• Liber Scivias: Wisse die Wege
  • Liber Divinorum Operum: Das Buch vom Wirken Gottes
  • Causae et Curae: Ursprung und Behandlung der Krankheiten
  • Physica: Heilsame Schöpfung - Die natürliche Wirkkraft der Natur
  • Epistolae: Briefe
  • Symphoniae: Lieder

Einführung Hildegard von Bingen

Hildegard von Bingen, als jüngstes von zehn Kindern im Sommer 1098 geboren, bis zu ihrem Lebensende im Jahre 1179 kränklich und schwächlich, wurde schon als achtjähriges Kind in einem Kloster aufgenommen. Als Äbtissin hat sie ab dem Jahre 1147 das berühmte Kloster Rupertsberg, das auf ihr Betreiben hin gegründet wurde, geleitet. In ihrer Eigenschaft als Klostervisitatorin unternahm sie weite Reisen und wirkte durch ihren umfangreichen Briefwechsel als Beraterin großer Persönlichkeiten des geistlichen und weltlichen Lebens.

In gewaltigen Visionen offenbarte Gott der hl. Hildegard eine umfassende Schau Seiner Allmacht und Seines Wirkens in Raum und Zeit. Dieses schrieb Hildegard in ihren fünf Hauptwerken nieder: Scivias (Wisse die Wege), Liber divinorum operum (Das Buch vom Wirken Gottes), Causae et Curae (Von den Ursachen und der Behandlung von Krankheiten), Liber vitae meritorum (Das Buch der Lebensverdienste) und Physica (Heilkraft der Natur).


Hildegard von Bingen: Scivias. 11. Vision des 3. Teils (25-41) – Antichrist

25. Vom Antichrist und seiner Mutter.

Doch der wahnsinnige Mörder, nämlich der Sohn des Verderbens, wird in kürzester Zeit kommen, wie der Tag schon scheidet, wenn die Sonne am Abend untergeht, d. h. wenn die letzte Zeit schon schwindet und die Welt ihren Lauf aufgibt. O meine Getreuen, hört dieses Zeugnis und versteht es ergeben als Warnung, damit euch nicht der ohne euer Wissen plötzlich über euch kommende Schrecken dieses Verderbers ins Unglück des Unglaubens und der Verwerfung stürze. Bewaffnet euch daher und bereitet euch, auf diese Weise gewarnt, mit zuverlässigen Verschanzungen für den so heftigen Kampf. Wenn nämlich diese Zeit gekommen ist, da jener schlimme Betrüger schrecklich in Erscheinung treten soll, ist die Mutter, welche diesen Verführer in die Welt setzen soll, von ihrer Kindheit an und im Mädchenalter durch teuflische Künste voller Laster in einer abgelegenen Wüste unter ganz gottlosen Menschen erzogen worden. Ihre Eltern wissen nichts von ihrem dortigen Aufenthalt und die, mit denen sie zusammenlebt, kennen sie nicht; denn der Teufel überredet sie, dorthin zu gehen und bereitet sie dort durch Täuschung nach seinem Wunsch vor, als ob er ein heiliger Engel wäre. Und sie trennt sich deshalb von den Menschen, um sich umso leichter verbergen zu können. Daher vereinigt sie sich auch mit einigen, wenn auch wenigen Männern heimlich in der schlimmsten Preisgabe der Unzucht und entehrt sich mit ihnen in so großem Eifer für die Unsittlichkeit, wie der heilige Engel sie die Leidenschaft ihre Schlechtigkeit vollbringen läßt. Und so empfängt sie in der brennendsten Glut ihrer Unzucht den Sohn des Verderbens und weiß nicht, von welchem Samen dieser Männer sie ihn empfangen hat.

Doch Luzifer, nämlich die alte Schlange, von dieser Schändlichkeit entzückt, weht nach meinem gerechten Urteil dieses Gerinnsel mit seinen Ränken an und besitzt es mit allen seinen Kräften gänzlich im Schoß seiner Mutter. So geht dieser Verderber aus dem Leib seiner Mutter voll teuflischen Geistes hervor. Dann meidet sie die gewohnte Unzucht und sagt dem törichten und unwissenden Volk offen, daß sie keinen Mann habe und den Vater ihres Kindes nicht kenne. Die Unzucht, die sie beging, nennt sie heilig und daher hält sie das Volk für heilig und nennt sie so. So wird der Sohn des Verderbens bis zum kräftigeren Alter erzogen und entzieht sich immer dem ihm bekannten Volk.

 

26. Von der Mutter in den magischen Künsten unterwiesen, führt er mit Gottes Zulassung seinen Willen an den verschiedenen Geschöpfen aus.

Seine Mutter aber zeigt ihn mittlerweile mittels einiger magischer Künste sowohl dem Volk, das Gott verehrt, als dem, das ihn nicht ehrt. So bewirkt sie, daß er von ihnen gesehen und geliebt wird. Wenn er zum Vollalter gelangt ist, wird er öffentlich eine verderbliche Lehre vertreten und so mir und meinen Erwählten entgegentreten; er wird so große Kraft gewinnen, daß er versucht, sich in seiner gewaltigen Macht über die Wolken zu erheben. Denn ich erlaube ihm nach meinem gerechten Urteil, seinen Willen an verschiedenen Geschöpfen auszuführen. Denn wie der Teufel am Anfang sprach: "Ich werde dem Höchsten gleich sein" und fiel, so lasse ich auch zu, daß dieser Teufel in der Endzeit stürzt, wenn er in diesem seinem Sohn sagt: "Ich bin der Erlöser der Welt." Und damit die Gläubigen in der ganzen Welt erkennen, daß Luzifer ein Lügner war, als er am Anfang der Tage Gott gleichen wollte, so soll auch jeder Gläubige sehen, daß dieser Sohn der Bosheit ein Lügner ist, wenn er sich vor dem jüngsten Tag dem Sohn Gottes ebenbürtig macht.

 

27. Von seiner Macht und den verschiedenen Wundern, die er zu vollbringen scheint.

Er ist nämlich ein ganz schlimmes wildes Tier und tötet die Menschen, die ihn ablehnen. Er gesellt sich Königen, Führern, Fürsten und Reichen zu, unterdrückt die Demut und richtet den Stolz auf. Den Erdkreis unterwirft er sich mit teuflischer List. Denn seine Macht dringt bis zur Behausung des Windes vor, so daß er die Luft in Bewegung zu setzen, Feuer aus dem Himmel zu bringen und Blitz, Donner und Hagel zu verursachen scheint. Er scheint auch die Berge umzustürzen, die Wasser auszutrocknen, den Wäldern ihr Grün zu nehmen und ihnen ihren Saft wieder zurückzugeben. Solche Täuschungen zeigt er an verschiedenen Geschöpfen, d. h. bezüglich ihrer Feuchtigkeit, Grünkraft und Dürre. Er läßt aber auch nicht davon ab, an Menschen seine Betrügerei zu wirken. Auf welche Weise? Offenbar verursacht er bei den Gesunden Krankheit und bei den Kranken Gesundheit, scheint Dämonen auszutreiben und zuweilen Tote zu erwecken. Wie? Wenn nämlich manchmal jemand verschieden ist, dessen Seele in der Gewalt des Teufels ist, übt er zuweilen – mit meiner Zulassung – an dem Leichnam seinen Mutwillen aus und bringt seine Leiche in Bewegung, als ob sie lebe; allerdings wird ihm das nur ganz kurze Zeit und nicht über eine längere Zeitspanne zu tun gestattet, damit nicht durch diese Anmaßung die Ehre Gottes ins Lächerliche gezogen werde. Einige, die das sehen, vertrauen ihm. Manche aber möchten bei ihrem früheren Glauben bleiben und ihn dennoch gnädig stimmen. Da er sie wenigstens doch nicht grausamer verletzen will, schickt er ihnen irgendwelche Krankheiten. Suchen sie jedoch ein Heilmittel bei den Ärzten und können nicht geheilt werden, laufen sie zu ihm zurück und versuchen, ob er sie zu kurieren vermag. Wenn er sie aber dann aufsucht, nimmt er ihnen die Krankheit weg, die er ihnen auferlegt hat; daher lieben sie ihn sehr und glauben an ihn. Und so werden viele getäuscht, wenn diese die Augen des inneren Menschen umnebeln, mit denen sie auf mich schauen sollten. In dieser Erprobung ihres Geistes wollen sie in einer gewissen Neugier wissen, was sie mit den äußeren Augen sehen und mit Händen greifen; das Unsichtbare, welches in mir vorhanden und im wahren Glauben zu ergreifen ist, verachten sie. Denn sterbliche Augen können mich nicht erblicken, sondern ich zeige meine Wunder im Schattenbild, wem ich will. Mich selbst aber wird keiner schauen, solange er im sterblichen Leib lebt, nur im Schatten meiner Geheimnisse, wie ich zu meinem Diener Moses sagte und geschrieben steht.

 

28. Worte des Moses über die Schau Gottes.

"Kein Mensch wird mich sehen und kann am Leben bleiben." (Ex. 33,20)

Das ist so: Wer sterblich ist, wird den irdischen Blick seiner Vergänglichkeit nicht auf die Herrlichkeit meiner Gottheit richten, um das sterbliche Leben in unvergänglicher Asche besitzen zu können, während er sich im Wandel der vergänglichen Zeit befindet, d. h. ein Leben verläßt und zu einem andern übergeht. Denn alles Lebendige ist durch mich dauerhaft, weil ich lebe; und in mir gibt es keine Veränderung. Wie nämlich eine Mücke nicht am Leben bleiben kann, wenn sie sich in eine Feuerflamme stürzt, so könnte auch kein sterblicher Mensch bestehen, wenn er das Aufleuchten meiner Gottheit sähe. Ich aber zeige mich den sterblichen Menschen, solange sie von der Last ihrer Sterblichkeit beschwert sind, so in einem Schattenbild, wie ein Maler den Menschen das Unsichtbare durch seine gemalten Bilder verdeutlicht. Doch wenn du, o Mensch, mich liebst, umarme ich dich und erwärme dich mit der Glut des Heiligen Geistes. Wenn du mich nämlich in deiner guten Absicht anblickst und mich durch deinen Glauben erkennst, dann bin ich mit dir. Doch die mich verachten, wenden sich zum Teufel hin, weil sie mich nicht kennen wollen. Daher verwerfe auch ich sie.

 

29. Einige vom Teufel Betrogene lassen täuschenderweise Wunderzeichen an Geschöpfen sehen, aber sie können sie nicht in eine andere Art verwandeln.

Diese aber verspottet und täuscht der Teufel, wie immer es ihm beliebt, so daß sie für wahr halten, was er ihnen zeigt. Und diese List seiner Täuschung flößt der Teufel jenen ein, die auf ihn vertrauen, so daß auch sie die Menschen in dieser Kunst täuschenderweise Wunderzeichen an Geschöpfen nach ihrem Wunsch sehen lassen. Aber dennoch können weder die Elemente noch die anderen von Gott geschaffenen Kreaturen in eine andere Art verwandelt werden; sie täuschen nur durch ihre Betrügereien denen, welche an sie glauben, unheimliche nebelhafte Erscheinungen an ihnen vor. Denn auch Adam verlor, als er nach mehr verlangte als er haben sollte, die Paradiesesherrlichkeit. So verlieren auch diese Auge und Ohr des inneren Menschen, weil sie Gott verlassen und den Teufel verehren.

 

30. Auf wie verschiedene Art der Antichrist die Seinen täuscht und warum ihm das gestattet wird.

Auf diese Weise bewerkstelligt der Sohn des Verderbens seine täuschenden Künste an den Elementen und läßt an ihnen – je nach dem Wunsch der Menschen, die er täuscht – Schönheit, Anmut und Reiz sehen. Diese Gewalt ist ihm aber deshalb zugestanden, damit die Gläubigen im rechten Glauben erkennen, daß der Teufel keine Macht über das Gute hat, sondern nur über die Übel des ewigen Todes. Denn was immer dieser Sohn der Bosheit tut, wirkt er mit Gewalt, Stolz und Grausamkeit; er besitzt keine Barmherzigkeit, Demut und Unterscheidung, sondern drängt die Menschen mit einem Befehl und großer Verblüffung dazu, ihm zu folgen. Er gewinnt eine große Schar für sich, indem er ihnen sagt, sie dürften frei ihren Willen erfüllen und bräuchten sich nicht zu vielem Wachen und Fasten verpflichten. Er verheißt ihnen, daß sie nur ihren Gott, der er zu sein vorgibt, zu lieben bräuchten, um, von der Hölle befreit, zum Leben zu gelangen. Daher sagen die derart Getäuschten: "O weh, diese Unglücklichen, welche vor diesen Zeiten lebten, ihr Leben mit grausamen Quälereien erschwerten und ach, die Güte unseres Gottes nicht kannten." Jener zeigt ihnen nämlich Schätze und Reichtum und erlaubt ihnen, nach ihren Wünschen zu schwelgen. Mit trügerischen Zeichen bekräftigt er seine Lehre, so daß sie glauben, es nicht nötig zu haben, ihren Leib irgendwie in Zucht zu nehmen und zu bändigen. Er befiehlt ihnen jedoch, die Beschneidung und das Judentum nach den Gebräuchen der Juden zu beobachten und erleichtert ihnen die schwereren Gesetzesvorschriften, welche das Evangelium – mit würdiger Buße verbunden – in Gnade wandelt, nach ihrem Willen. Und er spricht: "Wer sich zu mir bekehrt, dessen Sünden werden getilgt und er wird mit mir in Ewigkeit leben." Er verwirft auch die Taufe und das Evangelium meines Sohnes und spottet über alle Gebote, die der Kirche übergeben sind. Und wiederum sagt der Teufel spöttisch zu denen, die ihm dienen: "Seht nur, wer und wie verrückt der gewesen ist, welcher dem einfachen Volk mit seiner Betrügerei das zur Beobachtung aufgestellt hat!"

 

31. Vom Scheintod des Antichrist und dem Buch der Verwünschung; wer ihm widerspricht, wird getötet.

"Ich aber will für euch und zu euerm Ruhm sterben und vom Tod auferstehen und so werde ich mein Volk von der Hölle befreien, so daß ihr von nun an glorreich in meinem Reich lebt"; dieser Betrüger gab vor, das schon früher getan zu haben. Und darauf befiehlt er seinen Anhängern, ihn mit einem Schwert zu erschlagen und ihn bis zum Tag seiner Auferstehung in reines Leinen zu hüllen. Und sie werden so getäuscht, daß sie glauben, ihn zu töten und auf diese Weise seine Befehle auszuführen; später ersteht er scheinbar und führt eine Schrift vor, die gleichsam zum Heil der Seelen eine schreckliche Verwünschung enthält. Er übergibt sie den Menschen als Zeichen und läßt sich von ihnen anbeten. Wenn das aber ein Gläubiger aus Liebe zu meinem Namen verweigert, wird er von ihm durch grausame Pein und Foltern vernichtet. Daher sind alle, die das sahen oder hörten, von Staunen und Zweifel betroffen, wie auch mein geliebter Johannes zeigt und spricht.

 

32. Worte des Johannes.

"Und ich sah eins von seinen Häuptern tödlich getroffen und seine Todeswunde wurde geheilt. Und voll Bewunderung folgte die ganze Welt dem Tier." (Offb 13,3)

Das ist so: Ich, der Liebhaber der Geheimnisse Gottes, sah, wie der Betrüger und Verfluchte mit ganz großen und unzähligen Bosheiten die Unschuld der Heiligen umzingelt und sie mit vielfachen Lasten heimsucht. Er wird durch die Listen seiner Betrügereien vortäuschen, sein Blut bei seiner Hinmordung zu vergießen und so zu sterben. Nicht körperlich findet er den Tod, sondern er wird gleichsam als täuschendes Schattenbild erschlagen und für sterbend erachet. Daher gibt er auch – als sei er mit seinen täuschenden Wunden tot – vor, wie aus einem Todesschlaf zum Leben erwacht zu sein. Und so werden alle Menschen auf der ganzen Erde, starr vor Staunen und Schrecken über ihn, in Furcht vor diesem Verfluchten geraten, wie auch das Volk über die Größe und Stärke Goliaths entsetzt war, als es ihn bewaffnet zum Kampf sich gegenüberstehen sah.

Wie du siehst, scheinen auch so die Säulen meiner Auserwählten, sowohl vor diesen Foltern als auch vor den widersprüchlichen, auffallenden und schrecklichen Zeichen, welcher dieser Sohn des Verderbens von sich gibt, von großem Staunen und Zittern erfaßt zu sein und stöhnen vor Jammer und Not auf.

 

33. Warum Henoch und Elias bis zu dieser Zeit zurückbehalten werden.

Doch meine beiden Zeugen, die ich im Geheimnis meines Willens bis zu dieser Zeit aufbewahrt habe, nämlich Henoch und Elias, werde ich aussenden, damit sie ihn bekämpfen und die Irrenden zum Weg der Wahrheit zurückführen. Sie werden meinen Gläubigen die stärksten und kräftigsten Tugenden vor Augen führen. Denn weil die Worte ihres Zeugnisses in beider Mund ganz übereinstimmen, werden sie den Hörern den Glauben bringen. Deswegen sind diese beiden Zeugen der Wahrheit nämlich solange bei mir zurückbehalten worden, damit sogleich bei ihrem Auftreten ihr Wort in den Herzen meiner Erwählten verstanden und bekräftigt werde und der Sproß meiner Kirche von da an in großer Demut Bestand habe. Und sie werden zu den Kindern Gottes, deren Namen im Buch des Lebens stehen, sprechen.

 

34. Ihre Worte an die Kinder Gottes.

"O ihr Redlichen, zum herrlichen Lob der beglückenden Gnaden des (ewigen) Lebens erwählt, hört und versteht, was wir euch zuverlässig berichten: Dieser Verfluchte ist vom Teufel entsandt, um die Seelen, welche sich seinen Vorschriften unterwerfen, in Irrtum zu führen. Wir lebten nämlich von dieser Welt zurückgezogen, in den Geheimnissen Gottes zurückbehalten, die den Menschen verborgen sind. Der Sorge und Angst der Menschen waren wir entzogen. Dazu aber sind wir aufbewahrt und zu euch gesandt worden, um den Irrtümern dieses Verderbers zu widersprechen. Seht also, ob wir euch nicht an Wuchs und Alter ähneln."

 

35. Von ihren wahrhaftigen Zeichen, durch die der Betrug des Antichrist verworfen wird.

Und alle, die den wahren Gott erkennen und bekennen wollen, folgen diesen beiden Greisen und wahren Zeugen, die das Banner der göttlichen Gerechtigkeit tragen, und geben den ungerechten Irrtum auf. Denn sie werden unter lautem Lobpreis vor Gott und den Menschen aufleuchten, Ortschaften, Straßen und Städte, sowie die anderen Orte, wo immer der Sohn des Verderbens seine verderbliche Lehre ausgestreut hat, durcheilen und dort viele Zeichen im Heiligen Geist wirken. So wird das ganze Volk, welches sie sieht, zu größter Bewunderung geführt. Diese großen Wunderzeichen, die auf festem Felsen gründen, werden ihnen aber deswegen geschenkt werden, daß die verderblichen und falschen Zeichen herabgesetzt werden. Denn wie ein Blitz zündet und verbrennt, so handelt auch der Sohn des Verderbens. Mit seiner schlimmen Bosheit und Schlechtigkeit verbrennt er die Leute durch magische Künste wie ein feuriger Blitz. Doch Henoch und Elias werfen mit der rechten Lehre seine ganze Kohorte gleichsam mit einem Donnerschlag eingeschüchtert zu Boden und festigen so die Gläubigen.

 

36. Nach dem von Gott zugelassenem Tod erhalten sie den Lohn ihrer Mühen.

Sind sie jedoch mit der Zulassung meines Willens schließlich von ihm getötet worden, erhalten sie den Lohn für ihre Mühen im Himmel. Dann fallen zwar die Blüten ihrer Lehre ab, weil ihre Stimme in der Welt bereits verstummt ist, aber in den Erwählten tritt die gute Frucht zutage. Diese verachten die Phrasen und die Wut der teuflischen List und sind wohlgefestigt in der Hoffnung auf das himmlische Erbe, wie auch Salomon auf den guten und redlichen Menschen verweist und spricht: "Das Haus des Gerechten ist am dauerhaftesten und im Gewinn des Gottlosen liegt Beunruhigung." (Spr. 15,6)

Das ist so: Das sichere Haus, in dem es keinen Schmerz und kein Unglück gibt, ist der besondere Spiegel des göttlichen Auges im redlichen Menschen. In ihm sieht dieses Auge die Kraft seiner Wundertaten gleichsam im Herannahen eines tödlichen Schwertes. Doch in den Taten, die wie wachsende Früchte aus einem hochmütigen Herzen hervorgehen, das in seinen Eigenwilligkeiten Ruinen errichtet, wird eine gewisse Traurigkeit stecken, weil dieses stolze Herz nicht auf die Hoffnung vertraut, welche in himmlischer Sättigung erblüht.

 

37. Alle Glieder der Kirche werden durch den anmaßenden Übermut des Antichrist in Schrecken versetzt, der glaubt, er könne das Innerste des Himmels durchdringen.

Daß du aber siehst, wie sich dieses unförmige Haupt mit so großem Getöse von seiner Stelle löst, daß die ganze erwähnte Frauengestalt in allen ihren Gliedern davon erzittert, bedeutet: Wenn der Sohn des Verderbens, der das Haupt der Bosheit ist, sich in heftigem arrogantem Hochmut aus der ihm anhaftenden Bosheit wie aus einem kleinen Irrtum erhebt, reißt er einen größeren Wahn an sich; er möchte sich nämlich über alle erhöhen, d. h., wenn seine Täuschungen ans Ende gelangt sind, wird die ganze Kirche in all ihren größeren und kleineren Kindern in großen Schrecken versetzt und erwartet seine wahnsinnige Anmaßung. Und es befindet sich eine Unmenge Kot um das Haupt; es erhebt sich daraus wie über einen Berg und versucht zur Himmelshöhe aufzusteigen. Denn die so großen Listen der teuflischen Nachstellung, welche viel Unreinheit verursachen, stehen diesem Sohn der Bosheit bei, verleihen ihm die Flügel des Stolzes und erheben ihn zu solcher Anmaßung, daß er sogar glaubt, das Innerste des Himmels durchdringen zu können. Auf welche Weise? Wenn er nämlich den Willen des Teufels vollkommen erfüllt hat, so daß er nach dem gerechten Urteil Gottes keine Erlaubnis mehr zu seiner so großen Macht an Bosheit und Grausamkeit erhält, sammelt er seine ganze Horde und sagt denen, die an ihn glauben, er wolle in den Himmel auffahren. Doch wie der Teufel nicht wußte, daß der Gottessohn zur Erlösung der Seelen geboren werde, so ist auch diesem großen Übeltäter nicht bekannt, daß der kräftige Schlag der Hand Gottes über ihn kommt, wenn er sich in das todbringende Übel aller Übel einhüllt.

 

38. Die Macht Gottes vernichtet in sichtbarer Stärke gleichermaßen den Sohn des Verderbens wie den Teufel durch ewige Verdammnis.

Und da ertönt plötzlich etwas wie ein Donnerschlag und trifft das Haupt mit solcher Wucht, daß es von diesem Berg herabstürzt und seinen Geist im Tod aushaucht. Denn die sich offenbarende Macht Gottes streckt den Sohn des Verderbens mit solcher Kraft seines Eifers nieder, daß er vom Hochmut, mit dem er sich gegen Gott erhoben hatte, durch den großen Fall seiner Anmaßung kopfüber herabstürzt und so im Tod ewiger Verdammnis seinen Lebensodem vollständig von sich gibt. Denn wie die Versuchungen meines Sohnes beendet wurden, als er bei der Versuchung dem Teufel befahl: "Weiche Satan" und jener erschreckt floh, so werden auch diese Verfolgungen, die der Sohn der Bosheit über die Kirche bringt, in diesem meinem Eifer ihr Ende finden.

 

39. Höllischer Gestank und Dunst wird den Ort seiner Überheblichkeit erfüllen, damit die Getäuschten zurückweichen.

Daher ergreift auch sogleich ein so übelriechender Dunst den ganzen Berg, und das Haupt wird darin von so großem Schmutz bedeckt, daß das dabeistehende Volk in größten Schrecken versetzt wird. Denn der so unreine und höllische Gestank wird den Ort seiner Überheblichkeit ganz erfüllen, an dem jener schlimme Verleumder einen solchen Schmutz ausspie, daß man sich nach gerechtem Urteil Gottes von da an weder an seinen Beginn noch an sein Ende erinnern kann. Jene Scharen sehen nämlich seine Leiche stumm auf die Erde hingestreckt und von großer Fäulnis erfüllt; sie erkennen, daß sie getäuscht sind und der Dunst bleibt noch etwas länger um diesen Berg herum. Denn jener Gestank, der den teuflischen Hochmut umgibt, erweist ihn als unrein, damit die von ihm verführten Menschen, welche den Gestank und jenen Schmutz wahrnehmen, ihren Irrtum meiden und zur Wahrheit zurückkehren. Denn als das anwesende Volk das sieht, wird es von großer Angst erfüllt; als sie das nämlich erblicken, überfällt sie größtes Entsetzen, so daß sie heulend und weinend in Klagen ausbrechen und bekennen, sie hätten sich schwer getäuscht.

 

40. Nach der Niederstreckung des Sohnes des Verderbens wird die Braut Christi vom Glanz wunderbarer Schönheit strahlen, während die Irrenden zum Weg der Wahrheit zurückkehren.

Und plötzlich erscheinen die Füße der erwähnten weiblichen Gestalt glänzend weiß und leuchten heller auf als der Glanz der Sonne. Das heißt: Die Stärke des Fundaments und die Stütze der Braut meines Sohnes wird den großen Glanz des Glaubens zeigen und jene Schönheit, die alle Anmut irdischer Herrlichkeit übertrifft, aufweisen, wenn der Sohn des Verderbens – wie schon gesagt wurde – niedergestreckt ist und viele der Verirrten zur Wahrheit zurückkehren.

 

41. Der Tag des Gerichts kann niemand als Gott kennen.

Doch nach dem Fall des Gottlosen soll der sterbliche Mensch nicht zu erfahren suchen, wann bei der Auflösung der Welt der Jüngste Tag eintrifft, denn er kann ihn nicht kennen. Der Vater hat ihn nämlich in seinem verborgenen Geheimnis aufbewahrt. Bereitet euch also zum Gericht, o Menschen! Wie aber schon erwähnt wurde, wird der Sohn des Verderbens mit seinem Vater, dem Teufel, und mit all seinen Künsten in der Endzeit von meinem Sohn, dem stärksten Kämpfer, überwunden werden, wie auch die so starken Feinde des Samson, der sein Vorbild war, verworfen wurden, wie geschrieben steht.

 

12. Vision des 3. Teils (1-16) – Der Tag der Großen Offenbarung

Danach schaute ich: Und plötzlich wurden alle Elemente und Geschöpfe von einem schrecklichen Beben erschüttert, Feuer, Luft und Wasser brachen hervor und brachten die Erde in Aufruhr. Es dröhnte von Blitzen und Donnerschlägen. Berge und Wälder fielen, so daß alles Sterbliche das Leben aushauchte. Und alle Elemente wurden gereinigt, so daß auf diese Weise alles Schmutzige an ihnen verschwand und nicht mehr auftauchte. Und ich hörte eine Stimme mit lautem Ruf über den ganzen Erdkreis erschallen; sie rief: "O ihr Menschenkinder, die ihr in der Erde ruht, erhebt euch alle!"

Und siehe da! Alles menschliche Gebein an jedem Ort der Erde sammelte sich augenblicklich und bedeckte sich mit seinem Fleisch; und alle Menschen erstanden mit ihren unversehrten Gliedern und Leibern, je nach ihrem Geschlecht. Die Guten leuchteten in Herrlichkeit und die Bösen erschienen schwarz, so daß man das Werk eines jeden an ihm wahrnahm. Und einige von ihnen waren mit dem Glauben besiegelt, manche aber nicht. So trug ein Teil der Besiegelten einen goldenen Glanz auf ihrem Antlitz, die andern gleichsam einen Schatten; das war ihr Kennzeichen.

Doch plötzlich flammte vom Osten her ein mächtiger Blitz auf. Und ich erblickte dort auf einer Wolke den Menschensohn mit demselben Antlitz, das er auf Erden trug, und mit offenen Wunden. Er kam mit den Chören der Engel und thronte auf einer Flamme, die glühte, aber nicht brannte. Unter ihm tobte ein gewaltiger Sturm zur Reinigung der Welt, und die Besiegelten wurden wie von einem Wirbelwind ergriffen, der sie ihm entgegen entrückte, dorthin, wo ich schon früher jenen Glanz erblickt hatte, der das Geheimnis des himmlischen Schöpfers versinnbildet. Dort wurden die Guten nämlich von den Bösen getrennt. Er aber beglückte mit einladender Stimme – wie das Evangelium deutlich zeigt – die Gerechten mit dem Himmelreich und die Ungerechten bestimmte er – wie dort ebenfalls geschrieben steht – mit schreckenerregenden Worten für die höllischen Qualen. Es erfolgte dort jedoch keine andere Befragung oder Antwort bezüglich ihrer Taten, als das Wort des Evangeliums bekundet, denn das Werk eines jeden, ob es nun gut oder schlecht gewesen war, trat öffentlich an ihm zutage. Die Unbesiegelten aber standen weitab in der nördlichen Gegend unter der Schar der Teufel und gelangten nicht vor dieses Gericht; sie sahen dennoch dies alles wie in einem Wirbelsturm. Sie erwarteten den Ausgang dieses Gerichts und seufzten bitterlich in ihrem Herzen.

Als so das Gericht beendet war, hörten Blitzen, Donnern, Winde und Unwetter auf, und was an den Elementen vergänglich war, verschwand plötzlich. Eine große Stille entstand. Dann eilten die Gerechten, die auf einmal noch mehr leuchteten als die Sonne, mit dem Sohn Gottes und den seligen Scharen der Engel in großer Freude zum Himmel, während die Verworfenen mit dem Teufel und seinen Engeln mit großem Wehgeschrei zum Ort der Hölle fuhren. Und so empfing der Himmel die Auserwählten und die Hölle verschlang die Verworfenen. Doch plötzlich entstanden solche Freude und so laute Lobgesänge im Himmel und so große Traurigkeit und lautes Heulen in der Unterwelt, daß es kein menschlicher Begriff mehr auszudrücken vermag. Und alsbald erstrahlten alle Elemente in größter Heiterkeit, als wenn ihnen eine schwarze Haut abgezogen worden wäre. So verbrannte das Feuer nicht mehr, die Luft war nicht mehr getrübt, das Wasser tobte nicht mehr und die Erde war nicht mehr vergänglich. Auch die Sonne, der Mond und die Sterne funkelten am Firmament in hellem Glanz und großer Schönheit wie kostbarer Schmuck und blieben unbeweglich auf ihrer Kreisbahn stehen, so daß sie nicht mehr Tag und Nacht schieden. Auf diese Weise war es nicht Nacht sondern Tag. Das Ende war da. Und wiederum hörte ich eine Stimme vom Himmel zu mir sprechen.

 

1. Zur Endzeit löst sich die Welt unter viel Unheil wie ein Mensch in der Todesstunde auf.

Diese Geheimnisse zeigen die Endzeit an, in der die vergänglichen Zeiten mit jenem ewigen Licht vertauscht werden, das kein Ende nimmt. Die letzten Zeiten werden nämlich von vielen Gefahren erschwert werden und viele Anzeichen werden auf den Untergang der Welt hinweisen. Denn wie du siehst, wird an jenem Jüngsten Tag der ganze Erdkreis von Schrecknissen erschüttert und von Unwettern zerrüttet, so daß alles, was auf ihm hinfällig und sterblich ist, durch dieses Unheil das Ende findet. Denn da der Weltenlauf bereits vollendet ist, kann er nicht länger bestehen, sondern wird nach göttlichem Ratschluss zerstört. Wie nämlich ein Mensch, der seinem Ende entgegensieht, von vielen Krankheiten heimgesucht und niedergestreckt wird, so daß er sich in seiner Todesstunde sogar unter großem Schmerz vollends auflöst, so werden dem Ende der Welt große Widerwärtigkeiten voraneilen und sie an ihrem Ende unter verschiedenen Schrecknissen auflösen. Denn die Elemente werden dann ihre Schrecken zeigen, weil sie sie weiterhin nicht mehr ausüben können.

 

2. Alle Kreaturen geraten plötzlich in Aufruhr und alles Sterbliche in der Luft, zu Wasser oder auf der Erde gibt das Leben auf, und was hässlich an ihnen ist, vergeht.

Allerdings werden bei diesem Ende die Elemente unter einem plötzlichen und unerwarteten Beben entfesselt, alle Menschen geraten in Bewegung, Feuer bricht aus, die Luft löst sich (in ihre Bestandteile) auf, das Wasser fließt über, die Erde wird erschüttert, Blitze zucken, Donnerschläge krachen, Berge werden gespalten, Wälder stürzen und alles Sterbliche in der Luft, zu Wasser oder auf der Erde gibt das Leben auf. Das Feuer bringt nämlich die ganze Luft in Bewegung und Wasser erfüllt die ganze Erde. Und auf diese Weise wird alles gereinigt und so verschwindet alles Hässliche auf der Welt, als ob es nie gewesen wäre, wie Salz zerfließt, wenn man es ins Wasser wirft.

 

3. Die Körper der Toten erstehen – wo immer sie sich befinden unversehrten Leibes, je nach ihrem Geschlecht.

Und auf den göttlichen Befehl aufzuerstehen, verbinden sich augenblicklich die Gebeine der Toten – wie dir schon gezeigt wurde – an ihrem Ort, wo sie sich auch befinden mögen, und bedecken sich mit ihrem Fleisch, ohne jeden Aufschub. In größter Schnelligkeit werden sie wiederhergestellt, ob sie nun von Feuer, Wasser, einem Vogel oder einem wilden Tier verzehrt worden sind. Die Erde gibt sie auf diese Weise zurück, wie Salz aus dem Wasser ausgeschieden wird, denn mein Auge kennt alles und nichts kann vor mir verborgen werden. So erstehen alle Menschen mit Seele und Leib, ohne daß eines ihrer Glieder verkrüppelt oder abgeschnitten wäre, unversehrten Leibes und je nach ihrem Geschlecht in einem Augenblick. Die Auserwählten haben den Glanz ihrer guten Werke und die Verworfenen tragen die Schwärze ihrer unglückseligen Taten. So werden ihre Werke dort nicht verheimlicht, sondern sie erscheinen offen an ihnen.

 

4. Von den besiegelten und unbesiegelten Auferstehenden.

Und einige von ihnen sind mit dem Glauben besiegelt, manche aber nicht, so daß das Gewissen der einen, die gläubig sind, durch Werke des Glaubens im Glanz der Weisheit funkelt, das der andern aber in der Finsternis ihrer Nachlässigkeit erscheint. Dadurch unterscheidet man sie öffentlich, denn jene haben den Glauben in Werken vollendet, diese jedoch haben ihn in sich ausgelöscht. Etliche aber tragen dieses Zeichen des Glaubens nicht, denn diese wollten weder unter dem alten Gesetz noch in der neuen Gnade die Erkenntnis des lebendigen und wahren Gottes besitzen.

 

5. Der Sohn, dem der Vater die Gewalt gegeben hat, Gericht zu halten, wird in menschlicher Gestalt zu Gericht kommen.

Und dann wird der Sohn Gottes in der Helligkeit des ewigen Lichts, aber dennoch in einer Wolke, durch die den Verworfenen die himmlische Herrlichkeit verhüllt wird, in der Gestalt seiner Menschheit und seines Leidens, das er nach dem Willen des Vaters für das Heil des Menschengeschlechts erduldete, von der himmlischen Heerschar umgeben, kommen, um dieses Menschengeschlecht zu richten. Denn der Vater hat ihm das übergeben, damit er das Sichtbare auf der Welt beurteile, weil er selbst sichtbar auf Erden gelebt hatte. So zeigt er es auch im Evangelium auf und spricht.

 

6. Das Evangelium darüber.

"Er gab ihm die Vollmacht, Gericht zu halten, weil er der Menschensohn ist." (Joh 5,27)

Das ist so: Der Vater legt Zeugnis ab von seinem Sohn. Was bedeutet das? Der Vater übergab dem Sohn die Vollmacht. Denn dieser bleibt immer in seiner Gottheit beim Vater, empfängt aber von der Mutter die Menschheit gemäß seines Menschseins. Der Vater verlieh ihm auch, daß die ganze Schöpfung ihn als Sohn Gottes erfährt, wie auch die ganze Schöpfung in der Erschaffung ihrer Gestalt als Gottes Geschöpf besteht. Und deshalb werden alle Werke vom Sohn beurteilt, wie beachtlich oder geringfügig sie auch sein mögen; und wie sie einzustufen sind, so stuft er sie ein, um gerecht zu beurteilen, was auf der Welt sichtbar war, weil er selbst auf Erden ein Mensch zum Anfassen und Sehen gewesen ist. Er erscheint nämlich in der richterlichen Gewalt furchtbar für dir Ungerechten, aber für die Gerechten gewinnend, und richtet sie so, daß auch die Elemente seine Reinigung zu spüren bekommen.

 

7. Die Besiegelten werden mühelos und schnell dem gerechten Richter entgegen entrückt und ihre Werke werden offenbar.

Dann werden die, welche besiegelt sind, mühelos, ja in großer Schnelligkeit entrückt; denn weil sie treu an Gott glaubten, werden auch die Werke des Glaubens offen an ihnen in Erscheinung treten, und da Gottes Wissen auch ihre Taten bezüglich Gut und Böse kennt, wie dir schon gezeigt wurde, werden dort Gute und Böse getrennt, denn auch ihre Werke sind ungleich. Dort wird nämlich sowohl an den Bösen als auch an den Guten unfehlbar sichtbar, in welchem Maß sie Gott in der Kindheit, im Knabenalter, in der Jugend, im Alter oder am Lebensende gesucht haben.

 

8. Alle Blumen werden prangen: die Patriarchen, Propheten, Apostel, Märtyrer, Bekenner, Jungfrauen, Mönche und andere Vorangestellte.

Dort leuchten alle Blumen meines Sohnes, nämlich die Patriarchen und Propheten, die vor seiner Menschwerdung gelebt haben, die Apostel, welche mit ihm auf Erden wandelten, und die Märtyrer, Bekenner, Jungfrauen und Witwen, die ihn gläubig nachahmten, und jene, die meiner Kirche sowohl in weltlichen als auch in geistlichen Belangen vorangestellt wurden, und auch die Einsiedler und Mönche, die sich in Züchtigung und Abtötung ihres Fleisches um des Namens meines Sohnes willen verächtlich machten, weil sie auch in großer Demut und Liebe durch ihr Gewand zeigten, daß sie die Ordnung der Engel nachahmen. Sucht man mich aber derart im beschaulichen Leben, daß man sagt: "Dieses Leben ist rühmlicher als jenes", so gilt das nichts vor mir; doch der mich demütig in jenem Wandel sucht, der durch die Eingebung des Heiligen Geistes geschenkt wurde, dem werde ich im himmlischen Vaterland die ersten Plätze zuweisen.

 

9. Wenn der Sohn den Urteilsspruch verkündet, nachdem die persönliche Gewissenseröffnung stattgefunden hat, enthalten sich die Himmel einstweilen schweigend ihrer Lobgesänge.

Danach enthalten sich die Himmel einstweilen schweigend ihrer Lobgesänge, wenn der Sohn Gottes den Gerechten und Ungerechten den Urteilsspruch verkündet und sie mit größter Ehrfurcht zuhören, wie er sie beurteilt, wenn er den Gerechten freundlich himmlische Freude gewährt und die Ungerechten furchterregend in höllische Qualen schickt. Es erfolgt jedoch dort keine weitere Entschuldigung oder Befragung bezüglich ihrer Taten: Nur das Gewissen der guten und bösen Menschen liegt dort entblößt und offen.

 

10. Von den zu richtenden Guten und Bösen.

Die Gerechten aber, denen die Worte des ganz gerechten Richters zuteil werden, haben zwar viele Werke der Gerechtigkeit getan, brachten sie aber, solange sie auf der Welt lebten, nicht zur vollkommenen Vollendung und werden jetzt darüber gerichtet. Die Ungerechten jedoch, welche dort die richterliche Strenge an sich erfahren, haben zwar böse Taten begangen, handelten aber dennoch nicht in Unkenntnis über die göttliche Majestät, d. h. in der Bosheit des schon vorher verdammten Unglaubens. Und deshalb entkommen sie dort nicht dem Urteilsspruch des Richters, weil allem das rechte Gewicht beigelegt werden muß.

 

11. Von den schon gerichteten Ungläubigen, die nicht vor Gericht gelangen.

Die aber nicht mit dem Glauben besiegelt sind, weil sie nicht an Gott geglaubt haben, stehen in der nördlichen Gegend, d. h. in der Region der Verdammung, halten sich inzwischen bei der Schar der Teufel auf und gelangen nicht vor dieses Gericht. Sie sehen es dennoch schattenhaft und ersehnen sein Ende mit vielem innerem Seufzen. Sie haben nämlich auf ihrem Unglauben beharrt und den wahren Gott nicht erkannt, weil sie weder vor der Taufe den lebendigen Gott im alten Bund verehrten, noch unter dem Evangelium das Heilmittel der Taufe empfingen. Sie verharrten vielmehr unter dem Fluch von Adams Fall und zogen sich die Qualen der Verdammung zu. Daher trifft man sie im Unglauben ihrer Vergehen schon gerichtet an.

 

12. Nach beendetem Gericht entsteht größte Ruhe und Stille.

Wenn so das Gericht beendet ist, hören die Schrecknisse der Elemente und Blitze, Donnerschläge und Stürme in den Gewittern auf und alles Hinfällige und Vergängliche vergeht und erscheint nicht wieder, wie Schnee keinen Bestand hat, der von der Hitze der Sonne zerschmilzt; so entstand auf göttliche Anordnung größte Ruhe und Stille.

 

13. Die Auserwählten empfängt unter lautem Lobgesang die Herrlichkeit der Ewigkeit, doch die Verworfenen verschluckt die Unterwelt unter großem Geheul.

Und so gelangen die Auserwählten im Glanz der Ewigkeit zusammen mit ihrem Haupt, nämlich meinem Sohn, und mit der ruhmreichen himmlischen Heerschar in großer Herrlichkeit zu den himmlischen Freuden und die Verworfenen kommen mitsamt dem Teufel und seinen Engeln in großer Beschämung (an den Ort) der ewigen Strafen. Dort werden sie fortwährend vor Augen haben, daß ihnen der ewige Tod bereitet ist, weil sie lieber ihren Begierden als meinen Geboten folgten. Und so nimmt der Himmel die Auserwählten in die Herrlichkeit der Ewigkeit auf, weil sie den Beherrscher der Himmel geliebt haben. Und die Hölle verschlingt die Verworfenen, weil sie den Teufel nicht fahren ließen. So ertönt in der himmlischen Herrlichkeit vor lauter Freude ein so lauter Lobgesang und in der Unterwelt vor lauter Seufzen ein so großes Wehgeschrei, daß es kein menschlicher Sinn mehr fassen kann; denn jene gehen zum ewigen Leben ein und diesen wird der ewige Tod zuteil, wie mein Sohn im Evangelium sagt und spricht.

 

14. Das Evangelium darüber.

"Und diese werden zur ewigen Pein eingehen, die Gerechten aber zum ewigen Leben." (Mt 25,46)

Das ist so: Die den üblen Geruch ihrer Buhlerei mit allem Schlechten an sich tragen und nicht danach dürsten, in der höchsten Güte Gerechtigkeit zu schöpfen, werden auf dem Weg ihres Unglaubens und ihrer Schlechtigkeit in die Strafen des ewigen Verderbens gestürzt und empfangen höllische Qualen gemäß ihren Taten. Die Erbauer des strahlenden himmlischen Jerusalem aber, die gläubig vor den Pforten der Tochter Sion stehen, werden im Licht des ewigen Lebens aufleuchten, das die allerreinste Jungfrau in der Fruchtbarkeit ihrer Jungfräulichkeit den Gläubigen wunderbar gebracht hat.

 

15. Wie sich die Elemente, die Sonne, der Mond und die Sterne nach beendetem Gericht zum Besseren wandeln und es keine Nacht mehr geben wird.

Und wie du siehst, werden die Elemente, nachdem dies alles geschehen ist, in größter Klarheit und Schönheit erstrahlen, d. h. alle hinderliche Schwärze und Schmutzigkeit ist verschwunden. Das Feuer wird dann nämlich ohne Glut wie Morgenrot schimmern und die Luft ohne Trübung ganz rein und glänzend sein; das Wasser wird ohne heftigen Erguss und Überfließen durchsichtig und ruhig daliegen und die Erde wird ganz unverwüstlich und ohne Verunstaltung fest und eben erscheinen, wenn das alles in große Ruhe und Schönheit übergegangen ist. Doch auch die Sonne, der Mond und die Sterne werden wie kostbare Edelsteine auf Goldhintergrund sehr klar und mit großem Glanz am Firmament schimmern und nicht mehr auf ihrer unruhigen Kreisbahn Tag und Nacht zu trennen haben. Denn am Weltende sind sie nunmehr unbeweglich, so daß von jetzt an keine nächtliche Finsternis erscheint, weil der Tag dann nicht zu Ende geht; so bezeugt und spricht auch mein geliebter Johannes.

 

16. Worte des Johannes darüber.

"Und es wird keine Nacht mehr geben und sie benötigen kein Lampen- und Sonnenlicht, weil Gott der Herr ihnen leuchtet." (Offb 22,5)

Das ist so: Wer einen Schatz besitzt, verbirgt ihn zuweilen und bringt ihn zuweilen auch zum Vorschein, wie auch die Nacht das Licht verdeckt und der Tag die Finsternis verscheucht und den Menschen Licht bringt. So wird es beim Übergang der Zeiten (in die Ewigkeit) nicht sein. Denn dann wird der Schatten der Nacht verscheucht, so daß von nun an keine nächtliche Finsternis mehr auftritt, denn auch jene umgewandelte Welt benötigt nicht mehr jenes Licht, das sich die Menschen anzünden, um die Schatten der Finsternis zu vertreiben. Es hängt auch dann nicht vom Sonnenstand ab, der sogleich jene Zeiten beeinflußt, die dem Schatten gehören. Denn dann wird der Tag ohne irgendwelche Veränderung bestehen, weil jetzt auch der Herrscher über alles mit dem Licht seiner Gottheit, das keine Veränderlichkeit verdunkelt, die erleuchtet, welche auf Erden durch seine Gnade die Finsternis vertrieben haben. Wer aber scharfe Ohren zum inneren Verständnis besitzt, lechze in leidenschaftlicher Liebe zu meinem Abbild nach diesen Worten und schreibe sie ins Gewissen seiner Seele ein.

 

Hildegard von Bingen: Liber divinorum operum. 10. Vision (27-36) – Die Heilsgeschichte vom Beginn bis zum Ende.

27. Empfängnis und Geburt des Antichristen und ihrer Auswirkung.

In jener Zeit wird eine unreine Frau einen unreinen Sohn empfangen; denn die alte Schlange, die Adam aussaugte (absorbuit) wird zusammen mit ihrer ganzen Brut diesen so aufgeblasen machen, daß weder etwas Gutes in ihn eingeht noch in ihm sein kann. Er wird an abgelegenen, wechselnden Orten aufgezogen werden, damit er nicht von den Menschen erkannt wird. In alle teuflischen Künste wird er eingeführt werden und bis zum vollen Lebensalter verborgen bleiben. Er wird die Laster, die in ihm sein werden, nicht offen zeigen, bis er erkannt hat, daß er voll ist von allen Ungerechtigkeiten und davon überfließt. Vom Anfang seines Entstehens an werden viele Streitigkeiten und viele Widerstände gegen die richtigen Ordnungen ausbrechen. Die glühende Gerechtigkeit wird in ihrer Aufrichtigkeit verdunkelt und die Liebe wird in den Menschen ausgelöscht werden. In ihnen werden auch Bitterkeit und Härte aufkommen, und es wird so viele Irrlehren geben, daß sogar die Irrlehrer offen und bedenkenlos ihre Irrtümer predigen. (Vgl. 2 Thess 2,2-4) Im katholischen Glauben der Christen werden so große Zweifel und solche Verunsicherung herrschen, daß die Menschen zweifeln, wen sie als Gott anrufen sollen. Zahlreiche Zeichen an Sonne, Mond und Sternen, im Wasser und an den übrigen Elementen und Geschöpfen werden erscheinen (vgl. Lk 21,25), so daß sie wie in einem Gemälde in ihren grauenhaften Vorzeichen das kommende Unheil im voraus verkünden. Daher wird in jener Zeit so große Traurigkeit die Menschen befallen, daß sie das Sterben für nichts erachten.

Diejenigen aber, die dann im katholischen Glauben gefestigt sind, werden in tiefer Zerknirschung Gottes Anordnung erwarten. Diese Drangsale werden solange fortdauern, bis der Sohn des Verderbens seinen Mund zur Gegenlehre öffnet. Aber wenn er seine falschen, irreführenden Worte vorgebracht hat, werden Himmel und Erde erzittern. Die Halskette der Gerechtigkeit, die, wie oben erwähnt, Paulus bis zu den Füßen dieser Tugend hinabreichen ließ, wird wie von einem starken Windstoß erfaßt und dann zum ersten Mal in Bewegung geraten. Denn bis zu diesem Zeitpunkt wird sie unbewegt und unverdreht bleiben.

Paulus hat ja seine Lehre durch viele Wunder so stark gefestigt und sie mit tiefgründigen Worten so wertvoll geschmückt, damit sie bis ans Ende der Welt dauert, wie es diese Kette zeigt, die bis zu den Füßen der Gerechtigkeit gleichsam wie bis zum Ende der Welt hinabreicht. Er hat auch durch die Wahrheit in der Erhebung seines Geistes von der zweiten Ankunft des Gottessohnes und von dem todbringenden Angriff des Sohnes des Verderbens zu den Gläubigen gesprochen, indem er sagte:

 

28. 2. Brief an die Thessaloniker 2,2-4 und 2,7: Das Zeugnis des Paulus für das Kommen des Antichristen.

"Laßt euch nicht erschrecken weder durch ein prophetisches Wort noch durch eine Rede oder durch einen Brief, der angeblich von uns stammt, als sei der Tag des Herrn schon da. Niemand soll euch auf irgendeine Weise täuschen. Denn zuerst wird der Abfall von Gott kommen und der Mensch der Gesetzeswidrigkeiten erscheinen, der Sohn des Verderbens, der Widersacher, der sich über alles, was Gott oder Heiligtum heißt, so sehr erhebt, daß er sich sogar in den Tempel Gottes setzt und sich als Gott ausgibt." (2 Thess 2,2-4)

Der Sinn dieser Aussage ist so zu verstehen: Ihr, die ihr Gottes seid und an Sein Wort glaubt, hütet euch davor, euch in euren Herzen von irgendeinem Schrecken erschüttern zu lassen weder durch geistliche Täuschung oder Verführung durch viele Worte noch durch Schriften, als ob sie wahrhaftig an euch gerichtet waren, als sei jener Tag schon da, an dem der Schöpfer von allem die Abgründe des Herzens aufdecken wird. Hütet euch auch, daß euch nicht jemand durch trügerische und eingebildete Vorgänge bei irgendeiner Gelegenheit zur Verführung bringt. Denn erst wenn die Zeit gekommen ist, in der die Erhabenheit der Kirche zerstört und der wahre Glaube zertreten wird, was als Abfall verstanden wird, der in der Zeit des verbrecherischen Sohnes eintreten wird, dessen Mutter in ihrer Unreinheit nicht weiß, von wem sie empfangen hat, wird er, der der Sohn der Sünde ist, weil er schon durch seinen Anfang ganz von Sünden durchtränkt ist, sich offen zeigen. Daher wird er auch so als Sünder auftreten, indem er alle Sünden laut verkündet und wieder an sich nimmt. Und als Sohn der grausamsten Verderbnis wird er ganz in diesem Verderben bleiben, weil er die Menschen lehrt, was gegen Gott ist. Auch der Verführer des Menschengeschlechtes wird ihn so entflammen, wie er selbst am Anfang der Welt zu rasen begann, als er Gott ähnlich sein wollte. Deshalb wird er auch alle die bedrängen, die Gott verehren. Er wird sich über alle Geschöpfe erheben, indem er sich Gott nennt, und befehlen, daß er wie Gott verehrt wird. Aber ihr sollt nicht glauben, daß der Tag des Herrn da ist, an dem Gott den Erdkreis richten wird, wenn die Welt ihr Ende hat.

Und wiederum sagt Paulus, vom Heiligen Geist durchdrungen: "Denn die geheime Macht des Bösen ist schon am Werk, nur muß erst der besiegt werden, der sie bis jetzt noch zurückhält." (2 Thess 2,7) Der Sinn dieser Aussage ist so zu verstehen: Die verborgene Einflüsterung zeigt sich schon in den Werken der Irrlehrer, in denen der Verführer zur Bosheit seine Wurfspieße vorausschickt, weil er die Wahrheit des Glaubens unterdrücken will. Deshalb gibt es durch die richtige Absicht und das gute Bestreben im gläubigen Menschen nur das Bemühen, daß der, der am apostolischen und wahrhaft katholischen Glauben festhält, in fester Beständigkeit ohne Verfälschung an ihm festhalten soll, bis er aus jener Mitte gedrängt wird, die zwischen seinem Anfang und Ende liegt. Denn in jenen Zeiten des Sohnes des Verderbens wird der Glaube von seiner Stärke abweichen, und da er sich schon gekrümmt hat, wird er geschwächt werden. Denn wer an der Erhabenheit der Kirche und am rechten Glauben festhält, hält an etwas Großem fest, weil er dadurch ins himmlische Reich eintreten wird. Wer aber keinen Glauben hat, hat keinen Halt, denn er wird ins Verderben gehen. Und so steht auch der Mensch in der Mitte der Macht Gottes. Denn bevor der Mensch gebildet wurde, war Gott. Und nachdem der Mensch leiblich ein Ende genommen hat, dauert Gott in Seiner Kraft fort.

 

29. Die satanische Verführung des Antichristen.

Der alte Feind nämlich, den die Kraft der Gottheit in den See des Höllenabgrunds schleuderte, wie Blei in stürmisches Wasser hinabfällt, wollte die Bosheit fest begründen. Gott aber ist gerecht und wahrhaftig und hat keinen, der Ihm gleicht, weil Er von Ewigkeit durch Sich selbst besteht und alles aus dem Nichts geschaffen hat. Der alte Feind jedoch meint, weil er den ersten Menschen überwunden hatte, durch einen anderen Menschen, nämlich den Antichristen, das durchführen zu können, was er einst begonnen hatte, als er gegen Gott zu kämpfen versuchte. Denn vom Teufel beeinflußt, wird er alles, was Gott im Alten und Neuen Gesetz festgelegt hatte, zerstören, wenn er, wie vorher gesagt wurde, seinen Mund zu der verkehrten Lehre öffnet. Er wird behaupten, daß Blutschande und andere ähnliche Vergehen keine Sünden sind.

Er wird sagen, daß es keine Sünde ist, wenn Fleisch anderes Fleisch aufreizt, wie es das auch nicht ist, wenn ein Mensch vom Feuer erwärmt wird. Er wird auch versichern, daß alle Gebote der Keuschheit aus Unwissenheit entstanden. Denn wenn ein Mensch warm, der andere aber kalt sei, dann müßten sie sich gegenseitig in Wärme und Kälte ausgleichen. Und weiter wird er zu den Gläubigen sagen: "Euer Gesetz der Enthaltsamkeit ist gegen das Naturgesetz aufgestellt, nämlich daß der Mensch nicht warm sein darf, in dessen Atem doch Feuer ist, das den ganzen Leib des Menschen in Glut versetzt. Wie könnte er also gegen seine Natur kalt sein? Und aus welchem Grund sollte es der Mensch unterlassen, anderes Fleisch aufzureizen? Jener Mensch also, von dem ihr sagt, daß es euer Meister ist, hat euch ein Gesetz gegeben, das über das Maß hinausgeht, weil er euch befahl, so zu leben. Ich aber sage euch: Ihr sollt auf beide Weisen leben, in Wärme und Kälte, und einander wärmen. Überlegt, daß der erwähnte Mensch euch ungerechte Gebote gegeben hat. Denn obwohl er befahl, daß die Menschen sich nicht gegenseitig wärmen sollen, haben sie doch ihre Natur fleischlich gepflegt. Seht also zu, daß ihr euch künftig nicht mehr durch eine unrechte Lehre verführen laßt, denn es liegt bei mir, was ihr tun könnt oder nicht. Euer Meister hat euch nicht die richtigen Vorschriften gegeben, der wollte, daß ihr wie ein Geist seid, der nicht von Fleisch bedeckt ist und nicht wirkt, als ob das geborene Fleisch der Menschen, das doch durch Feuer eingegossen und gebildet wird, nicht so geschaffen wäre. Denn wenn die Kinder der Menschen nicht so zur Welt kämen, hätten sie nicht die Möglichkeit zu wirken. Darum sollt auch ihr wissen, was ihr seid. Denn der, der euch zuerst lehrte, hat euch getäuscht und euch in nichts geholfen. Ich aber gebe euch ein, daß ihr euch selbst erkennt und wißt, was ihr seid; denn ich habe euch geschaffen und bin ganz in allen. Jener aber schrieb alle seine Werke einem anderen zu, weil er aus sich nichts konnte. Ich aber spreche aus mir selbst und vermag alles aus mir selbst."

Mit diesen und ähnlichen Worten wird dieser unselige Sohn des Verderbens die Menschen verführen, indem er sie lehrt, nach der feurigen Begierde des Fleisches zu leben und jeden Wunsch ihres Fleisches zu erfüllen, während sowohl das Alte wie das Neue Gesetz die Menschen zur Keuschheit einlädt, freilich so, daß die Keuschheit ihr Maß nicht überschreitet. Auf diese Weise wird Luzifer durch ihn (den Antichristen) die Gerechtigkeit Gottes ableugnen. Und er wird meinen, durch ihn alles vollbringen zu können, was er zu tun begonnen hat. Er wird meinen, der Jordan fließe in seinen Mund (vgl. Ijob 40,23; Ps 114,3-5), so daß die Taufe von nun an nicht mehr erwähnt werde, sondern daß er sie zurückschleudert, wie er selbst durch die Taufe verworfen wurde. Daher wird er meinen, er könne, wenn er so herrsche, sich eine so große Zahl des Volkes unterwerfen, daß im Vergleich zu seiner Zahl der Sohn Gottes nur noch eine kleine Anzahl von Gläubigen habe.

 

30. Die Anhänger des Antichristen im AT und NT.

Dieser zuvor erwähnte Mensch wird auch Mensch der Sünde genannt, weil er alles Böse ausführt und weil das alles sich über ihn ergießen wird. (Vgl. 2 Thess 2,3) Er wird Sohn des Verderbens genannt, weil Tod und Verderben über ihn herrschen werden und er auf verkehrte und ruchlose Weise eine Menge der Völker verführen und an sich ziehen wird. Und er wird sich als Gott anbeten lassen, wie auch Johannes unter dem Bild des wilden Tieres seine Wildheit beschreibt und in der Offenbarung der Wahrheit sagt: "Und es beteten ihn an alle Bewohner der Erde, deren Namen nicht im Lebensbuch des Lammes eingeschrieben sind." (Offb 13,8) Der Sinn dieser Aussage ist in Bezug auf das Kommende so zu verstehen: Mit gebeugtem Leib und Geist werden die das Tier der Bosheit anbeten, die die Wohnung ihrer Herzen an irdische Güter heften. Ihre Namen sind nicht mit dem Zeichen der Heiligkeit in der Ewigkeit des Lebens dessen aufgezeichnet, in dessen Mund sich kein Trug fand. Deshalb wird jeder im Verderben sein, der die Schriften dieses verdorbenen Menschen bewundert und ihn verehrt und der die Schriften Satans, der von Gott verstoßen ist, in seinem Herzen trägt, weil er aus sich selbst heraus Gott sein wollte. Daher ist er auch Tod genannt worden, weil er das Leben flieht, in dem sich keine Sterblichkeit findet, sondern das alles lebendig macht.

Und all die, die diesem Sohn des Verderbens anhangen, indem sie seine Werke tun, werden nicht ins Lebensbuch des Lammes eingeschrieben werden. (Vgl. Ps 69,29; Offb 13,8) Denn dieses Lamm ist das Wort Gottes, durch dessen Wort: "Es werde" die gesamte Schöpfung hervorging. Der Teufel aber hatte im Alten und im Neuen Testament beständig Anhänger, im Alten Bund durch Baal, im Neuen durch die Sadduzäer, die seine Triebfedern im Schisma sind. Denn sie verletzten das Gesetz Gottes, das die Wurzel der Gerechtigkeit ist, in dem die Patriarchen und Propheten verborgen waren, zum erstenmal mit der Niedertracht des Baal. Aber er hatte auch die (als Anhänger) die später im Neuen Testament mit den Sadduzäern unter Beleidigung der Gerechtigkeit die Auferstehung leugneten. Denn die Äste aus der erwähnten Wurzel sind das Evangelium und die Frucht an diesen Ästen ist das Zeugnis Christi, weil Er den Götzen Baal und die Sadduzäer mit Kraft zertrat.

Aber trotzdem werden dann aus ihnen die Irrlehrer hervorgehen, die der Bedingung des ersten Entstehens des Lebens widersprechen. Und ihr Irrtum wird schlimmer sein als frühere (Mt 27,64), weil sie Gott in Seiner Schöpfungsordnung und in den lebendigen Seelen ganz und gar verleugnen werden. All diese werden das unselige Tier, nämlich den verlorenen Menschen anbeten, den Glauben an den allmächtigen Gott aufgeben und behaupten, daß es ihnen nichts schade, wenn sie die Gebote Gottes nicht beachten.

 

31. Die falschen Wundertaten des Antichristen in Nachahmung Christi.

Und so steigt ihr Unglaube hinab zu dem erwähnten goldenen Leopardenkopf, der an dem vorher genannten Halsschmuck erscheint. Er bezeichnet den Antichristen, der sich Gott und gleichsam goldenes Haupt nennt. Durch seine teuflischen Künste und die Beunruhigung der Elemente wird er schreckliche Vorzeichen und gewaltige Stürme hervorrufen. Daß das geschieht, wird Gott zulassen, damit das gesamte Menschengeschlecht den Sturz des Antichristen erkennt.

Denn auch deshalb wird dieser gleichsam für die Erlösung seines Volkes vortäuschen, durch Ermordung zu sterben und durch eine Auferweckung wiederaufzustehen. Er wird ein Schriftzeichen auf die Stirn seiner Anhänger schreiben lassen, durch das er alles Böse in sie hineinlegt. So täuschte auch die alte Schlange den Menschen und entflammte ihn zur sinnlichen Leidenschaft (libido), wodurch sie ihn auch später in ihrer Schlinge hatte. Durch dieses Schriftzeichen wird er die Menschen mit magischer Kunst gegen die Taufe und die Bezeichnung 'Christen' so beeinflussen, daß sie nicht mehr von ihm weichen wollen und sich alle nach ihm benennen, wie die Christen nach Christus.

Diese Aufschrift trug Luzifer lange in sich, ohne sie irgendeinem Menschen zu enthüllen, außer diesem einen, den er schon im Schoß seiner Mutter ganz besitzen wird. Deshalb vertraute er auch darauf, durch diesen seinen ganzen Willen erfüllen zu können. Aber dieser verworfene Mensch wird seine Seele und daß er lebt, nicht vom Teufel haben, sondern von Gott, da auch dieser unseligste Aufspürer der alten Verführung, der alles Gute haßt, sein Dasein (vivere) von Gott empfangen hat. Denn Gott allein ist das Leben, und jeder Atemzug und alles, was lebt, wird durch ihn bewegt, weil Er allein der Ursprung ohne Anfang ist. Und wie Luzifer im Himmel gegen Gott kämpfte, so wird er auch durch diesen verlorenen Menschen auf der Erde gegen die Menschheit des Gottessohnes zu kämpfen versuchen. Und das wird er durch diese Aufschrift tun, durch die er den Herrn und Schöpfer von allem verleugnen wird. Denn er vertraut darauf, seinen Anhängern bedeutendere Gaben zu verschaffen, als sie Christus, der Sohn Gottes, denen schickte, die an Ihn glauben.

Diese Aufschrift aber wurde vorher in keiner Sprache gesehen oder gefunden, denn Luzifer erfand sie zuerst bei sich selbst. Er wird sie mit der List hervorbringen, mit der er die Menschheit verführt, ihren Schöpfer nicht anzuerkennen. Durch sie wird er die Ungläubigen so verführen, daß sie nichts anderes mehr zu verehren streben, als was ihrer Ansicht nach ihm gefällt. Der Sohn des Verderbens wird nämlich sagen: "Wie geschnittenes Holz gelagert wird, bis der Maler es zusammensetzt und bemalt, damit es von allen geachtet wird, so ist auch der Mensch, wenn er geboren ist, ohne Ehre, bis er durch diese Aufschrift geehrt wird, weil mehr Heil und größere Kraft in ihr liegt als in der Schöpfung des Menschen."

Aber Gott wird alle Versuche dieser Schrift samt ihrem Urheber vernichten. Die Aufschrift aber, die der Heilige Geist gegeben hat, wird nicht vergehen. Wenn der Antichrist mit diesen falschen Zeichen Menschen aus allen Geschlechtern um sich zu versammeln beginnt, werden die Heiligen und Gerechten von gewaltiger Furcht erschüttert werden.

 

32. Die Ankündigung der Erweckung Henochs und Elijas zum Kampf gegen den Antichristen.

Aber Ich, der Ich bin, werde eingedenk sein, wie Ich den ersten Menschen formte und auf welche Weise Ich alle Werke, mit denen Luzifer durch den Menschen gegen Mich kämpfen würde, voraussah und wie Ich die heiligen Tugendkräfte zum Kampf gegen jenen bezeichnete. So habe Ich es an Henoch und Elija getan, die ich aus dem Stamm der Menschen auserwählte, die Mir mit ganzen Herzen angehangen hatten. Um die Endzeit werde ich den Menschen kundtun, daß sie das Zeugnis dieser beiden Zeugen mit Vertrauen aufnehmen sollen. Denn Ich unterweise sie in Meinem Geheimnis und offenbare ihnen die Werke der Menschen. So werden sie um diese wissen, als ob sie sie leibhaftig gesehen hätten, und weiser sein als die Schriften und Reden der Weisen. Dadurch, daß sie nämlich dem Leib nach dem Menschen entrückt sind, ist alle Furcht und alles Zittern von ihnen genommen, so daß sie in Gleichmut alles ertragen, was sie umgibt. Ich bewahre sie ohne jede Verletzung ihres Leibes an einem verborgenen Ort auf. Und wenn der Sohn des Verderbens seine verkehrte Lehre ausspeit, wird dieselbe Kraft, durch die sie einst aus der Mitte der Menschen entrückt worden waren, sie wie in einem Windstoß zurückbringen. Und solange sie dann unter den Menschen auf der Erde weilen, werden sie immer nach vierzig Tagen gestärkt werden, wie auch Mein Sohn nach vierzig Tagen zu essen verlangte. (Vgl. Mt 4,2)

Diese starken und weisen Männer bezeichnet der Kopf des Steinbocks in der erwähnten Kette des Halsschmuckes der Gerechtigkeit. Denn wie der Steinbock tapfer ist und in die Höhe steigt, so werden auch sie in Meiner Kraft stark sein und sollen rasch in die Höhe meiner Wunder emporgehoben werden. Sie werden in Meinen Wundern so große Macht besitzen, daß sie am Firmament und an den Elementen und den übrigen Geschöpfen größere Zeichen wirken werden als der Sohn des Verderbens. So werden dessen trügerische Zeichen durch ihre wahren Zeichen verspottet werden. Daher werden wegen der übergroßen Kraft ihrer Wunder aus allen Völkern Menschen zu ihnen eilen, die ihren Worten glauben. Sie werden mit glühendem Glauben zum Martyrium eilen, das der Sohn des Verderbens ihnen bereiten wird, wie zu einem Gastmahl, so daß sogar ihre Mörder wegen der zu großen Menge es überdrüssig werden, die Getöteten zu zählen. Denn die Menge ihres Blutes wird sich wie ein Bach ergießen. Aber schließlich, wenn der Sohn des Verderbens diese beiden wahrhaft heiligen Männer weder durch Schmeicheleien noch durch Drohungen überwinden noch ihre Zeichen und Wunder verdunkeln kann, wird er befehlen, sie durch ein grausames Martyrium zu vernichten und ihr Andenken völlig von der Erde zu tilgen, damit kein Mensch mehr auf der ganzen Erde ist, der ihm von nun an zu widerstehen wagt.

Dann wird, wie oben gesagt wurde, die goldene Zahl der Märtyrer, die in der Urkirche des wahren Glaubens wegen getötet wurden, mit diesen Märtyrern, die im Irrtum der Endzeit getötet werden, zur Fülle ihrer Vollendung geführt werden. Diese Zeit, die alles zertritt und verschlingt, bezeichnet der Wolf, der im Buch 'Scivias' beschrieben wird. (Scivias 3,11,78-79; 182-192) Denn wie der Wolf in seiner Raubgier alles verschlingt, was er kann, so werden in jener Zeit die Gläubigen, die an den Sohn Gottes glauben, verschlungen werden. Daher sagt der Sohn Gottes wiederum zu seinem Vater, wie es vorausgesagt ist:

 

33. Die Bitte des Gottessohnes an den Vater um Schonung der Menschen.

Mich, der Ich nach Deiner Anordnung das Gewand des Fleisches angelegt habe, quält es, daß Meine Glieder, nämlich die, die durch das Bad der Taufe mir angehangen hatten, sich jetzt von Mir lossagen und dem Hohn des teuflischen Spottes verfallen, indem sie auf den Sohn des Verderbens hören und ihn verehren. Doch Ich nehme die von ihnen, die nur ausgeglitten sind, wieder an Mich, die Aufrührer aber und die, die im Bösen verharren, verwerfe ich.

Vater, weil Ich Dein Sohn bin, blicke auf Mich in der Liebe, in der Du Mich in die Welt gesandt hast, und betrachte Meine Wunden, durch die Ich auf Dein Geheiß den Menschen erlöst habe. Ich zeige sie Dir, damit Du Dich dieser erbarmst, die Ich erlöst habe, und lass nicht zu, daß sie aus dem Buch des Lebens getilgt werden. Durch das Blut Meiner Wunden hole Ich sie in der Reue zu Dir zurück, damit nicht der, der Meine Menschwerdung und Mein Leiden verspottet, durch das Verderben über sie herrscht.

Jetzt also, ihr Menschen alle, die ihr euch danach sehnt, die alte Schlange zu verlassen und zu eurem Schöpfer zurückzukehren, achtet darauf, daß ich, der Gottes- und Menschensohn, Meinem Vater für euch Meine Wunden zeige. Daher beugt auch ihr in der Reinheit des Glaubens eure Knie, die ihr oft vor der Eitelkeit der aufsässigen Widersetzlichkeit gebeugt habt, vor eurem Vater, der euch geschaffen und euch den Geisthauch des Lebens gegeben hat. (Vgl. Gen 2,7) Bekennt von Herzen vollständig eure Sünden, damit Er euch, die ihr in leiblicher und seelischer Bedrängnis seid, Seine starke, unbezwingbare Hand reicht, um euch dem Teufel und allem Bösen zu entreißen.

So spricht der Sohn zum Vater und empfiehlt Ihm Seine Glieder. Er nimmt diese in Zucht, damit sie Seinem Haupt wahrhaft anhängen und nicht das Verderben des ersten und letzten Verderbers sie verschlinge. Denn sooft der allmächtige Vater durch die bösen Taten der Menschen zum Zorn gereizt wird, zeigt Ihm Sein Sohn Seine Wunden, damit Er ihretwegen die Menschen schont. Er selbst hat ja Seinen Leib nicht geschont, damit das Schaf, das ihm verloren gegangen war, durch Sein Blut zurückgeholt werde. Und deshalb werden auch Seine Wunden so lange offenbleiben, wie der Mensch in der Welt bleibt und sündigt. Daher verlangt auch derselbe Gottessohn von den Menschen, daß sie ihre Knie vor Seinem allmächtigen Vater beugen, sooft sie Seinen Urteilsspruch verdienen, damit Er sie wegen Seiner Wunden, die Er im Fleisch erlitten hat und auf die Sein Vater immerfort schaut, von allem Bösen befreit.

 

34. Die Erweckung von Henoch und Elija und der Endkampf gegen den Antichristen.

Nachdem aber Henoch und Elija durch den Sohn des Verderbens den leiblichen Tod erlitten haben, werden dessen Anhänger sich sehr freuen, weil sie sehen, daß jene umgekommen sind. Aber dann, wenn der Geist des Lebens die beiden wieder erweckt und empor in die Wolken erhoben hat, wird sich ihre Freude in Furcht, Trauer und große Bestürzung verwandeln. Denn durch deren Erweckung und Erhöhung werde ich, der Allmächtige, beweisen, daß der Auferstehung und dem Leben der Toten durch keinen Widerstand der Ungläubigen widersprochen werden kann, nämlich daß an jenem Tag, wenn die Elemente, mit denen zusammen der Mensch gesündigt hatte, gereinigt werden, auch der Mensch vom Tod auferweckt und durch die Reue, die Gott am besten gefällt, in größere Herrlichkeit eingesetzt wird, als er am Anfang erschaffen wurde. Denn wie der gesamte Organismus des Menschen durch die Reue erschüttert wird, so bewegt er auch mit der klagenden Stimme seiner Reue den Himmel und lobt Gott mit den Cherubim aus seinem ganzen Wesen.

Dann wird die alte Schlange wegen der Auferweckung dieser beiden (Henoch und Elija) in rasenden Zorn versetzt werden. Sie wird den verdorbenen Menschen (den Antichristen) zu der Meinung bringen, seinen Thron, von dem er vertrieben wurde, wieder in Besitz zu nehmen, damit dadurch die Erweckung der genannten Männer und die Erinnerung an den Sohn Gottes vollkommen getilgt werde. Sie wird bei sich selbst sprechen, indem sie sagt: "In diesem meinen Sohn werde ich jetzt einen größeren Kampf austragen, als ich ihn einst im Himmel austrug. Meinen ganzen Willen werde ich durch ihn erfüllen und diesem meinen Willen wird weder Gott noch der Mensch widerstehen können. Ich weiß und erkenne, daß ich nicht besiegt werden kann. So werde ich in allem Sieger sein."

Darauf wird dieser Sohn des Verderbens eine Menge Volk zusammenrufen, damit sie seine Herrlichkeit offen sehen, wenn er versuchen wird, über die Himmel zu gehen, so daß, falls noch etwas vom katholischen Glauben in der Kirche unerschüttert geblieben ist, es durch diesen Aufstieg völlig vergeht. Aber wenn er in Gegenwart des horchenden Volkes den oberen Elementen gebieten wird, ihn bei seinem Gang in den Himmel aufzunehmen, werden sich die Worte des Paulus, Meines Getreuen, erfüllen, die er vom Heiligen Geist erfüllt sprach:

 

35. Die Entlarvung des Antichristen und seine Vernichtung durch Christus.

"Dann wird der gesetzwidrige Mensch allen sichtbar werden, Jesus der Herr wird ihn durch den Hauch seines Mundes töten." (2 Thess 2,8)

Der Sinn dieser Aussage ist so zu verstehen: In dieser Zeit wird jener Sohn des Verderbens entlarvt werden, und es wird vor allem Volk sichtbar sein, daß er ein Lügner war, da er die Anmaßung hatte, zum Himmel emporzusteigen. Denn der Herrscher und Heiland der Völker, der Sohn Gottes, wird ihn in dieser seiner Vermessenheit töten. Das wird Er in jener Kraft tun, in der Er, der das Wort des Vaters ist, den ganzen Erdkreis mit Seinem gerechten Gericht richten wird. Wenn nämlich dieser Sohn des Verderbens sich durch teuflische Kunst nach oben erhebt, wird er durch die göttliche Kraft hinuntergestürzt werden, und der Gestank von Schwefel und Pech wird ihn unten aufnehmen, so daß auch die dabeistehenden Völker in den Schutz der Berge fliehen. Wenn sie das sehen und hören, wird sie so großer Schrecken befallen, daß sie dem Teufel und seinem Sohn entsagen und sich zum wahren Glauben der Taufe bekehren. Deswegen wird die alte Schlange bestürzt gegen sich selbst knirschen und sagen: "Jetzt sind auch wir verwirrt. Von nun an werden wir nicht mehr die Kraft haben, uns die Menschen so zu unterjochen, wie wir es bisher getan haben."

 

36. Offenbarung 12,10f.: Die Verherrlichung des Gottessohnes nach dem Sturz des Antichristen.

Aber auch alle, die treu an den Gottessohn glauben, werden Gott mit flehentlicher und lobpreisender Stimme rühmen, wie es durch Meinen geliebten und wahren Zeugen geschrieben steht: "Jetzt ist sie da, die Rettung, die Macht und die Herrschaft unseres Gottes und die Vollmacht Seines Gesalbten. Denn gestürzt wurde der Ankläger unserer Brüder, der sie bei Tag und bei Nacht vor dem Angesicht unseres Gottes verklagte. Sie haben ihn besiegt durch das Blut des Lammes und durch ihr Wort und Zeugnis, sie hielten ihr Leben nicht fest, bis hinein in den Tod." (Offb 12,10-11)

Der Sinn dieser Aussage ist so zu verstehen: Jetzt, da der Teufel besiegt und sein Sohn, der Antichrist, vernichtet ist, ist durch göttliche Anordnung das Heil gekommen, das keine teuflischen Gefahren fürchtet. Gekommen ist die Macht, die jene völlig zermalmt, und das Reich, das über alle herrscht, die unter der Herrschaft unseres Gottes stehen, und die Vollmacht des unbesiegbaren Christus, Seines Sohnes, den Er als wahren Priester über das Heil der Seelen bestellt hat. Denn in die ewige Verdammnis gestoßen wurde der hartnäckigste Ankläger und ruheloseste Verfolger derer, die wie wir Kinder Gottes sind und mit uns das himmlische Erbe besitzen werden. Vor dem Angesicht des höchsten Schöpfers und Richters klagte er jene an, die seinen verschiedenen Einflüsterungen zustimmten. Und das tat er zu jeder Zeit sowohl bei geistlichen als auch bei weltlichen Vergehen, weil ja der Mensch immer sündigt.

Im ersten Kampf des verlorenen Engels nämlich, in dem er gegen Gott kämpfte, weil er Gott sein wollte, hat Gott gesiegt. In ihm sah Er auch den Endkampf voraus, den Er mit ihm führen sollte, wenn Er dessen Sohn niedergeworfen und ihn selbst schon durch diesen völlig vernichtet hat. Auch die, die Gott wahrhaft bekennen, haben jenen besiegt, weil sie ihm nicht zustimmten wegen des Blutes des Lammes, durch das sie erlöst sind und um dessentwillen sie auch sehr viele Widerwärtigkeiten an ihren Leibern ertrugen und Sieger wurden. Sie haben ihn auch durch das Wort besiegt, nämlich durch die Lehre, die Er im katholischen Glauben bezeugt hat, der sich auch von jenem Wort her ausbreitete, von dem alle Geschöpfe ausgingen. Und sie liebten nicht ihre Seelen, dadurch daß sie diese in ihren Leibern zurückhielten, sondern sie ließen sie bis zum Tod ihrer Leiber vorausgehen. Sie unterwarfen nämlich ihre Leiber in zahlreichen Leiden dem zeitlichen Tod, wodurch sie auch ihre Seelen dem allmächtigen Gott zurückgaben. Denn als Märtyrer gingen sie in den Tod, und eher als sie den Sohn Gottes verleugnet hätten, unterwarfen sie sich den Leiden. Deshalb legen auch Abel, die Propheten und die übrigen Märtyrer, die bis zum Jüngsten Tag für Gott getötet wurden, Zeugnis für den Sohn Gottes ab, daß auch Er selbst nach dem Willen des Vaters Sein Blut für sie vergossen hat.

Und so ist der Kampf des Sohnes des Verderbens auf diese Weise zu Ende gegangen; und er wird von nun an nie mehr anderswo verehrt werden. Daher freut euch, die ihr im Himmel und auf der Erde eine Wohnung habt. Nach dem Fall des Antichristen aber wird sich die Herrlichkeit des Sohnes Gottes ausweiten.