• Die Erscheinung in Marienfried
  • Das Zeichen des lebendigen Gottes

Begegnung mit einer fremden Frau (13. Mai 1940)

Am 12. Mai 1940 (Pfingstsonntag) hatte Bärbl beim Spaziergang in einem nahegelegenen Waldstück ihren Rosenkranz verloren. Am Pfingstmontag ging sie denselben Weg wie tags zuvor, um den verlorenen Rosenkranz zu suchen. Der Weg führte sie durch den Wald nach Marienfried. Noch unentschlossen, welchen Rosenkranz sie beten sollte, gesellte sich plötzlich eine Frau zu ihr, grüsste und sagte: "Du überlegst, welchen Rosenkranz du beten sollst. Ich will dich einen anderen (als die bekannten) lehren und (ihn) mit dir beten."

Bärbl wunderte sich, dass die fremde Frau wusste, woran sie gerade gedacht hatte und fragte, wer sie sei, und woher sie komme. Diese entgegnete: "Bete fleissig den Rosenkranz, dann lernst du mich kennen. Du wirst mich schon wieder einmal treffen."

Daraufhin erklärte die Frau ihr den sogenannten Immakulata-Rosenkranz, in dem statt der uns vertrauten Geheimnisse des freudenreichen, schmerzhaften und glorreichen Rosenkranzes die Anrufungen 'durch deine Unbefleckte Empfängnis rette, schütze, leite, heilige und regiere das Vaterland' eingefügt wurden.

Als die Frau, die in ihrer Kleidung nichts Ungewöhnliches zeigte, mit Bärbl diesen Rosenkranz betete, fiel ihr auf, dass sie immer nur das 'Vater unser', das 'Ehre sei dem Vater' und das 'Amen' mitbetete. Nachdem sie den Rosenkranz zu Ende gebetet hatten, ging die Frau wieder fort, ohne dass Bärbl in den Sinn gekommen wäre, etwas Aussergewöhnliches oder gar übernatürliches erlebt zu haben.

Dieses merkwürdige Erlebnis behielt Bärbl zunächst für sich. Sie betete jetzt neben den üblichen Rosenkranz-Geheimnissen auch eifrig den Immakulata-Rosenkranz.

Eines Tages, kurz nachdem sie aus den Pfingstferien wieder ins Internat zurückgekehrt war, fragte sie in ihrer unbefangenen Art Mater Constantia von den 'Englischen Fräulein' in Günzburg, ob sie schon vom gnadenreichen bzw. vom Immakulata-Rosenkranz gehört habe. Diese verneinte es und wollte dann wissen, wie er gebetet würde und woher Bärbl ihn kenne, worauf sie der Präfektin die Begegnung mit der fremden Frau am 13. Mai 1940 erzählte.

Fünfeinhalb Jahre später erst, am 8. Dezember 1945, teilt Bärbl ihrer Freundin Anna Humpf unter vier Augen mit, sie hätte in einem bestimmten Anliegen den Immakulata-Rosenkranz gebetet. Auf Anna Humpfs Frage, was das für ein Rosenkranz sei, und wo sie den herhabe, erwiderte Bärbl, wenn sie diesen Rosenkranz in einem besonderen Anliegen beten würde, wäre es noch nie umsonst gewesen. Eine Frau hätte ihr den beigebracht, als sie Pfingstmontag 1940 im Wald spazierengegangen sei. Jene Frau könne sie nicht vergessen; einen so edlen, guten und reinen (Gesichts-) Ausdruck habe sie noch bei niemand sonst gesehen.

 

Engel, Arme-Seelen-Schau, Sühneleiden

Schon vor dem Beginn der Erscheinungen durfte Bärbl besondere Dinge schauen. Einmal wurde ihr von einem Engel gezeigt, wie eine Seele sterbend vor dem Abgrund der Hölle stand, worauf Bärbl tief erschüttert den Engel anflehte, sie; möchte alles tun, was der liebe Gott für notwendig halte, um diese Seele zu retten. Der Engel liess sie später wissen, die Seele sei zwar im letzten Augenblick gerettet worden, sie aber könne sich (als Sühneseele) noch auf etwas gefasst machen; denn (jede Rettung einer Seele) müsse bezahlt werden.

Im Gottesdienst am 22. Februar 1946 gab Pfarrer Humpf den Tod von Fräulein B. Gl. bekannt. Bärbl, so schreibt Anna Humpf in ihrem Bericht, sass einige Bänke vor mir, erschrak sichtlich darüber und vergrub darauf den Kopf in ihren Händen. Am Abend sagte sie zu mir: "Heute morgen bin ich so erschrocken, weil schon wieder jemand gestorben ist, für den ich beten sollte. Diese Nacht sagte mir der Engel, ich solle für einen Sterbenden beten und wachen, aber ich war so müde und mochte einfach nicht mehr. Drum war es mir heute früh so arg." "Hast du das auch – fragte Bärbl ihre Freundin Anna Humpf – dass dich der Engel bei Nacht weckt und zum Beten für Sterbende und Sünder mahnt?" Anna entgegnete: "Nein Bärbl, das habe ich noch nie gehabt. Doch der liebe Gott will nicht von jedem Menschen das Gleiche. Entscheidend ist, dass wir eben das tun, was er von uns will." Hierauf erwiderte sie ganz impulsiv: "Aber ich will das auch nicht, ich möchte einfach nichts Besonderes. Wenn du das nicht hast, will ich das auch nicht. Ich will wie jeder andere in gewöhnlicher Weise Gott dienen und bei Nacht schlafen dürfen und nicht immer soviel beten und aufstehen müssen, oft für Leute, die ich gar nicht kenne." Anna meinte darauf: "Bärbl, wir dürfen Gott keine Vorschriften machen! Wenn er es von dir will, solltest du nicht sagen, 'ich mag nicht' – auch, wenn es schwer fällt."

Pfarrer Humpf schreibt in seinen Tagebuch-Aufzeichnungen: Seit Jahren steht Bärbl ein Engel zur Seite, der ihr meist nachts oder am Morgen sichtbar wird. Während der Nacht gibt er ihr Anweisungen oder betet mit ihr den sogenannten Immakulata-Rosenkranz. Er gebraucht (dabei der Gottesmutter gegenüber) die Anrufungen: "Du große, Du getreue, Du aller Gnaden Vermittlerin."

Anfang März 1939 bat der Engel sie: "In den nächsten Tagen sollst du für den 'Engelgleichen Hirten' beten; am vierten Tag darfst du dich mit ihm freuen, dann ist sein Jubeltag (12. März 1939, Krönungstag P. Pius XII)." Hierzu erwähnt sie dem Pfarrer gegenüber: "Der Engel hat manchmal so komische Ausdrücke gebraucht, besonders die Bemerkung mit dem Engelgleichen Hirten. Ich wusste nicht, wer damit gemeint war."

In der Fastenzeit 1942 hatte sie nachts große Angst, ohne einen Grund hierfür angeben zu können. Nach und nach bedrückte sie eine furchtbare Sündenlast in dem deutlichen Bewusstsein, dass es sich nicht um ihre eigene Schuld handeln würde. Schliesslich wurde ihr klar, dass es Zustände von Armen Seelen seien, die ihr gezeigt wurden, um für diese zu beten und zu sühnen. Oft blieben diese vor ihr stehen und wollten nicht weggehen. Nicht selten spürte sie, wenn in der Nacht ein Licht aufblitzte, dass jemand im Sterben lag. Manchmal war es jemand, den sie kannte.

Pfarrer Humpft weiter: Bärbl hatte damals auch die Gabe, Priester von Laien zu unterscheiden. Wenn ich sie fragte, wie sie das könne, sagte sie: "Von solchen Menschen geht eine größere Kraft aus." Sie konnte auch Katholiken und Protestanten unterscheiden. Nach der Kommunion spürte sie regelrecht die Todsünder, die in der Kirche anwesend waren. Vor solchen Menschen hatte sie ungeheure Angst und furchtbaren Ekel; wogegen sie sich zu solchen, die in der Kindschaftsgnade lebten, mit inniger Liebe hingezogen fühlte.

Einige Monate, nachdem ich am 29. September 1943 die Pfarrei Pfaffenhofen übernommen hatte, kam Bärbl vom Reichsarbeitsdienst nach Hause. Ich sah sie zum ersten Mal an der Kommunionbank. Sie fiel mir durch ihre ungewöhnliche Verinnerlichung, und Sammlung auf. Ihr Gebaren hatte nichts Auffälliges, aber ihr Gesichtsausdruck war so sehr von innerer Hingabe an das Geheimnis geprägt, dass man dies nicht übersehen konnte, sondern unwillkürlich darauf aufmerksam wurde. Auch wenn sie an ihrem Platz betete, sah man ihr an, dass sie ganz versunken war und für nichts anderes Auge und Ohr hatte. Nach dem Kommunionempfang schien die Aussenwelt für sie bis zum Ende der hl. Messe überhaupt nicht mehr da zu sein. Sie blieb regungslos – ganz in sich versunken. Sie erhob sich auch nicht beim letzten Evangelium, nicht einmal bei der Weihwasserausteilung (nach dem Gottesdienst). Als (ihr von jemand mitgeteilt wurde), dass sie (mit ihrem Verhalten) die Aufmerksamkeit der anderen auf sich ziehe, suchte sie sich einen Platz in der Kirche aus, von dem sie weniger beobachtet werden konnte. Man hatte den Eindruck, die hl. Messe, vor allem die hl. Kommunion sei für sie ein Erlebnis stärkster Art, in dem sie mit der ganzen Innigkeit und Hingabefrömmigkeit ihrer Seele lebte.

Eines Tages, als ich von der hl. Messe zurückgekommen war, kam sie zu mir und bat mich, ihr meine Finger zu zeigen. Sie betrachtete dieselben aufmerksam und fragte dann: "Herr Pfarrer, haben sie denn die Finger nicht verbrannt?" Ich entgegnete: "Wieso denn verbrannt, ich habe doch nicht mit Feuer zu tun gehabt?" Sie wollte es gar nicht glauben, dass meine Finger unversehrt waren und schaute sie nochmals an. Ich fragte noch einmal: "Wie kommst du denn zu einer solchen Meinung?" worauf sie erwiderte, sie habe während der hl. Wandlung meine Hände ganz in Feuer gehüllt gesehen, und dieser Lichtschein sei bis zur Kommunionausteilung geblieben. Zweimal kam es vor, dass sie mich bat, Hostienpartikel, die vor der Kommunionbank lagen, aufzuheben.

Im Juni 1944, wenige Tage nachdem eine Schulkameradin von Bärbl an Hirnhautentzündung gestorben war, kam Bärbls Stiefmutter ganz aufgeregt zu Anna Humpf und sagte, Bärbl verlange nach ihr. Seit gestern sei sie plötzlich schwer krank geworden, der Arzt halte es für Hirnhautentzündung. Frau R. glaubte, ihre Stieftochter Bärbl müsse sterben. Anna Humpf, die Schwester des Pfarrers schreibt hierüber in ihren Aufzeichnungen:

Ich war Bärbl vorher noch nie persönlich näher gekommen, dennoch ging ich gleich zu ihr hinüber. Sie lag sehr krank zu Bett, das Reden machte ihr sichtlich Mühe. Als ihre Mutter weg war, fragte sie mich, ob ich ihr in einem großen Anliegen helfen wolle. "Gerne, wenn ich kann!" antwortete ich. Dann erzählte sie mir kurz von einem Menschen, der ihr früher etwas Schlimmes angetan habe, und dem sie damals schier nicht verzeihen kannte. Für den müsse sie viel beten; sie habe ihn unmittelbar vor der Verdammnis gesehen und sie solle sich, wie die Mutter Gottes gesagt habe, dabei von jemand helfen lassen. Ob ich das tun wolle?

Ich merkte, wie schwer es ihr fiel, davon zu reden und einen anderen Menschen um etwas zu bitten; versicherte ihr jedoch, so gut ich halt könne, mit Gehet zu helfen.

Darauf sagte sie, und hieran kann ich mich noch ziemlich wörtlich erinnern: "Es ist aber eine besondere Bedingung dabei und zwar, dass alles durch die Mutter Gottes geschieht. Wissen Sie, wie ich das meine?" Ich glaubte es zu wissen und erwiderte: "Wenn man sich ganz der Gottesmutter geweiht hat, gehört man ihr auch, und es geht alles mit ihr und durch sie." – "Ob sie es so meine?" – "Ja" sagte Bärbl, "ich hab halt gemerkt, dass Sie gut beten können." Nach einer kleinen Pause gab sie mir erleichtert zu verstehen: "Jetzt bin ich so froh!"

Bärbl war ganz steif, offenbar bereits ein Anzeichen von Genickstarre oder Hirnhautentzündung. Deshalb wollte ich sie darauf vorbereiten, sich Gott ganz anheimzugeben. Ich rede ihr noch ein wenig zu: "Tust halt alles aufopfern jetzt und zu allem bereit sein, wie es der liebe Gott will!" – "Ja, wie der liebe Gott will" – flüsterte sie – "sterben werd ich aber noch net dürfen. Die Mutter Gottes hat gesagt, ich werd jetzt viel leiden müssen, und das Schwerste käme noch."

Ich musste Bärbl versprechen, von dem, was sie mir anvertraut, und worum sie mich gebeten hatte niemand etwas zu sagen, auch ihrer Stiefmutter nicht. Diese hatte vorher davon gesprochen, daß der Arzt die Krankheit für sehr bedenklich halte, ja für lebensgefährlich, weshalb ich Bärbl beim Abschied fragte, "ob mein Bruder (Pfr. Humpf) zum Versehen herüber kommen solle, bevor sie möglicherweise ins Krankenhaus müsse." – "Ja, meinte sie, wenn er so viel Zeit hätte, wäre es ihr schon recht." – "Eine halbe Stunde kniete ich danach in der Kirche, betete und weinte. Noch am Abend kam Bärbl, nachdem sie mit den Sterbesakramenten versehen war, ins Krankenhaus. Die meisten glaubten, sie werde sterben. Aber mit der Zeit ging es ihr langsam besser. Sie hatte wirklich viel zu leiden.

Licht kam erst in dieses Dunkel, als Anna Humpf später von Bärbl erfuhr, dass sie bereits einige Wochen, bevor ihre Schulkameradin an Hirnhautentzündung starb, von ihrem Engel dazu aufgefordert worden war, für deren Seele zu beten. Etwa acht Tage nach dem Tod ihrer Schulkameradin erkrankte Bärbl ganz plötzlich an derselben Krankheit.