt aber wie immer eine abschlägige Antwort. Als die Leute fort waren, wandte ich mich an den lieben Heiland und sagte: "Mein lieber Jesus, du siehst, daß es nicht an mir gelegen ist. So komm, ich bitte dich, geistig zu mir." Dabei weinte ich mein Herz recht aus und ging nach Haus.
Unter der Haustür begegnete mir ein junges Büblein und sagte: "Ich soll Sie fragen, ob Sie morgen früh nicht auf den Neuhof kommen wollen, unser Großvater ist sehr krank und verlangt nach Ihnen, weil er morgen früh versehen wird." Der Neuhof liegt dreiviertel Stunden von Schippach entfernt, gehört aber zu einer anderen Pfarrei. Und ich ging hin. Gegen 11.00 Uhr kam der Bauer an, der mit einem Gespann den Geistlichen seiner Pfarrei geholt hatte, und der alte Mann beichtete. Danach rief er die Angehörigen, und auch ich trat ein, um den lieben Heiland zu begrüßen. In diesem Augenblick erfaßte mich eine solche Sehnsucht nach dem lieben Heiland, daß ich den Priester bat, er möge mir doch ein kleines Partikelchen reichen. Der Priester fuhr zusammen und nickte, verwundert mich anschauend, mit dem Haupte. Tief bewegt ob der Güte Gottes speiste er den Mann, und wandte sich dann um zu mir, und gab mir nicht nur ein Partikelchen, wie ich in meiner Sehnsucht verlangt, sondern eine ganze Hostie.
Der Priester betete noch mit dem Kranken die Sterbegebete und gab ihm die Letzte Ölung, dann wandte er sich zu mir und sagte: "Für Sie hat heute der liebe Gott selbst gesorgt." Dann fuhr er fort: "Ich weiß nicht, wie dies zuging, ich muß mich vergriffen haben. Denn als ich schon längere Zeit gefahren war, fiel mir plötzlich ein nachzusehen, ob ich auch die heilige Hostie nicht etwa verlieren könnte, und sah zu meinem Erstaunen, daß ich statt einer Hostie deren zwei hatte. Jetzt sehe ich aber, daß der liebe Gott dies so gefügt hat." Dadurch aber, daß der liebe Heiland mir so auffallende Beweise seiner Liebe zu uns gab, wurde mein Glaube von Jahr zu Jahr lebendiger.
Seit meine jüngere Schwester ins Kloster gegangen war, deren einzige Freude darin bestand, die Kirche unseres Dorfes nicht nur äußerst reinlich zu halten, sondern auch innen mit Blumen zu schmücken und zu zieren, hatte ich diese Arbeit übernommen. Weil ich dem lieben Heiland die Freude der Vereinigung nicht gewähren konnte, suchte ich Ihm auf diese Weise Freude zu machen. Alles, was ich nur erübrigen und mir absparen konnte, verwandte ich zur Zierde unserer Dorfkirche. Altartücher, die Statue der Muttergottes von Lourdes sowie eine Herz-Jesu-Statue, die Kreuzwegtafeln, zu allem gab auch ich mein Scherflein dazu.
Jahre vergingen, eine Prüfung äußerer und innerer Leiden reichte der andern die Hand. Bemerken muß ich noch, daß ich alle Geldopfer, die ich dem lieben Heiland brachte, nicht ohne die Zustimmung meiner geistlichen Vorgesetzten gab. Ich gab dazu die Anregung, wie mein Scherflein verwendet werden sollte, und ging auch dazu bei guten Leuten betteln. Das Letzte, was ich anregte, war, einen neuen Tabernakel für unsere Kirche zu ermöglichen. Ich schrieb nach Mainz an P. Alphons, nach N. an die Oberin einer meiner Schwestern und nach F. an einige reiche Damen, bei denen eine Jugendfreundin von mir in Dienst ist. Aber an beiden Stellen wurde ich abgewiesen, in F. sogar sehr kränkend. Die Oberin meiner Schwester dagegen schickte an das Pfarramt zu Elsenfeld 41 Mark mit der Bemerkung: "Für einen neuen Tabernakel in der Kirche zu Schippach." Und als ich meine Heimat verließ, um nach Mainz zu gehen, hatte ich bereits an 200 Mark geopfert und erbettelt.
Aber das alles genügte dem lieben Heiland nicht. Mit unseren armseligen Bettelpfennigen ist Ihm nicht geholfen. Er verlangt, daß wir Ihm die ganze Kraft unseres Willens, ja unser ganzes Herz zum Opfer bringen, denn bei all den äußeren Opfern, die wir Ihm darbringen, kann unser Herz durch Hochmut Ihm doch sehr mißfallen. Darum sorgte Er dafür, daß der Stolz nie recht in mir aufkommen konnte. Meine Vorgesetzten, anstatt meinen Eifer zu unterstützen, taten, als ärgerte sie mein Streben. Als die Herz-Jesu-Statue ankam, stellte sie unser damaliger Kaplan auf die Stelle, wo früher der Pelikan stand, der jetzt zerfallen ist. Alle Leute freuten sich über diese Neuanschaffung, wenn sie beim Eintritt in die Kirche ihren Blick auf den Tabernakel richteten, denn der Anblick mußte in jedem den Gedanken erwecken: "Betrachte, o Christ, hier mein Herz, als Symbol der Liebe, und hier im Tabernakel bin ich wahrhaftig."
Eines Sonntags kam ich nun einmal von einer auswärtigen Heiligen Messe heim. Wir hatten nämlich zur Zeit keinen Kaplan, und Herr Pfarrer mußte jeden Sonntag erst in die Pfarrei, dann in den Filialen die Messe halten. Wer also beichten und kommunizieren wollte, mußte in eine andere Pfarrei gehen. Mein Bruder trat mir zornig entgegen und sagte: "Nicht eher mehr gibt es Frieden zwischen uns beiden, bis du den Kirchendienst aufgegeben hast. Glaubst du, du hängst deine Kreuzer all an die Kirche, und ich steh' am Sonntag in der Predigt und muß anhören, wie der Pfarrer dich vor den beiden Gemeinden als närrische Person hinstellt.
Ich habe gesehen, wie sich einer gegen mich wandte und mir die Zunge zeigte." Meine Schwägerin war gerade so aufgebracht, denn sie waren beide in der Kirche, als ich so öffentlich beschimpft wurde, und die Schadenfreude der Leute war unbeschreiblich groß. Der Herr Pfarrer sagte: "Diese Statue gehört nicht auf den Tabernakel, die Person, die sie hereingeschafft hat, soll sie nur augenblicklich weg tun. Meinetwegen kann sie dieselbe dort hinten ans Fenster stellen. Aber da, wo sie jetzt ist, bleibt sie nicht stehen, die zieht nur die Augen ab von der Monstranz."
Der Kaplan, der die Herz-Jesu-Statue auf diese Stelle gebracht hatte, war fort, und so gab ich dem Glöckner gute Worte, die Statue herunterzuschaffen, und lange Jahre stand die schöne Statue meines lieben Jesus in einem alten, schmutzigen Fenster, und der Anblick war für mich ein beständiger Schmerz. Aber ich ertrug meine Leiden in stiller Ergebung. Wie oft, ja wie oft wurde ich entweder in der Sakristei oder in der Kirche öffentlich beschimpft und abgewiesen, wenn ich um die heilige Kommunion bat, und dies oft mit sehr kränkenden Worten.
Meine Schwester Maria wurde durch diesen beständigen Kampf und all die verächtlichen Reden, die wir zu hören bekamen, bewogen, ins Kloster zu gehen, denn sie sagte: "Ich glaube nicht, daß ich das mein Leben lang aushalten kann. Ich geh' fort, sonst komme ich am Ende wieder auf die alten Wege."
Die erste Nacht, als ich mit dem Gedanken umging, meinen Verwandten zuliebe den Kirchendienst aufzugeben, wie sie es verlangten, träumte mir, daß ich die Kirche ziere. Als ich an die liebe Muttergottesstatue kam, um sie abzustauben, sah sie alt und staubig aus, und sie blickte mich wie lebend sehr traurig an. Ich sagte zu ihr: "O liebe Mutter, was soll ich denn machen? Soll ich dem Willen meiner Verwandten folgen und den Kirchendienst aufgeben?" Da ging von ihrem Körper ein Strom Wassers aus, der in Bächlein durch die ganz Kirche floß, und wie das Wasser abgeflossen war, war sie eine wunderschöne Frau, welche mich also anredete: "Siehst du, mein Kind, dieses sind die Wasser der Trübsale, so mußt du hindurch gehen." Und dabei deutete sie mit dem Finger zur Türe hinaus auf den Kirchhof, ich möge hinausgehen. Und ich sah ein Totenhaus, ganz mit Totenschädeln angefüllt, und vor jedem einzelnen brannte eine Kerze, und zugleich verstand ich innerlich, daß ich meine Trübsale für die Armen Seelen tragen solle.
In der zweiten Nacht darauf träumte mir abermals, ich ziere die Kirche. Vor mir hatte ich die Statuen des heiligen Josefs, der lieben Mutter Gottes, des heiligen Joachim und der heiligen Anna. Ich weinte bitterlich und bat sie um Hilfe, indem ich auf meinem Angesicht liegend, den heiligen Josef anflehte. Auf einmal berührte mich derselbe, als ob er lebendig sei, und bedeutete mir, ich möge aufstehen, und dann sagte er mir: "So hoch wie der Himmel soll deine Liebe sein, und so tief, bis zum Staub der Erde, sollst du dich verdemütigen, und du sollst geradeaus gehen und nicht rechts und nicht links schauen."
Dabei deutete er mit der Hand hinauf zum Himmel, dann zur Erde, dann nach rechts und links, und ich erkannte, daß ich nach meinen Verwandten nichts fragen solle, sondern den Kirchendienst mit allem Fleiß weiter verrichten müsse, was ich auch tat.
In der Fronleichnamsoktav ließ ich jedes Jahr ein Engelamt halten für meine Eltern und zur Danksagung für eine große Gnade. Da bat ich nun Herrn Pfarrer auch um die heilige Kommunion. Er sagte: "Ja." Und so kniete ich mich vorn an die Kommunionbank. Die Kirche war ganz voll, und alle konnten sehen, daß ich kommunizieren wollte. Als der Gottesdienst aus war, ging der Pfarrer in den Beichtstuhl. Vor Scham und auch innerer Sammlung sah ich mich gar nicht um, sah also auch nicht, daß die Kirche voll Kinder kniete, die beichten wollten. Weil ich glaubte, er sitze für mich zur Beichte, ging ich gleich hin. Augenblicklich sprang der aufgebrachte Herr auf und schlug mit solcher Gewalt auf den Beichtstuhl, daß alle Kinder erschrocken zusammenfuhren und schrie: "Eine so abstrakte, eigensinnige Frömmigkeit habe ich noch nie gesehen. Packen Sie sich von meinem Beichtstuhl weg und augenblicklich." Ich war starr vor Schrecken und mußte mich festhalten, denn ich war ganz ohnmächtig.
So ging ein Kaplan fort, ein anderer kam, oder wir hatten oft jahrelang gar keinen. Aber das Verlangen nach der öfteren heiligen Kommunion blieb nach wie vor. Nicht oft, aber doch einige Male, hörte ich in mir jene geheime Stimme: "Du mußt immer wieder die Vorgesetzten um die öftere Kommunion bitten, und du wirst diese Gnade noch erlangen, aber erst dann, wenn du einmal deinen Willen dem meinigen ganz unterworfen hast. Du sollst das Werkzeug sein, dessen ich mich bedienen will, um auch anderen dies Glück zu verschaffen."
Weil ich mir nie getraute zu sagen, daß eine innere Stimme mich dazu auffordere, die heilige Kommunion öfters zu empfangen, und weil ich damals auch noch nichts wußte von einem geheimen Verkehr der Seele mit Gott, so hatte ich von einem Priester ein halbes Jahr viel zu leiden. Er sagte, das Verlangen nach der öfteren Kommunion in mir sei nichts anders als Hochmut und Eigensinn, ich sei eine aufgeblähte Person und viel weniger als die allerletzte im Dorf. Anstatt fortzulaufen, wie es viele getan hätten, blieb ich aber bei ihm, erforschte nur um so genauer alle Regungen meines Innern und beichtete um so gewissenhafter. Drei Wochen lang gab er mir gar keine Kommunion. Und als er fortging von uns, sagte er: "Ich habe dich die letzte Zeit hart behandelt, doch habe ich mich getäuscht in dir. Fahre fort in deinem Streben, aber was du suchst, wirst du nie erlangen, solange die Umstände sich nicht ändern." Er meinte damit, solange kein anderer Pfarrer in unserer Dorfkirche eingesetzt würde. Sein hochwürdiger Nachfolger, ein Kaplan, gab mir die heilige Kommunion jedoch jede Woche zweimal, bis er eines Tages kam und sagte: "Unser Pfarrer hat mir gesagt, er werde nie zugeben, daß auf den Filialen die öftere Kommunion eingeführt werde."
Nun wußte ich doch wenigstens, daß meine Sünden nicht allein die Ursache dafür sein konnten. Und von jener Zeit an belästigte ich in meiner Pfarrei keinen Priester mehr und befolgte das Wort des Herrn Domkapitular Dr. Schork in Würzburg, jetzt Bischof von Bamberg, der zu mir sagte: "Fahre fort, denn das Verlangen nach der heiligen Kommunion kann nur von Gott herkommen. Wenn du sie in deiner Pfarrei nicht haben kannst, so geh hin, wo du sie kriegst."
Einmal, als ich weniger Trost bei der heiligen Kommunion empfand als sonst, und deswegen sehr ängstlich war, weil ich durch Spottreden, die wir oft zu hören bekamen in unserer Pfarrei, eher entmutigt, als zum Eifer angefacht wurde, hatte ich nachts einen Traum: Ich sah die liebe Muttergottes auf mich zukommen und vor ihr her schwebten zwei Hostien, die so viele Strahlen auswarfen wie die Sonne. Neben mir war eine große Säule, die bis zum Himmel reichte. Die liebe Muttergottes sagte: "Siehe, das sind deine zwei heiligen Kommunionen, die du am Sonntag und Dienstag empfangen hast." An diesen zwei Hostien sah ich keinen Unterschied, wiewohl ich bei der einen voll von Ängsten und bei der anderen voll Andacht war. Die heiligen Hostien schwebten an die Säule, und alles war verschwunden. Ich erzählte meinem Beichtvater davon, welcher mir sagte: "Dies ist ein Trost für dich, weil du so ängstlich bist wegen deiner Kommunion, damit will dich der liebe Heiland belehren, daß, wenn du einmal die Erlaubnis von deinem Beichtvater hast - denn die Säule bedeutet die heilige Kirche, und ich als dein Beichtvater hatte dir die Erlaubnis gegeben - du nicht mehr auf deine Gefühle schauen sollst. Denn daß die eine Hostie mehr glänzte als die andere, soll dich belehren, daß es nicht auf das andächtige Gefühl ankommt, sondern auf den guten Willen."
In demselben Jahre, als Hochwürden gesagt hatte, er ließe die Kommunion in der Filialkirche nicht einführen, empfing ich einmal in meiner Dorfkirche die heilige Kommunion. Als der Priester die heilige Hostie in die Hand nahm, ging ein solcher Glanz von derselben aus, daß der ganze Chor der Kirche erfüllt war davon und alle, die kommunizierten, wurden von diesem Glanz erfüllt. Meine Seele fühlte ein solches Entzücken, daß meine Sinne mir schwanden, und in diesem Zustand hörte ich die Worte: "Jetzt ist die Zeit bald gekommen, wo dein Verlangen in Erfüllung gehen wird."
Ich dachte, wahrscheinlich kommt ein Priester in unsere Pfarrei, der mir die Kommunion künftig geben wird. Aber es kam ganz anders. Damals waren alle meine Geschwister noch unverheiratet, außer meine ältere Schwester. Nach dem Tod meiner Mutter kamen zwei von ihnen, ein Bruder und eine Schwester, nach N. ins Spital der Barmherzigen Schwestern. Dort war man besonders mit meinem Bruder sehr zufrieden. Fünf oder sechs Jahre war er dort, und ich war überglücklich, meine Geschwister in guten Händen zu wissen. Einmal kam ich hin, da sagte mir eine jener Klosterfrauen, sie werde meinen Bruder heiraten. Bei diesem offenen Bekenntnis überfiel mich eine Ohnmacht. Alle Bemühungen, die Sache zu vereiteln, waren vergebens. Sie bat um Erlaubnis, aus dem Orden auszutreten und heiratete meinen Bruder. Was mich aber dieser Schritt, den ich mit Anstrengung all meiner Kräfte verhindern wollte, gekostet hat, weiß nur Gott allein. Als sie einige Jahre verheiratet waren, ging ich einmal auf einige Tage hin auf Besuch. Der schöne Gottesdienst, wie er hier in Mainz gehalten wird, gefiel mir sehr, besonders aber sah ich, daß hier wirklich, was ich nicht glauben konnte, täglich die heilige Kommunion ausgeteilt wurde.
Dies war für mich ein Fingerzeig Gottes. Ich wartete den Tod einer alten Tante, die auf meine Pflege angewiesen war, noch ab, dann aber sagte ich meiner Heimat Lebewohl und ging, wohin der Herr mich rief. Nun begann für mich ein ganz anderes Leben als seither. Hier kannte ich keinen Menschen. Welche Überwindung es mich kosten mochte, soll sich ein vernünftiger Mensch selbst vorstellen. Ich mußte mich hier den Launen einer Schwägerin unterwerfen, die zwölf Jahre Klosterfrau war und sinnliche Liebe für Gottesliebe umgetauscht hatte, während ich das Gegenteil anstreben wollte. Es war große Armut und Not bei meinen Verwandten, als ich dorthin kam. Darum begann für mich wieder eine Zeit harten Kampfes. In meiner Heimat hatte ich keine Nahrungssorgen, meinen Verwandten daselbst konnte ich nützlich sein und meine Schwägerin dort hatte mich sehr lieb gewonnen. Hier aber war man mir abgeneigt, weil ich mich dieser Heirat so sehr widersetzt hatte, und ich wußte auch nicht, wie ich mich ernähren sollte.
Einmal war nun meine Schwägerin wieder gar sehr gegen mich aufgebracht, weil sie mich gern aus dem Haus gehabt hätte. Es war der Vorabend vor Ignatius, wo ich in der Ignatius-Kirche läuten hörte, als ich die Kinder zu Bett gebracht hatte. Ich eilte hin. Und als ich eintrat in die Kirche, hörte ich in mir eine Stimme, die sprach: "Hier will ich dich haben. Du sollst dich von jetzt an als Schutzkind des heiligen Ignatius betrachten und nicht mehr als ein Schutzkind des heiligen Antonius. Und gleich wie Ignatius sich um Christi Willen den Zähnen wilder Tiere preisgab, so sollst du dich um Christi Willen zerfleischen lassen durch die Zähne der Menschen."
Von da an wußte ich nun, daß Gott mich hier haben wolle, und zwar bei meinen Verwandten. Aber wie mich ernähren? Da hörte ich wieder einmal die Stimme, die zu mir sprach: "Meine Tochter, ich will, daß du bei deinen Verwandten bleibst. Ich werde für dich sorgen, du sollst keinen Mangel leiden. Ich werde deine Verwandten segnen, daß du zu leben hast, ja im Überfluß zu leben hast." Nun ließ ich alles über mich ergehen. Die Kirche und die heilige Kommunion waren der Magnet, der mich beständig anzog.
So verbrachte ich manchmal einen ganzen Tag vor dem Allerheiligsten, wenn meine Verwandten, die meine Neigung kannten, mir hier und da mal ein Vergnügen machen wollten. So verging ein Jahr.
Immer deutlicher ließ der Herr mich seine Nähe fühlen, und der Umgang mit ihm wurde immer zutraulicher. Auf geheimnisvolle Weise zeigte mir der Herr, welch tiefe Erniedrigung es für Ihn ist, daß Er Sich täglich auf unseren Altären den Händen Seiner Geschöpfe preisgibt. Und ich hörte die Worte: "Ich verlange mehr Dank und Anerkennung von meinen Dienern." Ein anderes Mal zeigte Er mir wieder Seine Freude, die Ihm von denjenigen bereitet wird, die Ihn würdig empfangen. Da sprach der Herr wieder:
"Siehe, jetzt habe ich dir dies Glück verschafft, sorge aber auch dafür, daß es anderen ebenso zuteil werde. Gehe zu deinem Bischof und sage ihm: Es sei mein Wille, daß die öftere Kommunion überall eingeführt und gefördert werde."
Ich erschrak, als ich diese Stimme hörte, denn ich war froh, doch endlich einmal die beständigen Widersprüche meiner Vorgesetzten los zu sein, und für mich hatte ich ja alles erreicht, was ich mir wünschte, die tägliche heilige Kommunion, und jetzt mußte ich fürchten, wieder mein Glück verlieren zu müssen.
So verging der Monat Mai, ohne meinem Beichtvater etwas davon zu sagen. Als ich der letzten Maiandacht in einer Kirche beiwohnte, war das Allerheiligste am Muttergottesaltar ausgesetzt. Ich kniete noch davor und betete mit der ganzen Inbrunst meiner Seele. Aber der Herr zeigte Sich unwillig. Um jeden Preis wollte ich nun wissen, was die Ursache Seines Unwillens über mich sei, und erfuhr, die Ursache sei die, daß ich mich so vor dem Leiden fürchte und Sein Anliegen so geheim hielte vor meinem Beichtvater. Eine Angst überfiel mich, daß mir eine leichte Ohnmacht kam. Von dort ging ich in die Seminarkirche, da hörte ich zum zweiten Male die Worte: "Du sollst nach N. gehen und deinem Bischof sagen, was ich verlange."
Jetzt sagte ich es aber meinem Beichtvater. Dieser lachte mich aus. Am Fest des heiligen Antonius, (13. Juni), hörte ich nach der heiligen Kommunion wieder die Worte: "Siehe, all deinen Undank will ich vergessen, wenn du ganz über dich hinweggehst und tuest, was ich dir sage." Jetzt suchte ich wieder meinen Beichtvater auf, und bat ihn unter Tränen, mir doch zu erlauben und die Wege zu sagen, um zu meinem Bischof zu kommen. Dieser sagte: "Das sind Schwächen, du bist krank." Und schickte mich zu einem Arzt. Der Arzt sagte: "Du darfst nicht so lang beten und mußt dem Beichtvater folgen", und der Beichtvater verbot mir, ich dürfe von nun an nicht länger als in zwei heiligen Messen in der Kirche bleiben.
Nun fühlte ich bald nach diesem Verbot eines Tages wieder, wie nach der heiligen Kommunion mich diese unerklärliche Gewalt überfiel, daß es mir war, als sei ich nicht mehr Herr über mich. Aber ich sagte: "O Herr Jesus, wenn Du es bist, der alle meine Sinne so fesselt, so muß ich Dir heute sagen, daß ich mich mit Dir nicht abgeben darf, denn mein Beichtvater verbietet mir, länger zu bleiben, als in zwei heiligen Messen, und wenn ich mich mit Dir einlasse, dann vergesse ich den Gehorsam." Augenblicklich verließ mich die Gewalt und zog sich zurück.
Mein Beichtvater kam fort, und ich zog in einer neuntägigen Andacht die liebe Muttergottes zu Rate, wen ich mir an seiner Statt wählen sollte. Die liebe Muttergottes teilte mir mit, daß ich zu Pater Alphons gehen solle. Als ich nun diesem von meinen übernatürlichen Dingen gesagt hatte, wies er mich anfangs barsch ab. Später aber befahl er mir, alles aufzuschreiben und ihm zu bringen. Dies tat ich auch mehrere Jahre hindurch, bis kurz vor dem Tod meines Bruders.
Die meiste Zeit, wo ich hier in Mainz zubrachte, hatte ich von meiner Schwägerin viel zu leiden. Besonders in der letzten Zeit, wo mein Bruder noch lebte, da war es fast nicht mehr auszuhalten. Da war es nun, wo mein Beichtvater mir mehrmals sagte: "Hab nur keine Angst, ich sorge für dich, du brauchst aus Mainz nicht mehr wegzugehen."
Und als ich einmal gar bitterlich bei ihm weinte, machte er wirklich Anstalten, mich irgendwo, wahrscheinlich in einem Stift, unterzubringen. Das war vor Weihnachten. Er hatte mir befohlen, eine Zeitlang nach N. zu gehen, zu meinem Bruder, bis er die Sache geordnet habe. Da ging ich eines Tages mit meinen zwei Nichten zur heiligen Messe. Bei der Wandlung schaute mein Geist statt der heiligen Hostie Christus, den Herrn, wie Er als Mensch lebte, und Er sprach zu mir:
"Meine Tochter, ich will nicht, daß du aus dieser Stadt weggehst. Auch sollst du in kein anderes Haus gehen, als da, wo ich dich hingestellt habe. Ich will dich meine Absicht wissen lassen. Siehe damals, als deine Schwägerin aus dem Kloster austrat, um deinen Bruder zu heiraten, hat Satan Meiner sehr gespottet, weil diese Klosterfrau seinen Versuchungen nicht widerstand. Ich will ihm aber zeigen, was eine Jungfrau aushalten kann, die Mich liebt.
Diese Klosterfrau hatte eine fromme Jugendzeit durchlebt, und Satan brachte sie zum Fall. Dich habe Ich nun an ihre Seite gestellt, denn Ich will sie retten. Auch habe Ich dich deswegen in eine Wirtschaft geführt, um der Welt zu zeigen, daß man Mir überall dienen und Mich lieben kann. Bleibe also, wo Ich dich hingestellt habe. Wenn auch dein Bruder bald stirbt, so gebe Ich dir die Versicherung, daß deine Schwägerin nicht mehr heiraten wird."
Dies sagte ich meinem Beichtvater. Dieser lachte mich aus, und sagte: "Nun gut, so warte es doch ab, bis man dich hinausschmeißt." Einmal fragte ich nun den lieben Heiland, warum Er mir noch gar nichts von Seinem Leiden mitgeteilt habe, während Er mich doch sonst schon so vieles wissen ließ. Da sagte er mir: "Weil du noch nicht darauf vorbereitet bist." Dies war etwa Eineinhalbjahr vor dem Tode meines Bruders. Mein Beichtvater muß diese Worte ausgelegt haben, als wolle der liebe Heiland ihm sagen, er soll mich darauf vorbereiten. Denn lange Zeit erinnerte er mich in jeder Beichte an das Leiden Christi, aber dies half wenig, weil mir die Gnade noch innerlich fehlte.
Die härtesten Prüfungen hatte ich hier in Mainz durchzumachen in den Jahren 1891 und 1892, nicht nur von meinem damaligen Beichtvater, sondern auch von meiner Schwägerin. Im Winter 1891 glaubte man, jeder Tag sei der Todestag meines Bruders. Seine Frau, die das friedliche, sorgenfreie Leben geopfert hatte, um dieses kummervolle, sorgenschwere Eheleben einzutauschen, stand nun an seinem Sterbebett, der noch die einzige schwache Hoffnung ihres vermeintlichen Lebensglückes war, mit zwei Kindern von fünf und sieben Jahren. Von allen Seiten drohte man ihr, sie um die Wirtschaft zu bringen, womit sie doch ihr tägliches Brot für die Kleinen verdienen mußte. Anstatt nun meinen armen Bruder trösten zu können in seinen unsäglichen Schmerzen, machte sie ihm noch am Sterbebett Vorwürfe, er sei selbst schuld an seinem frühen Tod, und er habe sie jetzt mit ihren Kindern in solches Elend gestürzt.
Man kann sich leicht denken, wie bei solchen Zuständen sich beide gegen den mit jedem Tag näher rückenden Tod wehrten. Um keinen Preis gab er sich dem Gedanken hin, er werde sterben. In sich ganz zerfallen vor Kummer und Sorgen, Tag und Nacht von den Schmerzen der Krankheit gequält, wußten beide ihre Ungeduld und ihre Abneigung gegen mich gar nicht genug auszulassen. Es scheint, daß meine Schwägerin in jener Zeit, nach dem Tod ihres Mannes, mich aus dem Haus schaffen wollte.
Kurz, wenn ich morgens aus der Kirche kam, da ging das Schimpfen und Schikanieren schon los und hörte erst auf, wenn die Augen nachts vor 11.00 Uhr zufielen. Tränen waren mein Nachtgebet. Ich dachte immer, wenn mein Bruder in diesem Zustand stirbt, ist er unrettbar verloren, und deshalb redete ich beiden manchmal zu, ob ich denn nicht einen Priester rufen dürfe. Aber da kam meine Schwägerin ganz außer sich. Mein Bruder sagte aber dann, um seine Frau zu beruhigen: "Ich gehe schon einmal in die Kirche und werde auch beichten."
Nun wandte ich mich in meiner Angst mit einer neuntägigen Andacht an den heiligen Josef und empfahl ihm die Seele meines Bruders. Und dank dem heiligen Josef, schon am dritten Tag sagte meine Schwägerin, als ich von der Kirche heim kam: "Mein Mann will beichten. Du kannst gleich hinüber ins Pfarrhaus gehen und Herrn Kaplan rufen." Vorher war ich schon einmal heimlich zum Pfarrer gegangen und hatte ihm gesagt, daß mein Bruder bald nach Aussage des Arztes sterben solle, denn er hatte Lungensucht, und ich bat ihn, einmal meinen Bruder zu besuchen und ihm zuzureden, was er auch tat. Er wurde aber von beiden abgewiesen. Aber jetzt wollte man den Priester rufen. Glücklich über solche Sinnesänderung, ging ich den Kaplan zu rufen, und so beichtete er die elf Wochen, die er noch lebte, noch viermal und starb sehr erbaulich. Er selbst sprach für sich die Sterbegebete.
In jener Zeit war es, wo ich einmal in der Kapuzinerkirche den Kreuzweg betete. Bei der 5. Station konnte ich nicht mehr weiter, weil ich kein Gefühl mehr hatte. Mein Geist schien ganz versenkt in das Leiden Christi, denn die Welt war meinen Sinnen wie entschwunden. Ich sah den lieben Heiland auf mich zukommen mit einem schweren Kreuz auf dem Rücken. Neben mir blieb er stehen, und ich schaute in sein heiliges Angesicht, das mit dicken Schweißtropfen bedeckt zu sein schien. Er blickte mich liebevoll an, und sagte:
"Meine Tochter, willst du Mir folgen?" Ich zögerte und dachte nach, was das bedeute. Er aber fuhr fort: "Wenn du Mir dienst, wie bisher, so kommst du auch in den Himmel. Willst du Mir aber Freude bereiten, so folge Mir auf dem Weg, den Ich dich jetzt führen will. Ich verlange aber dazu deine Einwilligung."
Ich wußte gar nicht, was ich nur machen sollte. Ich fürchtete, ich könnte getäuscht sein und doch wußte meine Seele, daß dies der Herr, unser Gott sein müsse, der ihr Leiden anbieten wollte, die ihr seither nie begegnet waren. So lag ich nachmittags von zwei bis vier Uhr auf der Erde ohne Gefühl, bis die Kinder meines Bruders mich aufsuchten. Bald darauf wiederholte sich dieselbe Erscheinung, und jetzt sagte ich es meinem Beichtvater, welcher mir zur Antwort gab: "Ja, den Willen Gottes müssen wir tun." In der darauffolgenden Woche kam diese Erscheinung erneut. Und nun sagte ich ganz entschieden: "Herr, führe mich, wie du willst, und schicke, was du willst, ich will dir folgen. Nur gib meinem unbeständigen Willen auch die Kraft, alles zu ertragen, was noch Schweres über mich ergehen soll."
Dies war nach Neujahr 1892, und nun kam nichts Besonderes vor, so daß ich hätte denken können, dies könne ein anderes Kreuz sein, als dasjenige, welches ich bis jetzt getragen hatte. Daß mein Bruder starb und mir damit die Hoffnung auf eine weitere Existenz hier in Mainz abgeschnitten wurde, war mir kein Kreuz, weil ich sah, wie geduldig und gottergeben mein Bruder jetzt litt und starb. Und für mich hatte ich ja meine ganze Hoffnung auf Gottes Wort, das ich vor Weihnachten im Dom gehört hatte, gegründet. So vergingen weitere zwei Monate.
Am Fastnachtssonntag kommunizierte ich wieder wie gewöhnlich in der Kirche. Der Herr hatte aber an diesem Tag meine Seele so in Besitz genommen, daß ich es gar nicht merkte, wie weit die Zeit schon vorgerückt war. Plötzlich überfiel mich eine solche Gewalt, daß ich gar nicht mehr Herr war über mich selbst. Mein ganzer Körper wurde mit solcher Gewalt geschüttelt, daß meine Glieder krachten, und ich war nicht imstande, mich auch nur im geringsten dagegen zu wehren. Dies mußte doch von Leuten gesehen und den Patres im Kloster gemeldet worden sein, denn es kamen zwei Patres und wollten mir behilflich sein, weil sie es wohl für Schwäche hielten. Sie ließen mir Kaffee und ein Gläschen Wein in die Kirche bringen, aber ich konnte vor lauter Schütteln nichts davon zu mir nehmen. Und dabei sprach eine Stimme in mir: "So wie in diesen Tagen die Kinder der Welt, die doch Glieder Meines Leibes sind, diese Glieder nur gebrauchen, um Satan damit zu dienen, so sollen deine Glieder zerrissen werden. Du sollst Mich entschädigen, indem du mit Mir leidest."
Daraus erkannte ich aber, daß dies nichts Natürliches sein könne. Als das furchtbare Schütteln immer wiederkehrte, sobald sich diese Stimme hören ließ, wurde mir es unheimlich, und deshalb fragte ich die beiden Patres nach meinem Beichtvater. Denn diese Herren wußten ja gar nichts von mir und kannten mich nicht. Aber mein Beichtvater ließ sich nicht sehen. Damit will ich nur den Schmerz ausdrücken, daß er in den drei Jahren, seitdem ich dieses Leiden an mir hatte, nichts mehr von sich hören und sehen ließ. Nach drei Jahren starb er. Dieses Leiden wiederholte sich alle Freitage der ganzen Fastenzeit und ebenso im Advent.
Anmerkung: Seit Fronleichnamsfest 1895 tritt das oben gemeldete Leiden mit darauffolgender Ekstase auf: an allen Vigilien der großen Feste unseres Herrn und der lieben Muttergottes bei letzteren oft Schlag Mitternacht, an Festtagen der minder großen Feste im Advent und in der Fastenzeit meist donnerstags, freitags und samstags, zur Zeit der Priesterexerzitien jeden Donnerstag und Freitag, an allen Freitagen des ganzen Jahres mit Ausnahme des Monats November, bei der Ewigen Anbetung in meiner Pfarrkirche, am letzten Tag des Großen Gebetes in der Stadt, am Portiuncula-Fest, schließlich an Vigilien vom Fest der heiligen Familie, St. Peter und Paul, der heiligen Magdalena und Clara, des heiligen Erzengels Michael, Franz von Assisi, Johannes des Evangelisten, Johannes des Täufers und St. Barbara.
Das Leiden ist charakterisiert durch einen dreimaligen auffallenden Ansturm, wo der ganze Körper geschüttelt wird wie ein Baum im Winde und der Kopf von einer Seite zur andern heftig und gewaltsam hin- und hergeschleudert wird. Wer es nur einmal gesehen hat, kann leicht ermessen, daß nach einer so gewaltigen Erschütterung des Gehirns der Mensch kaum fähig ist zu einem vernünftigen Gedanken, geschweige denn zu einer wohlgesetzten Rede. Der Erfahrung nach weiß man, daß, wenn der erste Sturm vorüber ist, die beiden anderen ganz sicher darauf folgen und unmittelbar nach dem dritten Anfall die eigentliche Ekstase beginnt. Kaum eine Minute nach dem dritten Leidenssturm hat der eben noch so sehr geschüttelte und gequälte Körper wieder seinen normalen Zustand, die vollständige Ruhe und die volle Kraft der Stimme, und sie fängt sofort an, ein Loblied zu singen. Da der dreimalige Sturm mit Pausen von 20 Minuten, oft noch länger oder auch mal kürzer, auftritt, so hat man Zeit, jemanden zu rufen, um die Worte des Herrn aufschreiben zu können.
Das erste Mal, wo dieses Leiden mich in einer Mainzer Kirche überfiel, ließ mich eine mir unbekannte, mitleidige Dame nach Hause fahren. Gott allein ist es bekannt, was ich in den drei letzten Jahren vor dem Tode von P. Alphons († 1895) an meiner Seele unter seiner Leitung gelitten habe wegen dieses übernatürlichen Leidens. Von jener Stunde an verbot er mir, die Kapuziner-Kirche nochmals aufzusuchen. Ich durfte sie nur betreten, wenn ich beichten ging. Anstatt eines Wortes der Ermunterung, konnte ich hören: "Du bist närrisch! Für was legst du denn den langen Weg in die Kirche hin? Es ist der Teufel in dir. Pack dich aus meiner Kirche! Geh in deine Pfarrkirche, denn von allen Seiten werde ich aufgefordert, dich aus der Kapuziner-Kirche zu vertreiben." Das einzige, was mich noch aufrecht hielt, war, daß Er mir den Auftrag gab, täglich zu kommunizieren.
Nun ging ich in meine Pfarrkirche. Dort ging ich aber noch keine vierzehn Tage hin, als mir die Pfarrkirche vom dortigen Pfarrer gleichfalls verboten wurde. In der nächsten Beichte fragte ich wieder, wo ich denn jetzt kommunizieren solle, und er befahl mir, in die S.-Kirche in Mainz zu gehen. Da ich noch nicht die Erfahrung hatte wie jetzt, wo ich doch weiß, wie sich das Leiden entwickelt, und ich zu Hause bleibe, wenn sich die Vorboten einstellen, so war ich ganz untröstlich. Ich dachte nämlich, das Leiden werde sich auch in der Kirche einstellen, und ich dort auch fortgeschickt werde. Deshalb weinte ich eine ganze Nacht und beklagte mich sehr beim lieben Heiland, und sagte ihm: "O lieber Jesus, wenn ich nun dort auch noch fortgeschickt werde und ich Dich auch noch lassen muß, so hab ich ja gar keinen Halt mehr!"
Nach Mitternacht hörte ich die Stimme, die mir sagte: "Steh' auf und geh in die Kapuziner-Kirche, ich will für dich sorgen, daß dir nichts mehr vorkommt." Da dachte ich bei mir, so will ich denn der Stimme so lange folgen, bis ich zu meinem Beichtvater komme und ihn fragen kann, was ich machen soll. Am folgenden Samstag sagte ich es meinem Beichtvater, und er sagte dann ganz bewegt: "Ja, ja Kind, es ist recht so, komm nur wieder in diese Kirche."
Dies alles ist jetzt leicht niederzuschreiben, denn ich brauche nicht erst Worte zu studieren, wie ich gestern im christlichen Unterrichte gehört habe, daß es Leute gibt, die ganze Bücher zusammenlügen und erdichten könnten. Auch ist es leicht zu lesen.
Wer es aber liest, den bitte ich um sein Gebet, um Kraft für mich Arme, denn meine inneren Leiden hören noch nicht auf. Ich bitte aber auch alle Leser dieser Zeilen, wenn ähnliche Leiden über sie kommen sollten, abzusehen von den Menschen und sich ganz allein an Gott anzuklammern, der das arme Herz doch zur rechten Zeit zu trösten weiß.
So verging das erste Jahr, ich durfte nichts mehr sagen, noch aufschreiben, und mußte diesen Geist als unecht verwerfen. Und um meinen Geist ganz seiner Leitung zu unterstellen, nahm mein Beichtvater am Dienstag in der Karwoche 1892 mir die Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams ab. Als ich an jenem Tage heimkam von der Kirche, kniete ich vor einem Muttergottesbild nieder und wollte meine Danksagung verrichten. Meine Seele ward dabei in ihren Seelenbräutigam so verzückt, daß meine Verwandten mich erst gegen Mittag fanden. Mein Kopf war auf die Spitze eines Möbels gestützt, und in meinem Gesicht waren Spuren zu sehen, daß ich hart gelegen haben mußte. Von jetzt an war ich still und sagte nichts mehr von meinen Zuständen. Aber wenn ich kommunizierte und die liebevolle Unterhaltung mit meinem lieben, guten Jesus, der das einzige Zentrum meiner Seele war, entbehren und mündliche Gebete verrichtete mußte, war mein Schmerz unbeschreiblich groß.
Einmal kniete ich nun nach der heiligen Kommunion und war voller Sehnsucht, mit dem Innigstgeliebten meines Herzens wie früher in Wirklichkeit zu verkehren. Ich hätte so gerne Seinen Herzenskummer geteilt, den Er mir schon so oft geklagt hatte über den Undank so vieler Menschen, die Seine Liebe verachten, und so kniete ich heftig und bitterlich weinend in der KapuzinerKirche. So gern hätte ich Seine Liebe mit Gegenliebe erwidert. Dies konnte ich jetzt nicht mehr, weil ich ja nicht mehr glauben durfte, daß Er es ist, der Sich würdigt, bei einer armen Sünderin Seine Freude und Seinen Trost zu suchen. Auf einmal sah ich aus dem Tabernakel eine Gestalt kommen. Am ersten Stuhl blieb Er stehen und schaute nach mir herüber, denn ich kniete ganz an der Wand. Ich erkannte wohl den Bräutigam meiner einzigen Liebe und bat und flehte: "O Herr, komm doch näher, komm an mein Herz. Sieh, ich kann ja ohne Dich nicht länger mehr leben." Er aber blieb stehen und blickte mich traurig an. Nun erst sah ich, daß ihm Hände und Füße gebunden waren. Ja, Sein ganzer Leib schien in einem Fischernetz zu stecken. Die Erscheinung verschwand, ohne mir das Geheimnis zu erschließen, was dies eigentlich bedeute.
So verfloß der Sommer, und ich betete wie die Kinder aus einem Buch oder andere mündliche Gebete. Aber meine Seele war überaus unglücklich. Und wenn ich darüber meinem Beichtvater berichtete, gab er mir zur Antwort: "Kind, du bist ganz verwöhnt. Du meinst, immer Süßigkeiten haben zu müssen. Folg mir nur schön, und du kommst gewiß in den Himmel."
Es kam die große Gebetswoche im Juli. Als ich in meiner Pfarrkirche dem Großen Gebet beiwohnte, sah ich diese Erscheinung wieder. Aber diesmal war sie näher bei mir. Heute aber bat ich inständig, der Herr möge mir doch erschließen, was dies bedeute. "Ach", sagte ich, "mein lieber Jesus, bin ich denn schuld, daß Du so gebunden bist? Nicht wahr, meine Sünden sind die Ursache dafür? Meine Leidenschaften halten dich gebunden!" Er aber sprach: "Dein Beichtvater hat dies getan. Ja, es ist traurig, auch da noch seinen Dienern nachstehen zu müssen, obwohl Ich eine Seele schon jahrelang durch meine Einsprechungen und Erleuchtungen an Mich gezogen habe."
Danach sagte ich einmal zu meinem Beichtvater: "Ich fühle mich unglücklich, weil ich mich beständig ängstige, ob ich auch die Gelübde halten kann." Denn ich fühlte mich beständig innerlich angetrieben, meinen Beichtvater zu bitten, daß ich ihm mitteilen dürfe, was ich in der Großen Gebetswoche erfahren hatte. Da ward er sehr ungehalten gegen mich, und sagte: "Gut, die Gelübde sind von heute an wieder aufgehoben." Nun war ich aber noch unruhiger: "Glaubst du denn", schrie er mich an, "du hast einen dummen Kaplan vor dir, der dir alles glaubt. Da müßte ich ja der größte Esel sein, der auf der Welt herumläuft, wenn ich die Dinge glauben wollte, die du mir erzählst. Nein, ich glaube gar nichts mehr. Kein Wort will ich mehr hören, und wenn dir dies nicht recht ist, so gehe doch zu einem anderen Beichtvater."
Sechs Jahre zuvor hatte mir derselbe Beichtvater unter Gehorsam befohlen, nichts zu verschweigen von meinen übernatürlichen Gnaden, ihm stets alles aufrichtig zu sagen, und weil ich im Beichtstuhl nicht alles sagen konnte, befahl er mir, es aufzuschreiben und es ihm zu bringen. Und wenn es noch so schlecht geschrieben wäre, weil ich meistens bei der Nacht und im kalten Zimmer schreiben mußte und mich deswegen entschuldigte, sagte er jedesmal beruhigend: "Kümmere dich nicht darum, ich kann es lesen."
Aber welche Verdemütigungen er damit zu verbinden wußte, ist gar nicht zu beschreiben. Nur einmal ließ er mich ins Sprechzimmer kommen, und da sagte er: "Du brauchst gar nicht ängstlich zu sein, es ist der liebe Heiland. Der Herr hat das Schwache erwählt, um das Starke zu beschämen."
Nachdem aber dieses auffallende Leiden eingetreten war, veränderte derselbe Beichtvater, ohne zu prüfen und ohne Bedenken, seine Verhaltensweise zu mir und sagte, er glaube jetzt nichts mehr. Drei Jahre hatte ich dies Leiden schon, als der Beichtvater ganz plötzlich starb.
Im ersten Jahr hatte er gesagte, es sei der Teufel. Aber er tat nichts, um zu untersuchen, ob es denn so sei. Im zweiten Jahr sagte er, es sei "selbstgemachtes Zeug" und zuletzt behauptete er, es sei "Krankheit und Hysterie". Es ist nicht zu beschreiben, welche inneren Beängstigungen ich schon deswegen ausgestanden habe. War ich krank, was infolge des vielen Kummers öfters vorkam, ließ er keinen Priester zu mir ans Bett kommen, auch haben meine Verwandten vergeblich meine Bitten vorgetragen, beichten zu dürfen. Besonders war dies einmal der Fall in der Adventszeit, wo ich mehrere Male ins Kloster schicken ließ, er aber antwortete: "Es kommt keiner." Und doch kann ich dem lieben Gott nicht genug danken, daß Er mir gerade diesen klugen, in der Seelenleitung so umsichtigen Beichtvater gegeben hatte. Niemals ließ Gott zu, daß ich ihm gegrollt hätte, wenn auch manchmal ein kleiner Unwille mich überkam, so klagte ich mich sogleich darüber an.
Wenn mir ja der Gedanke kam, meinen Beichtvater zu verlassen, so wies mich der Herr immer gleich zurecht. Einmal kam mir auch der Gedanke, ich würde nichts verlieren, wenn ich mal bei einem anderen beichten ging. Denn so gut, wie du es jetzt hast, dachte ich, kannst du es überall haben. Doch betete ich inständig um Erleuchtung, daß, wenn es Gottes Wille nicht wäre, er mich zurechtweise. So kam der Samstag, wo mein Beichtvater am Muttergottesaltar die heilige Messe las, welcher ich beiwohnte.
Bei der heiligen Wandlung ging ein solcher Glanz von der heiligen Hostie aus, daß mein Beichtvater ganz von diesem Glanz umgeben war, er stand ganz in dem Glanz. Das war für mich das Zeichen, daß er nicht unrecht an mir gehandelt hatte, sondern daß seine Seele ganz in Ordnung sei, und ich staunte. Bei der heiligen Kommunion, als er kommunizierte, sah ich den lieben Heiland statt der heiligen Hostie, und ein Glanz ging von ihm aus, und ein Strahl davon traf auch auf mich, der mich so anzog, daß er mich gleichsam durch dem Priester und N. in sich zog, und wir alle drei in ihm verschmolzen. Das war dann für mich das Zeichen, daß ich auch weiterhin durch ihn muß geleitet sein.
Ein anderes Mal, nachdem ich viel von ihm auszuhalten hatte, war ich wieder in der Kirche, als er eine heilige Messe las. Bei der heiligen Opferung opferte ich mich mit dem Priester auf, und wie ich dies so tun wollte, da erhob sich zwischen dem Altar und mir eine dunkle Wolke, als wenn Nebel vor die Sonne tritt und sie verfinstert. Ich erschrak, weil ich meinte, ich sei im Stande der Ungnade. Diese Erscheinung dauerte bis nach der Kommunion. Ich bat lange darum, der Herr möge mir doch erklären, was das bedeute. Und der Herr sagte, Er wolle mir nur sein Mißfallen darin zeigen, daß mein Beichtvater mich so ganz ohne Schutz und Hilfe lasse und er deshalb auch nicht teilnehme an den Gnaden, die Er mir gebe.
Ein anderes Mal war mir geraten worden, ihn zu verlassen, weil man sagte, es wäre besser, wenn ich in den übernatürlichen Dingen eine Leitung hätte. Mein Inneres aber sagte mir: "Bleibe!" Während der heiligen Messe auf Portiuncula sah ich eine ganze Schar Heiliger. Sie zogen in Prozession an mir vorbei und jedes hatte ein prächtiges Blumenbukett in der Hand von den verschiedensten Blumen. In der Mitte lag ein Zettel darauf, auf welchem der Name meines Beichtvaters stand "Durch N. N." und es wurde mir bedeutet, daß sie alle durch ihn die ewige Seligkeit erlangt hätten. Daraufhin entschloß ich mich, bei ihm zu bleiben.
Anmerkung: Erst Mai 1897 erfuhr die Schreiberin durch eine ihr befreundete Person, welche mit Pater Alphons viel verkehrte, und der er die Aufzeichnungen, die er sich von Barbara machen ließ, sehr oft zum Lesen gab, daß Pater Alphons sich häufig folgendermaßen äußerte: "Das Mädchen ist doch so einfach und anspruchslos und macht so gar nichts aus sich, und ich demütige sie immer so sehr, und doch kommt sie immer von neuem wieder, es muß doch was dran sein. Auch ist es sehr zu verwundern, daß sie dabei ein so sehr tätiges Leben führt."
Der liebe Gott ließ es nicht zu, daß mein Beichtvater starb, bevor er seine Meinung ausgesprochen hatte. Einige Monate vor seinem Tod ließ er mich ins Sprechzimmer kommen und sagte: "Nun habe ich dich lang genug geprüft, jetzt ist es genug. Wenn du etwas hast, so sage mir es. Aber laufe nicht mehr sonst herum. Und mit dem Übernatürlichen, das kann ich halt auch nicht wissen." Von dort an war er nicht mehr so grob, und als ich im Advent wieder krank war, kam er selbst und nahm mir die Beichte ab, wie mir eine innere Stimme einige Zeit vorher schon gesagt hatte.
Nun frage ich, kann sich der Mensch bei all seinem guten Willen in seinem heiligen Glauben so täuschen? Die heilige Kirche lehrt, daß niemand sagen kann "Herr, Herr", außer im Heiligen Geist. Und der heilige Paulus sagt: "Prüfet die Geister, was gut ist, behaltet." Was mich in allen Leiden aufrecht hielt, war, daß ich sah, wie mich der liebe Gott gleichsam an der Hand führte, all die Worte und Verheißungen in Erfüllung gehen ließ, die Er mir gegeben, und die ich mit Augen sehen und mit Händen greifen konnte. Ich habe schon oben gesagt, daß Er mich zu Haus schon jahrelang aufforderte, um die öftere heilige Kommunion zu bitten, und in den letzten Jahren noch zudem verhieß, daß ich diese Gnade noch erlangen werde, aber nur dann, wenn ich meinen Willen Seinem göttlichen Willen ganz unterworfen haben werde.
Als mir gesagt wurde, daß ich mich von jetzt an als Schutzkind des heiligen Ignatius betrachten solle, war es sehr fraglich, ob mein Bruder, der damals die Bierwirtschaft in der Neutorstraße in Mainz hatte, immer in der gleichen Pfarrei bleiben werde. Denn er war nur Pächter und konnte als solcher alle sechs Monate in ein anderes Stadtviertel versetzt werden. Darum kann es nur Gott sein, der alles so gelenkt hat. Er allein weiß unsere Wege zu leiten. Und es hat den Anschein, als ob ich wirklich in dieser Pfarrei bleiben werde, denn das Lokal kann jetzt nicht mehr von unserem Pachtherrn gekündigt werden, weil er selbst das Haus angekauft hat, und jetzt sind wir schon elf Jahre da. Ferner sagte mir jene Stimme: "Bleibe, wo ich dich hingestellt habe. Ich will deine Verwandten segnen, daß du im Überfluß sollst zu leben haben."
Wollte man dann behaupten, so was könne man sich einbilden. Ja, einbilden können sich's die Menschen, aber ausführen kann es nur der liebe Gott. Und er hat es ausgeführt. Denn während meine Schwägerin im ersten Jahr vor der Verheißung 700 Mark zusetzen mußte, konnte sie im folgenden Jahr schon 500 Mark auf die Sparkasse tragen und jährlich mehr.
Die Stimme, die in mir spricht, sagte ferner: "Deine Schwägerin heiratet nie mehr. Bleibe bei ihr, denn ich will sie retten und der Welt zeigen, was eine Seele erträgt, die mich liebt." Wie hat sich dieses bewährt! Mein Beichtvater sagte einige Male in der Zeit, wo sie noch so sehr gegen mich war, "sie heiratet wieder, du wirst sehen." Mehr als zehn bis fünfzehn Freier waren schon da, aber jetzt ist Ruhe eingekehrt, weil jedermann ihren entschiedenen Charakter kennt. Ja, einbilden können wir's uns, aber ausführen kann es nur der liebe Gott. Als mein Bruder an der Influenza erkrankte, sah ich in der Ignatius-Kirche bei der heiligen Wandlung, wie ein Engel etwas in den Kelch hineinlegte. Ich fragte den lieben Heiland, was dies zu bedeuten habe, und erfuhr, es sei das Opfer des Lebens meines Bruders, und es ging in Erfüllung, zwei Jahre später.
Als mein Beichtvater meiner Schwägerin gesagt hatte, er ließe sich nie mehr überführen, es sei nur Einbildung von mir oder der böse Feind, da beklagte sich meine Schwägerin mit Entschiedenheit, daß ich so manche Stunde mit diesem Leiden versäume, besonders in der Advents- und Fastenzeit, und wenn sie etwas an mir merkte, fing sie an zu toben, daß ich mir nicht mehr zu helfen wußte. Sie sagte, sie könne so etwas in ihrer Wirtschaft nicht brauchen, sie brauche solches dummes Zeug nicht zu dulden, wenn auch die Geistlichen nichts darauf gäben. Wie oft mußte ich die Worte von ihr hören: "Pack dich aus dem Haus, denn du verdienst nicht das Wasser, das du trinkst." Und doch war der Segen Gottes so sichtbar in der Familie, daß es, während es früher immer rückwärts ging, es nun beständig aufwärts ging.
Am 1. Freitag im Advent wurde mir gesagt, daß kein Priester an mein Bett kommen werde, und ich müsse fünf Wochen zubringen ohne die heilige Kommunion. Und so war es auch, denn ich war krank und konnte nicht in die Kirche. Alles Bitten war vergebens, und kein Priester kam an mein Krankenbett.
Am letzten Freitag im Advent sagte die Stimme: "Bis übers Jahr hin, bis es Weihnachten wird, werde ich deine Schwägerin und deinen Beichtvater überführen." In diesem Augenblick sah ich meine jüngste Nichte, damals sieben Jahre alt, ein liebliches, blühendes Mädchen, auf der Totenbahre liegen, ganz weiß gekleidet und mit Blumen bedeckt. Meine andere Nichte sah ich zum Altar treten mit einem sehr anständigen jungen Mann, um sich trauen zu lassen. Als ich mich nach meiner Schwägerin umschaute, sah ich sie nicht, und hörte die Worte: "Bei dieser Nichte wirst du bleiben."
Wenn ich im Laufe jenes Jahres an die Erfüllung dieser Verheißung dachte, mußte ich weinen, denn dieses Mädchen war mein und seiner Mutter Augapfel. Und wirklich: Zehn Tage vor Weihnachten kam sie aus der Schule und klagte über Kopfschmerzen. Der Arzt erklärte es für Influenza, und es war Hirnentzündung dabei, und drei Tage vor dem Weihnachtsfest wurde sie begraben. Nun war meine arme Schwägerin überführt, aber mit welchem Verlust. Sie stand das Jahr vorher an meinem Bett, als ich es ihr sagte, daß ich ihren Liebling so gesehen hätte. Als ich es aber meinem Beichtvater mitteilte, daß jetzt das eingetroffen, was ich letztes Jahr ihm gesagt, antwortete er mir: "Wenn man dem Esel ein Buch vorlegt, trifft er auch manchmal einen Buchstaben ,a' oder ,i'." Deshalb glaube ich ganz fest, daß der liebe Gott meinen Beichtvater zu sich nahm, weil er es nie zugegeben hätte, daß jemand ein Wort erfahre.
Vor sieben Jahren wurde ich einmal nach A. gerufen, weil man dort in der Familie meines Bruders ein neugeborenes Kind erwartete. Er hat eine Bäckerei und mehrere Dienstboten, da sollte ich den Laden versehen, bis seine Frau wieder gesund sei. Sie hätten es gar gerne gehabt, daß ich nicht so früh in die Kirche gegangen wäre, weil gerade um diese Zeit im Laden am meisten zu tun war. Ich wollte aber doch kommunizieren, und da mußte ich früh in die Kirche, denn sonst wurde keine Kommunion ausgeteilt. Ich war schon mehrere Wochen da, und das Kind war noch nicht zur Welt gekommen, und ich mußte oft hören, das viele Kommunizieren sei nicht gut, weil man wußte, daß ich deswegen so früh in die Kirche ging.
Einmal kam ich heim, da fielen mich beide an. Mein Bruder sagte: "Eben haben wir von dir gesprochen, du bist mir wirklich ein Rätsel. Du liefst von zu Haus weg und kümmerst dich gar nicht um dein späteres Schicksal. Du sorgst nicht für dein Fortkommen, ich glaub, du bist nicht recht gescheit." Dabei blickten sie beide mir prüfend in die Augen, um die Narrheit herauszulesen. Dies schmerzte mich sehr, denn ich wußte, daß ich um mein Glück kommen sollte, um die heilige Kommunion.
Weil ich nun dachte, sie könnten am Ende recht haben, so ging ich an demselben Tag noch fünf Stunden von dort in meine Heimat, um das Verlangen nach der heiligen Kommunion zu unterdrükken, weil ich meinte, ich könnte mich am End daran gewöhnen, denn in meiner Heimat war kein Priester. Als ich aber fünf Tage dort war, zog mich eine solche Gewalt wieder nach A., daß ich in der Nacht aufbrach und zurückging. Am andern Morgen bei der heiligen Kommunion belohnte mir der Herr mein Verlangen nach ihm und half mir alle Schwierigkeiten überwinden, wie sehr Er verlangt, daß wir ihn oft empfangen. Als ich von der Kommunionbank zurückgekehrt war, sagte eine Stimme in mir: "Geh hin und sage deiner Schwägerin, daß sie bald von ihren großen Beschwerden befreit werde. Sie werde einen kräftigen, gesunden Knaben gebären, den er aber bestimmt habe, dereinst Priester zu werden."
Und als ich den ganzen Tag zögerte und nichts sagen wollte, wurde ich am Abend, wo ich eine Muttergottes-Gnadenkirche besuchte, noch einmal dazu aufgefordert. Die liebe Muttergottes sagte: "Was hat dir mein Sohn aufgetragen? Warum befolgst du es nicht? Geh nur hin und sag es deiner Schwägerin."
Als ich heimkam, saß meine Schwägerin da und weinte. Sie hatte mein Gebetbüchlein in der Hand, in dem ein Brief meiner Klosterschwester lag, den sie eben gelesen hatte. Sie blickte mich an und sagte: "O glückliche Seelen, die ihr seid, du und Marie." Ich ging zu ihr hin und sagte, da die liebe Muttergottes sie selbst schon unterdessen umgestimmt hatte: "Sei zufrieden, auch dich hat der liebe Gott gerade so gern. Er läßt dir sagen, daß du bald entbunden wirst von einem gesunden, kräftigen Knaben, der aber einst Priester werden wird." Dies Kind kam am anderen Morgen zur Welt und ist jetzt acht Jahre alt.
Sein Vater erzählte mir an Ostern, daß er alle Freude an ihm habe, er sei in der Schule der fleißigste Schüler und brächte die besten Noten heim. Ein anderes Mal, als ich betete für meine Verwandten, wurde mir mitgeteilt, daß meine beiden Schwägerinnen in andern Umständen seien, aber daß die in A. sterben würde, wenn sie noch einmal gebären werde. Und es war so. Voriges Jahr brachte sie ein totes Kind zur Welt und starb bald darauf. Dieses Jahr (1896), als ich nach einem Besuch von A. zurückfuhr, weinte mein Bruder noch auf dem Bahnhof bei mir und sagte: "Hätte ich dir doch damals geglaubt, als du mir sagtest, ich solle mit meiner Frau ein jungfräuliches Leben führen, was hätte ich jetzt ein schönes Leben. Aber jetzt ist es geschehen."
Erwähnen will ich noch, was ich von meinem Vater erfuhr, weil ich daraus lernte, wie beharrlich man beten müsse: Mein Vater war schon dreizehn Jahre tot. Die Mutter und wir Kinder hatten immer große Angst, ob er wohl gerettet sei, weil er so dem Laster der Trunksucht ergeben war. Er erkrankte an Lungenentzündung und starb schnell, doch versehen mit den heiligen Sterbesakramenten. Wir waren immer so ängstlich, ob er zur himmlischen Gnade gekommen sei. Die Mutter betete jeden Abend mit uns für den Vater. Auch im Sommer, bei der strengsten Feldarbeit, durften wir Kinder nicht eher schlafen gehen, bis wir mit ihr für den Vater den Rosenkranz gebetet hatten.
Wir Kinder wuchsen heran, und ich hatte unterdessen schon den Entschluß gefaßt, nicht in den Ehestand zu treten und mein Leben Gott zu weihen, als im Jahre 1873, mehrere Stunden von meiner Heimat entfernt, die erste Mission, die ich erlebte, abgehalten wurde. Ich war damals an 27 Jahre alt. Ich erbat mir von meiner Mutter die Erlaubnis, sie mitzumachen, und auch von meinem Beichtvater bekam ich Erlaubnis, während der Mission täglich die heilige Kommunion zu empfangen. Ich war voller Freude. Um ja meiner Mutter nicht lästig zu fallen, bat ich sie um 18 Kreuzer und einen Laib Brot. Ich hielt mit großer Innigkeit die Mission mit und weinte und betete unaufhörlich für meinen Vater. Ich hatte eine solche Gabe der Tränen in jener Zeit, daß ich täglich zwei Taschentücher durchnäßte. Obwohl ich bei Verwandten hätte übernachten undessen und trinken können, schlug ich dies alles aus, und lebte wirklich nur von Wasser und Brot, volle sechs Tage lang.
In der Nacht vor dem Schluß der Mission nahm ich mir vor, in der Kirche vor dem Allerheiligsten Sakrament zu bleiben, um die ganze Nacht zu beten und zu weinen. Ich verbarg mich in einem Stuhl. Es bemerkte mich auch niemand, und die Tür wurde verschlossen. Es war die Woche vor Allerheiligen und schon bitter kalt. Aber wie es mir scheint, verlangte der liebe Gott dies Opfer nicht von mir, weil Er nie mehr fordert, als die Kräfte reichen. Gegen 11.00 Uhr nachts hörte ich auf einmal Tritte kommen und die Schlüssel rasselten. Schnell schlüpfte ich wieder in meinen Winkel, aber zu meinem höchsten Leidwesen kamen die Leute gerade auf mich zu und stießen laute Schreie aus in der Meinung, es sei ein Gespenst und liefen der Kirchentür zu. Es war der Glöckner, der mit zwei Mädchen gekommen war, um noch einen Kranz an ein Bild zu hängen. Dieser faßte den Mut, noch einmal nachzusehen, und redete mich an. Ich sagte zur Ausrede, ich wolle niemand belästigen mit Übernachten und wolle deshalb in der Kirche bleiben. Der Mann sagte, es sei zu kalt, er werde mir schon für eine Logie besorgen. So mußte ich mit ihm eine längere Strecke durchs Dorf laufen, aber es war nirgends Platz.
Ich versetzte mich im Geist zur heiligen Familie nach Bethlehem, wo sie abgewiesen wurde, denn wie dort hieß es überall: "Nein, kein Platz hier!" Endlich erbarmte sich ein Mann und sagte: "Nun, wo meine andern Kinder sind, kann auch diese noch unterkommen. Komm nur." Ich trat in ein Kämmerchen, wo wir zu dritt auf einem Lager lagen. Ich konnte aber nicht schlafen. Um die Mitternachtsstunde sah ich auf einmal, als wenn eine Gestalt zur Tür hereinkäme und auf mich zu trete. Es war die liebe Muttergottes in einem weißen wallenden Gewand. Mit der rechten Hand machte Sie mir einen Zeigefinger, und ich erinnerte mich gleich, was Sie damit meinte, denn ich hatte ihr versprochen, jeden Abend den Rosenkranz vor dem Heiligsten Sakrament für meinen Vater zu beten, was ich an jenem Abend unterlassen hatte, weil ich dachte, ich könne es nachts tun, und fing deshalb gleich an zu weinen, weil ich verstand, was Sie meinte. Sie aber deutete mit der linken Hand in eine Entfernung. Ich schaute ihrer Hand nach, und schaute in eine weite Wildnis.
Später wurde mir zu wissen gegeben, was diese Wildnis bedeutete. Weil mein Vater nämlich gar zu gern in lustiger Gesellschaft sich aufhielt, und sein Geld im Jubel verpraßte, mußte er so viele Jahre lang in der Einsamkeit schmachten. In dieser Wildnis war nichts zu sehen als hie und da ein Dornenstrauch. Hinter einem solchen Dornensträuchlein sah ich meinen Vater ganz nackt bis an die Lenden. Seine Farbe war eine bläuliche Totenfarbe, und die ganze Haut war ein Flecken am anderen, der eine größer, der andere kleiner. Die Hände hatte er fest ineinander gefaltet, wie gezwängt, und war abgemagert wie ein Totengerippe, wenn die Haut noch darüber ist. Ich erkannte ihn nur noch an seinen Zügen und an seinem Lockenhaar. Er sah mich so bittend an, daß ich weinte bis in den Tag hinein.
Am Morgen fragte man mich, warum ich so geweint hätte, aber ich verriet nichts, sondern suchte in aller Frühe einen Priester auf. Diesem erzählte ich sofort meine Erscheinung. Er war sehr gerührt und sagte, das dürfe ich schon meiner Mutter sagen, und wir sollten für meinen Vater, der viel zu leiden haben müsse, etwas tun, besonders heilige Messen lesen lassen. Zum Schluß gab er mir als Priester die Versicherung, daß mir der liebe Heiland – wenn ich so fortfahre wie bisher – an einem Tag, wo die Gnaden recht reichlich flössen, auch zeigen werde, ob mein Vater erlöst sei oder nicht.
Wir ließen fünfundzwanzig bis dreißig heilige Messen lesen, und jedes Jahr hielt ich sehr strenge Fasten in der Allerseelenoktav bei Wasser und Brot, daß meine Kräfte ganz erschöpft waren, weil ich dabei streng arbeiten mußte. Trotz all der Tränen, die ich geweint, trotz all der Hitze der Feldarbeit, die ich ertrug, und ihm aufopferte, erfuhr ich nichts.
So mußte ich von der Mission an noch zwölf Jahre für ihn bitten, also fünfundzwanzig Jahre waren verflossen seit dem Tode meines Vaters, und nur einmal hatte ich in der Zwischenzeit einen Trost. Dies war vom 16. bis 18. Juli, wo der heilige Vater Pius IX. ein Jubiläum feierte und ein vollkommener Ablaß gewährt wurde. Ich ging in eine andere Kirche, um die heiligen Sakramente empfangen zu können. Eine sehr fromme Jungfrau schloß sich mir an und wir beteten und flehten bis ein Uhr nachmittags. Die Kirche war längst leer. Auf einmal sah ich vor mir zwei Gestalten: Die selige Maria Margareta Alacoque und die liebe Mutter Gottes, die vor dem lieben Heiland knieten, gerade so wie wir zwei. Die liebe Mutter Gottes sagte zu Ihrem Sohn: "Mein lieber Sohn, gewähre ihr doch die Bitte und zeige ihr ihren Vater." Der liebe Heiland saß auf einem gar wunderschönen Thron und schaute gar freundlich auf die beiden herab, und Er lächelte über die Bitte Seiner Mutter, und sagte, indem Er das Haupt schüttelte: "Die soll sich an ihre Sünden erinnern." Dabei aber sah ich im Hintergrund weit, weit hinten, vor mir meinen Vater, und das war für mich das Zeichen, daß ich noch viel beten müsse, bis er erlöst sei. Ich stand in der Mitte, vor mir die liebliche Erscheinung und weit, weit hinter mir meinen Vater. Dies war das Zeichen, daß ich ihn noch befreien könne, daß es aber noch lange dauern werde, bis er zur seligen Anschauung würde übergehen.
So vergingen weitere zwölf Jahre, und ich kam nach Mainz. Als ich die neun ersten Josefs-Mittwoche wieder mit großer Innigkeit abgehalten hatte, und an jedem meinen Vater empfahl, und den Herrn beständig daran erinnerte, daß das Wort des Priesters im Beichtstuhl Sein Wort sei, also Er mir das Versprechen gegeben habe, daß ich noch bei Lebzeiten erfahren werde, ob mein Vater erlöst sei, kniete ich am letzten Mittwoch lange, Stunde um Stunde, und weinte und flehte, bis es zehn Uhr war, und sagte: "Heute gehe ich nicht eher aus dieser Kapelle, bis ich erfahren habe, ob mein Vater erlöst ist. Gewähre mir doch die Gnade. Liebe Mutter, um Deiner Schmerzen willen, und du, heiliger Josef, um deiner Betrübnis willen und um all der Liebe willen, die dein göttlicher Pflegesohn dir erwiesen, müßt ihr mir diese Gnade gewähren, denn ich bin auch das Kind meines Vaters, und ich weiß, welche Peinen er erleidet. Ich gehe nicht von dieser Stelle, bis er befreit wird."
Ich opferte unaufhörlich das kostbare Blut und alle heiligen Messen und Kommunionen für ihn auf. Auf einmal sah ich meinen Vater auf mich zukommen, aber nicht mehr wie vor zwölf Jahren, abgemagert und bleifarben. Er war so schön, so jugendlich, so vollkommen am ganzen Körper und streckte mir die Arme entgegen, als wolle er mich umfassen. Nur an seinen Zügen und an seinem Lockenhaar konnte ich ihn wiedererkennen. Doch war seine Hautfarbe gelb, wie Wachs, auch fehlte ihm die Frische, und sein Blick war nicht ganz fröhlich, er hatte noch etwas Trauriges in seinem ganzen Wesen. Ich sagte dies meinem damaligen Beichtvater, so hätte ich meinen Vater gesehen. Er wies mich ganz derb ab und sagte, solche Dinge könne er nicht beurteilen. Ich war sehr unglücklich, und weinte die ganze Woche, weil ich dachte: "Wie kannst du arme Sünderin dir einbilden, du hättest eine Arme Seele befreit, wenn ein so frommer Priester und Ordensmann davon nichts weiß." Denn ich meinte, das könne jedem Menschen vorkommen.
Bei meiner nächsten Beichte sagte ich ihm, ich sei tief beschämt über die Worte, die er mir gesagt, und ich wisse nicht, ob ich noch weiter für den Vater beten solle, und jetzt erst erzählte ich ihm den Vorgang vor zwölf Jahren. Darauf sagte er mir: "Du brauchst nicht zu zweifeln, daß es solche Dinge gibt in unserer heiligen Kirche. Ich bin aber noch ein junger Priester und mir ist solches noch nicht vorgekommen, aber nachdem, wie du mir die Erscheinung beschreibst, mußt du annehmen, daß deinem Vater noch das Kleid der Glorie fehlt. Du mußt also noch beharrlich beten, und ich verspreche dir, die ganze Woche dieses Anliegen in meiner heiligen Messe auch vorzubringen."
So vergingen wieder acht Tage. Am ersten Sonntag ging ich früh in die Kirche und hörte alle sieben heiligen Messen, die an jenem Morgen gelesen wurden und betete unaufhörlich für meinen Vater. Nach der heiligen Kommunion rang ich mit dem lieben Heiland, und hielt ihn krampfhaft umfesselt. Damals hatte ich noch gar oft die große Gnade, Seine Nähe nicht nur zu fühlen, sondern Ihn auch zu schauen in sichtbarer Gestalt mit meinem geistigen Auge. Ich hielt Ihn so fest und sagte: "Ich laß Dich heute nicht gehen. Du mußt mir meinen Vater in den Himmel führen." Bei der letzten heiligen Messe fühlte ich einen solchen großen Schmerz in meiner Brust, ob von der übergroßen Anstrengung oder von einem geistigen Leiden, das ich für meinen Vater noch aushalten mußte. Als der Priester bei der heiligen Wandlung die Hostie emporhob, sah ich auf einmal auf der rechten Seite meinen Vater an den Altar treten, und so blieb er neben dem Priester stehen bis zur Kommunion. Als der Priester kommunizierte, sah ich meinen Vater in der heiligen Hostie, die der Priester empfing, verschmelzen. Die heilige Hostie und mein Vater waren verschwunden, und ich hatte eine solche überirdische Freude, ein solches Wonnegefühl, mit der Überzeugung, daß in diesem Moment mein Vater aufgenommen wurde in die himmlische Glorie, daß ich nicht daran zweifeln konnte.
Das ist mein Leben und einige Gnaden, die ich glaube, daß der liebe Gott sie in mir gewirkt hat, um mir zu zeigen, wie wenig ich getan, und wie vieles Er; wie wenig Er verlangt und wie viel Er gibt für das Wenige, das wir tun. Ich stelle alle Worte, die ich geschrieben, unter das Urteil derer, die dieses von mir verlangt haben. Finden sie nichts darin, das anderen Seelen nützen könnte, so werden sie diese Schrift vernichten.
Als ich heute frühmorgens nach der heiligen Kommunion meine Danksagung verrichtete, und ganz besonders dem Heiligen Geist für all die Gnaden dankte, und dem lieben Heiland, daß Er mich ganz besonders dem Heiligen Geist übergeben habe, um Ihn ganz besonders zu verehren und anzubeten, brachte ich Ihm neben anderen Danksagungen meine Schrift zum Opfer dar, und dankte Ihm für die liebevolle Leitung während des Schreibens – weil es mir oft vorkam, als stehe jemand neben mir und diktiere mir die Worte, denn ich brauchte gar nicht nachzudenken – und bat Ihn um Seinen Segen dafür.
Da hörte ich in meinem Innern die Worte: "Beunruhige dich jetzt nicht mehr und habe keine Angst, ob sie Anerkennung finde oder ob die Schrift verworfen werde. Ich sage dir, daß sie nicht verworfen wird, denn man wird nicht die Hand beachten, durch die die Gabe gereicht wird, sondern man wird auf Den schauen, von dem sie ausgeflossen. Sage N., es sei besser, wenn die Schrift zusammen gedruckt werde, denn bruchstückweise könne man den Geist, der daraus spricht, doch nicht so recht erkennen. Und fürchte dich nicht mehr, daß du Schaden leiden könntest, denn wenn Ich alle diejenigen retten will, die im Schifflein Petri sich befinden, auch wenn sie wenig darin tun, um wieviel mehr werde Ich diejenigen retten, die sich bemühen werden, daß dieses Schifflein sich erweitere in den Wogen der Welt, und daß es verschönert wird. Und dazu habe Ich nicht nur die Priester, Missionare und Ordensleute allein berufen, sondern alle, die Meiner Stimme folgen, und diese Meine Liebe und Erbarmung, die Ich ihnen zu erkennen gebe durch Meine Worte, auch auf andere zu übertragen suchen. Denn nicht nur im Anfang war es notwendig, daß Meine Kirche sich ausbreite auf Erden, sondern das wird so lange notwendig bleiben, wie die Welt steht. Und wenn die Welt es je bedurfte, daß die Erde sich erneuere, so war dies noch nie so notwendig wie in der jetzigen Zeit, wo selbst die Christen anfangen, ein neues Heidentum zu schaffen."
Nachtrag zum "Leben" von Barbara, ihren Vater betreffend: In derselben Zeit, als ich die Offenbarungen über meinen Vater erhielt, war ein Kaplan wegen einer Predigt, worin er Politisches vorgebracht haben soll, angezeigt worden, und man sprach im Dorf viel davon. In derselben Nacht, als ich die Offenbarung erhielt, sagte eine Stimme zu mir: "Sage nichts mehr von eurem Kaplan, denn es gibt Untersuchung und auch Arrest. Und was dir heute nacht vorgekommen ist, ist so gewiß wahr, wie daß es Gefängnisstrafen gibt." Wirklich kam der Kaplan einige Tage darauf ins Gefängnis.
Wie Jesus Lieschen Feiler mit Barbara Weigand zusammenführte: Seit 1888, dem Tode ihres verstorbenen Pfarrers, dem Lieschen Feiler achtzehn Jahre lang die Haushaltung führte, war Lieschen schon einige Jahre in der Stadt Mainz. Doch lebte sie einsam für sich, ohne mit jemanden in Verbindung treten zu wollen. Zuweilen sah sie Barbara Weigand in der Kirche, und sie dachte bei sich, wenn sie selbe die Stationen beten sah: Mit dieser Person möchtest du ganz gern zuweilen umgehen, denn sie scheint tieffromm zu sein.
Von Zeit zu Zeit traf sie beim Nachhausegehen aus der Kirche mit Barbara zusammen und sprach dann einige freundliche Worte mit ihr. Darauf lud eine bekannte reiche Frau Lieschen ein, ihr zu helfen, eine Kranke zu pflegen, weil Lieschen sich darauf sehr verstand. Lieschen ging auch hin. Nach einigen Tagen aber fühlte sie einen solchen inneren Drang, nach Mainz zurückzukehren, daß sie glaubte, nicht mehr leben zu können, wiewohl der Pfarrer des Ortes ihr bereitwilligst die tägliche heilige Kommunion angeboten hatte. Die Familie, die sie ungern verlor, wollte sie jedoch nicht ziehen lassen. Da ging Lieschen zu dem ihr befreundeten Herrn Pfarrer des Ortes und bat ihn, ihr doch beizustehen, daß man sie ziehen lasse, denn Lieschen fühlte sich heftig nach Mainz hingezogen, wußte jedoch gar nicht warum.
Derselbe kam noch an demselben Tag und beruhigte die Familie, so daß man in ihre beschleunigte Abreise einwilligte. Am andern Tag wurden die neun Josefs-Mittwoche angefangen in der Franziskaner-Kirche. Dort traf Lieschen nach der Andacht mit Barbara zusammen. Barbara bat sie, weil sie vom Herrn an Lieschen verwiesen worden war und ihr gesagt wurde, sie möge Lieschen um Beistand bitten, sie möge ihr zuweilen beistehen, wenn ihr Leiden an sie herantrete. In der Familie von Barbara hatte nämlich niemand Zeit für Barbara; vielmehr mußte Barbara im Gegenteil noch froh sein, wenn man ihr nicht allzusehr grollte, wenn sie mitten in der größten Arbeit sich losreißen mußte, um das Bett zu hüten, wenn das Leiden sich einstellte.
Barbara hatte um diese Zeit ihr Leiden alle Donnerstage und Freitage in der Fastenzeit. Schon das erste Mal (wahrscheinlich Anfang der Fasten 1893), wo Lieschen dem Leiden und der nachfolgenden Ekstase beiwohnte, erhielt Lieschen die Gnade, daß ihre verstorbene Schwester erlöst wurde, die im Jahre 1889 verstorben ist. Auch war ein verstorbener, mit Lieschen Feiler befreundeter Priester ihr in der Kapuziner-Kirche erschienen in großen Leiden, denn Lieschen betete fleißig für ihn und opferte täglich das kostbare Blut für ihn auf. Es ward Lieschen auch zugesagt, sie sollte noch eine heilige Messe für ihn bezahlen und eine heilige Kommunion für ihn opfern, aber in der Kirche, wo der Priester gewirkt. Das tat sie sofort und spornte noch viele an, in der heiligen Messe für ihn zur Kommunion zu gehen. Diese taten es bereitwilligst, und der Priester ward erlöst. Es wurde gleich darauf Barbara gezeigt, wie er in den Himmel einzog.
Auch ein anderer befreundeter Priester erschien Lieschen laut seufzend und stöhnend. Sie vernahm durch Barbara, daß sie noch eine Wallfahrt nach Walldürn für ihn machen sollte. Lieschen gedachte, barfuß hinzugehen. Der liebe Heiland aber sagte, das solle sie nicht tun. Sie solle auch nicht bei Wasser und Brot hingehen, wie sie beabsichtigte. Sie nahm sich deshalb Eßwaren mit wie alle andern, konnte aber während des ganzen Weges nichts genießen als Wasser und Milch, aber mit etwas Wein vermischt.
Das Blut stand ihr bereits in den Schuhen von dem Gehen. Auf einmal aber konnte sie nicht mehr weiter. Da entschloß sie sich, das Kreuz zu tragen, welches abwechselnd getragen wird, obwohl sie sich so krank fühlte, und sie trug es ein großes Stück weit und wurde sichtlich gestärkt, so daß sie, als sie in eine Kirche kamen, dort noch die Stationen halten konnte, während die anderen, die gesund waren, sagten, es sei ihnen unmöglich. In Großumstadt aber wurde sie wieder so schwach, daß sie nicht mehr weitergehen konnte. Da bat und flehte sie mit Inbrunst: "Wenn du, o lieber Jesus, mich jetzt nicht stärkst, so kann ich nicht mehr fort, ach hilf mir doch!"
Da auf einmal, sah sie eine wunderschöne Hand und einen Arm sich ihr entgegenstrecken, aber so entzückend, daß ihr Hören und Sehen verging. Zugleich fühlte sie sich gestärkt und vollkommen geheilt. Zuerst meinte sie, es sei die Seele, für die sie den Bußgang unternommen, aber dann erkannte sie, daß es der liebe Heiland selbst war. Als sie aufstand, war sie gesund und konnte wieder gehen. Beim Anblick der Kirche von Walldürn wurde ihre Seele von Freude überströmt. Gleich darauf sah Barbara, wie die Seele erlöst wurde.
Als Barbara in N. bei der Kranken war, kam eine Verwandte derselben eines Tages zum Kaffee. Auch Lieschen sollte teilnehmen, aber sie sagte, daß sie nichts genieße, weil es Fastenzeit sei. Die Dame aber sprach ihr sehr zu und sagte, daß das Fasten ungesund sei und wie sehr man sich damit ruiniere. "Sehen Sie", sagte sie, "ich esse jeden Mittag zum Kaffee zwei Butterbrote und schmiere auch noch Honig darauf. So wird man steinalt."
Als Lieschen vierzehn Tage später wieder nach Mainz zurückkehrte, dauerte es nur noch einige Tage, und es kam eine Arme Seele in der Kirche zu ihr mit schrecklich entstelltem und wehem Mund, mit lauter Blasen bedeckt. Tags zuvor klopfte sie an der Tür von ihr, machte Lärm am Tisch an einer Glasglocke und rief den Namen von Lieschen Feiler. Diese frug dann in der Ekstase an, wer denn die Seele sei, die sich bei ihr melde. Sie erhielt zur Antwort: "Das ist die Frau von N. Dieselbe weiß, daß Lieschen gern betet und will gebetet haben. Wirklich hörte Lieschen gleich darauf, daß jene Frau bereits gestorben sei. Damals hatte Barbara in der Fasten- und Adventszeit alle Donnerstage und Freitage die Ekstasen.
Wie der liebe Heiland Luise Hannappel mit Barbara Weigand zusammenführte
Nach dem Tod ihrer Mutter empfahl Luise dieselbe mit Vorliebe in das Gebet frommer Personen, um so durch andere zu ersetzen, was sie in ihrer Armseligkeit nicht selber fertig zu bringen glaubte, und fragte deshalb ihr Mädchen zuweilen, wer besonders andächtig bete. Das Dienstmädchen kam eines Tages und sagte:
"Ich weiß aber noch ein Mädchen, das sehr fromm ist, geben Sie der ein Melcherskreuz und lassen Sie für die Mutter beten." Denn wir glaubten annehmen zu dürfen, daß Mutter sich zweimal in der Nacht bei uns um Gebet gemeldet, einmal, indem sie mit ihrer Stimme den Namen des Mädchens rief, ein anderes Mal, indem sie Klagetöne von sich gab mit ihrer Stimme, wie im Leben dies geschah, nachdem wir lange darum gebeten, der liebe Gott möge uns wissen lassen, wie es mit ihr stehe.
Ich ließ mir deshalb das Mädchen kommen, und bat sie um Gebet. Dieselbe versprach es mir auch, ließ sich aber von ihren außergewöhnlichen Zuständen gar nichts anmerken. Daraufhin wurde die Schwägerin von Barbara sehr krank und Luise traf nach dem Gottesdienst mit Barbara beim Herausgehen zusammen, und da sie sah, daß Barbara weinte, fragte sie um den Grund. Dieselbe teilte ihr ihre Betrübnis mit, und Luise verschaffte ihr eine Arznei für die Schwägerin. Von da an war Luise immer froh, wenn sie Barbara in einer Kirche traf, denn die tiefe Frömmigkeit, mit der sie Barbara beten sah, gefiel ihr sehr wohl.
Endlich hörte sie, daß Barbara krank sei, und Luise ging hin, sie zu besuchen. Als sie vor die Tür kam, hörte sie reden und wollte wieder fortgehen in der Meinung, es sei ein anderer Besuch da, aber die beiden Dienstmädchen in der Küche sagten, es sei niemand darin wie Barbara, sie möge nur hineingehen. Luise ging dann endlich hinein, wiewohl sie keine Antwort erhielt auf das Klopfen, und fand Barbara in Ekstase mit gefalteten Händen und starren Augen im Bett liegend und laut mit unsichtbaren Wesen redend.
Durch die himmlischen Worte, die sie hörte, wurde sie sehr ergriffen und bis ins Mark erschüttert. Das dauerte noch fast eine Stunde. Luise sah wohl ein, daß dies etwas anderes als Krankheit sei und glaubte, das nicht für sich allein behalten zu dürfen. Sie ging sofort zu ihrem Beichtvater und erzählte ihm, was sie gesehen und gehört, und daß hier Gottes Finger sei, denn wenn so etwas möglich ist, sagte Luise, dann kann es hier möglich sein, da das Mädchen ja nichts sucht und alle im Hause nichts davon verstehen, und da Luise ganz unvermutet, von Gottes Hand herzugeführt, darauf kam.
Von da an unterhielt Luise den Verkehr mit Barbara und fragte, wann dieser Zustand eintrete und suchte hinzuzukommen. Der Beichtvater sagte auch: "Ich habe von jeher das Mädchen bewundert wegen ihrer tiefen Frömmigkeit, die ich oft von meinem Beichtstuhl aus beobachten konnte, besonders, wenn sie die Stationen betete. Möglich kann's sein. Jedoch muß man sehr vorsichtig sein." Luise teilte es noch einem anderen Priester mit, und dieser sagte, Luise müsse erst einmal auskundschaften, ob das Mädchen nichts Irdisches suche, keine Ehre, Geld oder Ansehen. Luise konnte von all dem nichts entdecken und teilte es dem Herrn mit. Dieser meinte, sie solle es einmal aufschreiben, damit man die Sache besser beurteilen könne, was Barbara in diesem Zustand sage, denn bisher hatte Luise nur einige Sätze von Wichtigkeit sich im Gedächtnis zu merken gesucht.
Nun fing Luise an niederzuschreiben, (1895 Ende), brachte aber anfangs nicht alles zu Papier, sondern ließ fast die Hälfte aus, bis sie sich nach und nach hineinschulte, zuerst mit Abkürzungen sich half, dann aber Stenographie erlernte, so daß sie jetzt (1897 Ende), Wort für Wort, wie es aus dem Munde von Barbara fließt, aufzeichnen kann, ohne etwas zu verändern oder auszulassen, indem sie mit dem Diktat gleichen Schritt hält.
gez. Barbara Weigand